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Апрель
2024

BGH-Beschluss gegen Betano: Sportwettenverluste müssen zurückgezahlt werden – EM-Sponsor droht Klagewelle

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Seit Monaten klagen Spieler in ganz Deutschland gegen Sportwetten-Anbieter auf die Rückzahlung ihrer Verluste. Nun hat der Bundesgerichtshof einen Beschluss gefasst, der wegweisend sein könnte – ausgerechnet gegen einen Sponsor der EM 2024.

Es sind 24 Seiten, die für Laien ebenso unscheinbar wie unverständlich wirken: Ein Berg aus Paragrafen, Einschüben, Klammern und Bezugnahmen. Und dann ist da dieser eine Satz im Anschreiben, der alles auf den Punkt bringt: "Mit anliegendem Hinweisbeschluss vom 22. März 2024 hat der Senat nunmehr mitgeteilt und sehr detailliert begründet, dass die gegnerische Revision keinen Erfolg haben könnte." 

Unterschrieben ist das bislang unveröffentlichte Dokument, das dem stern vorliegt, von Matthias Siegmann, Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof (BGH). Siegmann verkündet damit eine Haltung des BGH, die wegweisend sein dürfte: Laut dem höchsten deutschen Gericht können Spieler, die in der Vergangenheit Geld bei Sportwetten verloren haben, ihre Verluste von den Anbietern zurückfordern. 

BGH fasst Beschluss gegen EM-Sponsor Betano: Sportwetten vor 2021 waren in Deutschland illegal

Der Beschluss des BGH ist auf mehreren Ebenen bemerkenswert. Zunächst ist da der Beklagte: "Betkick Sportwetten Service GmbH" mit Sitz in Österreich ist das Unternehmen, das mit der Marke "Betano" auch in Deutschland Sportwetten anbietet. Doch Betano ist nicht nur einer von vielen Wettanbietern, sondern auch Sponsor der Fußball-EM Uefa Euro 2024 in Deutschland. 

Die Europameisterschaft sollte für die Wett-Branche Rekordumsätze bringen. Stattdessen versinkt der offizielle Sportwetten-Sponsor der Uefa zwei Monate vor Beginn des Turniers möglicherweise in einer Klagewelle.

Spielsucht Sportwetten: Er verlor 800.000 Euro 10.45

Denn lange Zeit war nicht klar, ob Sportwetten in Deutschland zulässig oder verboten waren. Vor den Gerichten geht es um Fälle aus den Jahren 2012 bis 2021. In dieser Zeit wurde der Sportwettenmarkt in Deutschland liberalisiert – allerdings war der Staat nicht in der Lage, den Andrang von Anbietern zu bewältigen, die eine Lizenz beantragten. So gaben die Ämter überhaupt keine Lizenzen mehr heraus. Legale Anbieter gab es in der Zeit also nicht. Das behielten die Wett-Unternehmen aber für sich und nutzten diese juristische Grauzone aus, um aggressiv auf den Markt zu drängen, getreu dem Motto: So lange etwas nicht verboten ist, ist es erlaubt. Erst ab 2022 können Spieler in Deutschland legal auf Sport wetten.

BGH folgt Argumentation der Kläger

Doch so einfach war und ist es nicht. Spieler aus ganz Deutschland klagen seit einigen Jahren gegen die Sportwettenanbieter. Ihr Argument: Bis 2021 gab es keine deutsche Lizenz für Sportwetten, also waren die Wetten unzulässig. Demnach müssen die Unternehmen ihnen ihre Verluste zurückzahlen. Die Wettanbieter wiederum berufen sich auf europäische Lizenzen, die beispielsweise in Malta ausgestellt wurden. Die hätten ihr Angebot legalisiert. Ob nun deutsches oder europäisches Recht gilt, darüber schieden sich in den vergangenen Monaten und Jahren die Geister – und die Gerichte. 

"So lange der BGH nicht entschieden hat, wissen die Gerichten in unterer Instanz nicht genau, wo es hingeht", erklärt Rechtsanwalt Thomas Schopf, der den Kläger im aktuellen Fall gegen Betano vertritt, dem stern. Zwar gebe es überwiegend Urteile zugunsten der Kläger, aber auch einige Abweichler, so Schopf. Nun würden auch diese Richter in Richtung des BGH marschieren, erwartet der Jurist. 

Mit seinem Beschluss hat der BGH nun gezeigt, dass er in eine "verbraucherfreundliche" Richtung tendiert und folgt damit der Argumentation vieler Kläger: Keine deutsche Lizenz, also keine Erlaubnis, und damit auch unzulässige Wettverluste, die zurückgezahlt werden müssen. 

Zwar ist der Beschluss kein Urteil und damit auch nicht rechtlich bindend – das betont der BGH auf Nachfrage des sternselbst. Allerdings liest man aus ihm eine Empfehlung, und an die Tendenz halten sich meist auch die unteren Instanzen.

Einige wenige Fälle sollten in den vergangenen Monaten vor dem BGH landen. Doch die bislang geplanten Prozesse platzten – teilweise nur wenige Tage vor dem Verhandlungstermin. Ein solcher Fall ereignete sich zuletzt Mitte März, als es um eine Klage gegen den Anbieter Tipico ging. Nur zwei Tage vor der Verhandlung wurde der Termin abgesagt, weil sich das Unternehmen  mit dem Kläger auf einen Vergleich einigen konnte. Kritiker und Juristen werfen den Wettfirmen vor, sich durch vergleichsweise hohe Vergleichsangebote vor einem Urteil zu drücken, um keinen Präzedenzfall zuzulassen.

Tipico Sportwetten Prozess

Rechtsanwalt Siegmann betont in seinem Schreiben: "Offenbar hat der Senat befürchtet, dass auch dieses Verfahren verglichen werden könnte, bevor er Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt. Das Vorgehen steht in der Tradition etwa des Vorgehens des VIII. Zivilsenats im Dieselkomplex." 

Betano ist der erste Wettanbieter, der eine EM sponsert

Auch beim Skandal um die manipulierte Diesel-Software von Volkswagen versuchte der Autobauer um ein allgemein gültiges Urteil herumzukommen. Im Falle von Sportwetten erhöhe bereits der Beschluss den Druck auf die Anbieter massiv, so Schopf. Selbst wenn in der näheren Zukunft kein Urteil erfolge, so dürfte das Dokument zumindest die Vergleichsbereitschaft der Wettanbieter weiter erhöhen – für viele ehemals Spielsüchtige vielleicht eine Chance, die eigenen Finanzen wieder in den Griff zu bekommen.

Für Betano kommt der Beschluss dagegen zur Unzeit: In knapp zwei Monaten startet die EM 2024 in Deutschland. Betano tritt als Sponsor auf und erhoffte sich vermutlich das ganz große Geld, weil das Logo auf fast jeder Werbetafel der EM prangt. Doch statt Neukunden könnten bald die Kläger Schlange stehen. Statt Geld einzuzahlen, könnten sie Verluste zurückfordern.

Und auch auf die Uefa wirft der Fall ein schlechtes Licht. Es ist überhaupt das erste Mal in der Geschichte des Verbands, dass ein Wettanbieter eine EM sponsert. Die Fragen, ob der Beschluss des BGH gegen Betano Auswirkungen auf die zukünftige Zusammenarbeit habt oder ob die Uefa gewusst hat, dass ihr Partner möglicherweise illegal Sportwetten angeboten hat, wurden unbeantwortet gelassen. Ebenso, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, mit einer Präventionskampagne zusammenzuarbeiten und eben nicht mit einem Unternehmen, das zumindest einen Teil seiner Einnahmen mit Wettsüchtigen verdient. Bis Redaktionsschluss hat die Uefa auch darauf nicht geantwortet. 

Die wenigen Spieler, die in den vergangenen Jahren tatsächlich Gewinne aus ihren Sportwetten verbucht haben, brauchen übrigens nicht nervös zu werden. Die Anbieter hätten kein Recht, Gewinnsummen zurückzufordern, so Schopf. Diese Forderungen seien nur zulässig, wenn der Geschädigte nicht wusste, dass die Wetten ohne Lizenz stattfanden. Den Spielern war dies oft nicht bewusst – den Anbietern aber schon.