Urbich et orbi im Abstiegskampf
So aussichtslos, dass nur noch Beten hilft, ist die Lage von Borussia Mönchengladbach nicht. Für großen Optimismus eignet sich das 0:0 gegen den SC Freiburg auch nicht. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Das Ergebnis und die Gemütslage passten zur Anstoßzeit. Sonntag, 19:30 Uhr. Wenig überraschend hatten erstmals seit dem 0:0 gegen Darmstadt im Februar 2024 wieder weniger als 50.000 Zuschauer den Weg in den Borussia-Park gefunden. Kein Wunder, schließlich muss man schon in der Nähe wohnen, um nach dem Spiel noch am Sonntag die heimische Tür öffnen zu können.
Doch das soll es erstmal gewesen mit Gemecker. Was haben wir erwartet? Eine vor Spielfreude strotzende Borussia, die den SC Freiburg nach den Europokal-Strapazen unter der Woche einfach so her spielt? Mit dieser Offensive de facto unmöglich. Ergo ist der langweilige Spielverlauf eher ein Zeugnis für und nicht gegen Borussia. Vor allem hat der Ansatz verdeutlicht, dass Borussia ihren Fokus auf die notwendigen Basics im Abstiegskampf verinnerlicht hat. Klar, nach einem 4:6 gegen Eintracht Frankfurt, inklusive Sturmlauf in den letzten 25 Minuten des Spiels, gibt es große Schlagzeilen und zu viel Lob und Anerkennung für die Schlussphase außerhalb normaler Wettbewerbsbedingungen. Ersetzen kann solch ein Spiel, wenn es verloren geht, aber kein schnödes 0:0 gegen den SC Freiburg.
Borussia Mönchengladbach wird im Abstiegskampf nicht bestehen können, wenn es mit wehenden Fahnen untergeht. Deshalb eignet sich das torlose Remis gegen den Sportclub zwar nicht für großen Optimismus, sehr wohl aber für eine Portion Selbstvertrauen: Gladbach war in Notbesetzung nicht schlechter als der Vorjahres-Fünfte in Bestbesetzung. Das muss der Mannschaft während der Länderspielpause Mut machen. Gegen den 1. FC Union Berlin, den FC St. Pauli, den 1. FC Köln und den 1. FC Heidenheim braucht es dieselben Tugenden, um möglichst viele Punkte zu hamstern. Mit der Leistung aus dem Freiburg-Spiel ist das möglich. Diese Erkenntnis ist bereits ein Fortschritt.
Gut ist, dass der Etwas-Mehr-als-Interimstrainer Eugen Polanski das 0:0 entsprechend wertzuschätzen wusste. Lieber mehrere kleine Schritte als ein großer Schritt, der dann wieder verpufft. So bewertete das Gladbacher Eigengewächs den dritten Punktgewinn der Saison. So weit, so gut.
Und dennoch müssen wir über die offensive Harmlosigkeit reden. Gegen ernsthaft verteidigende Mannschaften unter Wettbewerbsbedingungen hat Borussia Mönchengladbach in der aktuellen Saison weiter erst ein Tor erzielt. Das ist das Resultat einer schiefen Kaderplanung. Im zentralen Mittelfeld quillt der Kader über. An Sechsern, Achtern und Zehnern mangelt es nicht. Eklatant ist die Situation dagegen auf der Außenbahn. Dass Robin Hack und Franck Honorat zum Teil lange ausfallen, ist ein großes Unglück. In dem Wissen in die Saison zu gehen, dass im Falle eines Ausfalls niemand einspringen kann, ist eigenes Verschulden. Vor allem, weil Nathan Ngoumou bekanntlich auch seit Ewigkeiten ausfällt und das Gesamtpaket Giovanni Reyna mehr als nur fragil ist. Die Realität sieht so aus: Der aus der U23 hochgezogene Charles Herrmann ist der einzig verbliebene gesunde Flügelspieler im Kader. Wow.
Hinzu kommt, dass Kapitän Rocco Reitz derzeit zwar bemüht, aber mit der Gesamtsituation überfordert wirkt. Shuto Machino ist aktuell noch ein Fremdkörper, hat keinerlei Bindung zum Spiel der Borussia. Haris Tabakovic versucht, das Bestmögliche herauszuholen, zeigt viel Einsatz, hat aber wenig Qualität beim Festmachen von Bällen. Seine Stärke ist das Verwerten von Flanken. Aber wer soll die bringen, wenn kein Flügelspieler zur Verfügung steht und allen voran die Flankenbälle von Joe Scally oft wild umherschwirren wie Drohnen über deutschen Flughäfen.
Insofern war die überraschend frühe Einwechslung von U23-Tormaschine Jan Urbich eine kluge Entscheidung von Eugen Polanski. Der Ex-Offenbacher wirkt spritziger als Tabakovic, weniger fokussiert auf Kopfbälle und hat an Einsatz ebenso wenig vermissen lassen. Gerade in den ersten zehn Minuten nach seiner Einwechslung zeigte Urbich eine gewisse Präsenz in Umschaltsituationen und im gegnerischen Strafraum.
Zumindest einen Hauch von Spielfreude versprühte der ebenfalls früh eingewechselte Oscar Fraulo. Gelegentliches Aufblitzen spielerischer Qualität müssen wir auch Florian Neuhaus attestieren. Ausgerechnet im ersten Spiel nach Roland Virkus bekam der Vier-Millionen-Mann sein Startelfmandat anstelle des auf die Bank verfrachteten Kevin Stöger. Neuhaus nutzte die Chance, verteilte Ball um Ball, animierte das Publikum und versuchte (manchmal etwas zu sehr mit dem Kopf durch die Wand) den erlösenden Siegtreffer zu erzwingen. Damit dürfte Neuhaus auch in den kommenden Wochen gute Chancen auf Startelfeinsätze haben.
Ob diese positiven Ansätze und das Fokussieren auf die Basics reichen, um bis zur Winterpause genügend Punkte zu sammeln, damit Borussia in den dann verbleibenden 19 Spielen in 2026 das Ruder herumreißen kann? Möglich, aber garantiert ist das nicht. Mit einer auf defensiver Sicherheit und Vorsicht fokussierten Spielweise wird die Chance unter den gegebenen Chancen aber erhöht. Aus den verbleibenden neun Spielen sollten und müssen auf diesem Wege irgendwie drei Siege herausspringen, dann kann der Klassenerhalt ohne Wunderdinge in 2026 gelingen. Ansonsten hilft nur beten.