Ein Wandervogel macht Halt am Niederrhein
Borussia Mönchengladbach hat wieder einen neuen Sportchef, sorry, „Head of Sports“, und damit knapp zwei Wochen nach dem Rauswurf, sorry, Rücktritt von Roland Virkus in Rouven Schröder einen Nachfolger gefunden. Zeit, die Dinge einzuordnen.
Wir wollen an dieser Stelle nichts suchen, wo vermeintlich nichts ist, aber ein wenig bemerkenswert war die Pressemitteilung dann schon. „Rouven Schröder verfügt neben der Erfahrung über die nötigen Kompetenzen und die kommunikativen Fähigkeiten, die es für diese anspruchsvolle Aufgabe braucht“, ließ sich Borussias Vorstandsvorsitzender, sorry, CEO Stefan Stegemann auf der Homepage zitieren. Es ist nicht das erste Mal, dass Stegemann „kommunikative Fähigkeiten“ als essentiell für diese Rolle beschreibt, jetzt hat er noch „nötige Kompetenzen“ im gleichen Satz hinterhergeworfen, was durchaus als rhethorisches Nachtreten in Richtung Roland Virkus gelten darf. Es passt zu den Stimmen, die SEITENWAHL aus dem Verein gehört hat in den vergangenen Wochen, die sagen, dass die ganze Geschichte um Virkus nicht ganz so harmonisch und familiär abgelaufen ist, wie der Verein den Eindruck vermitteln wollte. Ohne zu viel zu verraten: Es stimmt zuversichtlich, dass einige Vertreter in den Gremien dann doch noch eine Kontrollinstanz darstellen und gerade das Präsidium vor allzu großen Abenteuern bewahren.
Nun also Schröder, für den sogar eine Ablösesumme Richtung Red Bull, sorry, RB Salzburg überwiesen wird. Dort hatte Schröder erst Anfang Dezember 2024 einen Vertrag bis 2028 (!) unterschrieben, um schon vor Ablauf des ersten Vertragsjahres dem Ruf eines anderen Vereins zu folgen. Ist ja nicht so, dass Borussia diese durchaus flexibel ausgelegte Vertragstreue von ehemaligen RB-Mitarbeitenden nicht selbst schon leidlich erlebt hat.
Das Positive vorab: Schröder hat in den vergangenen 13 Jahren sehr viele Erfahrungen und Kontakte in der Branche aufbauen können. Das Negative daran: Borussia ist Schröders siebte (!) Station in leitender Position, seit er 2012 zum „Koordinator der Lizenzmannschaft“ beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth ernannt worden war. Von dort zog es ihn zum SV Werder Bremen (2014-2016), dann zum 1.FSV Mainz 05 (2016-2020), von dort zum FC Schalke (2021-2023), weiter zu RB Leipzig (2023-2024) und nun zuletzt Salzburg (Dezember 2024 – heute) aus dem gleichen Konzern. In Trainer-Dimensionen wäre der gebürtige Sauerländer ein klassischer Wandervogel oder Feuerwehrmann, für einen Funktionär in leitender Position ist das Job-Hopping mindestens bemerkenswert.
Das alles muss für Borussia nicht zwangsweise schlecht sein, zeigt aber auch, dass der Verein vielleicht nicht mehr die allererste Adresse im deutschen Fußball ist. Hier trifft ein Verein in personeller Not auf einen Manager, der wieder die Bühne Bundesliga wollte (und braucht). Es wirkt in vielerlei Hinsicht wie eine Zweckehe, keine aus gegenseitiger Liebe. Für einen Verein in akuter Abstiegssorge muss das nichts Negatives sein, nur allzu viel Romantik sollte hier niemand entwickeln.
Rückblicke auf Schröders Transferbilanzen in seinen zahlreichen früheren Stationen sind hierbei auch nur bedingt sinnvoll; zu unterschiedlich die jeweiligen Ausgangslagen, finanziellen Möglichkeiten und sportlichen Erfolge bzw. Misserfolge. Nur so viel sei gesagt: katastrophale Transferbilanzen kann man Schröder nicht vorwerfen, allerdings ist er ebenso weit vom „Trüffelschwein“-Prädikat eines Markus Krösche oder des frühen Max Eberl in gleicher Position entfernt. Dennoch gibt es genug Grund zur Hoffnung, dass Schröder schon in der Winterpause die nötigen Verstärkungen bzw. Veränderungen im Kader vornimmt und somit die Fahrlässigkeiten seines Vorgängers halbwegs korrigieren kann. Auf einen prall gefüllten Kontostand wie im Brause-Konzern wird er nicht zurückgreifen können, aber das wird er schon vor seiner Unterschrift gewusst haben.
Bei der Trainerauswahl hatte Schröder in der Vergangenheit ein jeweils weniger glückliches Händchen. Insofern können wir nur hoffen, dass Eugen Polanski weiterhin das Vertrauen genießt und bekommt. Sollte Polanski zum Saisonende noch auf der Bank sitzen, bedeutet es wahrscheinlich auch, dass Borussia nicht abgestiegen ist. Um mehr als das wird es in dieser Saison nicht gehen.
Wer es bis hierhin nicht bemerkt hat: Wir sind verhalten positiv in der Personalie Rouven Schröder. Wenig originell, irgendwie vorhersehbar, mit einem nicht zu unterschätzenden Risiko. Wer sich „Head of Sports“ als Titel in den Vertrag schreiben lässt (und nichts anderes wird es gewesen sein, oder glaubt jemand ernsthaft, dass Rainer Bonhof diese Idee hatte?), um damit die eigenen, künftigen Karriereoptionen schon bei Vertragsunterschrift abzusichern, dem ist daraus per se kein Vorwurf zu machen. Schröder ist ein Mann, der gerne „kernig“ rüberkommt, der eine klare Ansprache beherrscht. Auch das ist erstmal neutral zu beurteilen, wenngleich die rhethorische Latte überschaubar hoch hing.
Borussia und ihre Anhänger werden sehr schnell ein feines Gespür dafür entwickeln, ob Schröder sich auf den Verein mit Haut und Haaren, sorry, Glatze einlässt, oder ob hier jemand einfach ein professionelles Arbeitsverhältnis eingeht, von dem er jetzt schon weiß, dass es endlich ist. Er wird ab sofort dafür bezahlt, dass Borussia den maximal möglichen, sportlichen Erfolg erzielt. Und das ist in dieser Saison ausschließlich der Klassenerhalt. Belassen wir es bei dieser schlichten wie professionellen Aufgabe für ihn.
Trotz allem: Willkommen in Mönchengladbach, Rouven Schröder! Gönnen wir Ihnen und uns, dass Sie kommenden Samstag an ihrem 50. Geburtstag einen ersten Bundesligasieg als „Head of Sports“ feiern dürfen.
