DLRG: Das nächste Hochwasser kommt - aber wie schützt man Helfer?
Extremwetter werden immer häufiger, Überschwemmungen sind oft die Folge. Was bedeutet das für die vielen Helfer, wie gut sind sie gewappnet? Vor allem braucht es geeignete Trainingsmöglichkeiten.
Sich Sorgen machen über Hochwasser? In der Vergangenheit dürfte das für viele Menschen keine besonders große Rolle gespielt haben - man verließ sich darauf, allein nach dem Rheinhochwasser in Köln gewissermaßen die Uhr stellen zu können. Das hat sich geändert. Sichtbar wurde das vor allem im Sommer 2021 - bei der Flutkatastrophe im Ahrtal mit 136 Toten. Weitere schwere Überschwemmungen nach Starkregen folgten, in Süddeutschland im Frühsommer, zuvor im Saarland, außerdem in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt um den Jahreswechsel. Dabei im Einsatz: unzählige Helferinnen und Helfer im Katastrophenschutz. Doch die haben kaum Möglichkeiten, für ihre Einsätze zu üben.
Denn: Wasser, das bis an die Fenster von Häusern heranreiche, könne man nur schwer simulieren, sich mit dem Boot sicher in starker Strömung zu halten, nicht auf dem Trockenen üben, sagt Joshua Jünger, Technischer Leiter Einsatz der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft in Augsburg. Beim Hochwasser nördlich von Augsburg war er im Sommer im Einsatz, als dort ein Damm brach. Gleichzeitig gilt: "Wir wissen, dass das nächste Hochwasser kommen wird", sagt Torben Gedraht, Zugführer des Wasserrettungszuges der DLRG im Landkreis Lüneburg.
DLRG prüft Hochwasserausbildungszentrum
Und die sogenannten Starkregenereignisse mit massiven Regenmengen binnen kürzester Zeit bedeuten nach Einschätzung der Wasserretter neue Herausforderungen für die Einsatzkräfte. "Reißende Fluten stürzen durch Ortschaften, in denen Menschen aus Häusern oder von Autos gerettet werden müssen", erklärt DLRG-Präsidentin Ute Vogt. "Durch die bauliche Infrastruktur entstehen für die Einsatzkräfte zusätzliche Gefahren".
Auf die sich die Helfer nur bedingt vorbereiten können. Taucheinsätze in überfluteten Kellern mit der Gefahr sich schließender Türen zu üben, sei wegen der Gefahr nicht möglich. Eine Lösung: ein Hochwasserausbildungszentrum, in dem "unter kontrollierten Bedingungen der Einsatz in urbanen Gebieten realistischer geübt werden kann". Und das nicht nur für DLRG-Retter, sondern auch die Feuerwehr und andere Organisationen.
Ohne Wasser keine realitätsnahen Übungen
Dazu haben die Lebensretter mit der Firma Thost Projektmanagement als Partner die Machbarkeit eines Hochwasserausbildungszentrums geprüft. Darin enthalten: ein Strömungskanal, in dem mit Booten bis zu einer Länge von vier Metern trainiert werden kann. Auch mehrere Häuser sollen entstehen, in denen die Helfer das Retten aus Kellern, von Balkonen oder über Dachfenster üben können, an einem angedeuteten Deich können sie wiederum den Schutz dieser Bauwerke trainieren, denen das Hochwasser gewissermaßen bis zum Hals steht. Angedacht sind auch ein künstlicher See für Einsatztaucher, ein vom Wasser eingeschlossenes Fahrzeug oder ein Portalkran für Einsätze aus der Luft.
DLRG-Mann Jünger betont, ohne Wasser lasse sich nicht realitätsnah üben, ein See aber sei zu statisch, Strömungen dagegen unberechenbar. Hochwasser könne Gullydeckel nach oben drücken - wer im Hochwassereinsatz etwa eine Wathose trage und im Wasser unwissentlich an einen offenen Abwasserkanal gerate, sei "weg". Die DLRG-Einsatzkräfte trügen daher Neoprenanzüge. Je nach Wasserstand seien auch Zäune oder Maschendraht nicht zu sehen - teils seien die Pegelstände bei Hochwasser auf der Höhe von Straßenschildern: Keiner weiß, was darunter ist. Ziel sei, zu "üben, wie man sich vorantastet, ohne sich selber in Gefahr zu bringen", erklärt er.
In Häusern drohen Gefahren
Dazu gehöre auch, übermotivierte Einsatzkräfte vor sich selbst zu schützen, erklärt Volker Pingel, DLRG-Fachberater für die Technische Einsatzleitung im Heidekreis. Es nütze niemanden, wenn Helfer bis zur Erschöpfung arbeiteten, im Wasser zusammensackten und selber gerettet werden müssten. Es sei wichtig, die eigenen Kräfte einschätzen zu können.
Gedraht wiederum macht klar, man könne nicht üben, wie es sei, wenn das Wasser komme und Häuser und Keller überflute. In Häusern sei etwa Elektrizität eine enorme Gefahr, dafür müsse Verständnis geschaffen werden. In Kellern könnten Menschen vom Wasser überrascht und eingeschlossen werden, auch von Öltanks könnten Gefahren ausgehen, warnt Pingel. Zusätzlich könne das Wasser etwa durch Haustierkadaver kontaminiert sein und nicht zuletzt seien Häuser bei Hochwasser schnell einsturzgefährdet. An all solche Dinge müssten Helfer denken - und umso wichtiger sei es, sich vorzubereiten, mahnt Gedraht.
Millionenkosten erwartet
Doch das kostet Geld: Die DLRG geht nach eigenen Angaben davon aus, dass der Bau eines Hochwasserausbildungszentrums etwa 50 Millionen Euro kosten würde - und zusätzlich jährlich knapp 7,5 Millionen Euro für den Betrieb. "Das ist für uns als ehrenamtliche Organisation, die sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert, absolut nicht finanzierbar", sagt die DLRG Präsidentin. "Doch wir sind von der Notwendigkeit solcher Trainingsstätten überzeugt." Die DLRG will bei Bund und Ländern für die Umsetzung des Projekts werben.
Und was meinen die? Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, das Projekt und auch die Machbarkeitsstudie hätten noch keiner "abschließenden Bewertung unterzogen" werden können. Eine Abschätzung der Kosten sei daher bislang nicht möglich, ein möglicher Standort oder die Größenordnung unklar. Das Ministerium sei offen für Ideen zur Weiterentwicklung der Ausbildung im Bevölkerungsschutz - "soweit diese in seiner Zuständigkeit liegen". Für den Katastrophenschutz seien die Länder zuständig.
DLRG: Auf Ehrenamt angewiesen
Das niedersächsische Innenministerium wiederum kennt nach eigenen Angaben noch kein Schreiben des DLRG-Landesverbandes zu dem Projekt. Es gebe aber "umfangreiche Investitionen in die Rettungsausstattung für Hochwasserlagen", betont ein Sprecher. So sollten etwa Gerätewagen für Strömungsretter sowie Rettungsboote beschafft werden.
DLRG-Mann Gedraht und sein Augsburger Kollege Jünger mahnen, im Katastrophenfall sei man auf die Ehrenamtler unter anderem der DLRG angewiesen. "Ohne Ehrenamtler hätten wir das Hochwasser nicht bewältigt", betont Jünger. "Die Gesundheit der Einsatzkräfte ist die letzte Stelle, an der man sparen sollte".