Das Ende vom Ende?
Beginnen wir mit dem Positiven. Nach der der 0:4-Heimniederlage gegen Werder Bremen ist wohl endgültig jeder und jedem klar, dass Borussia eine Saison im Abstiegskampf bevorsteht. Tatsächlich hat – zumindest ca. zwölf Stunden nach dem Abpfiff – noch niemand im Verein, kein Sportdirektor, kein Präsident, kein Trainer versucht, die Situation schön zu reden. Wer noch ansatzweise die Idee hatte, mit dieser Mannschaft könne man höhere Ziele als den Klassenerhalt anpeilen, er dürfte nach dem Auftritt vom Sonntagabend kuriert sein.
Was jetzt unweigerlich folgen wird, ist das Blame-Game. Wer ist schuld? Sind personelle Konsequenzen immer noch ausweichlich? Und wenn, wen sollte es treffen und wen könnte es treffen. Dazu gleich mehr, schauen wir erst kurz auf die 90 Minuten gegen Werder Bremen:
Borussia begann recht munter, ohne allerdings wirklich in die Nähe einer Torchance zu kommen. In der ersten Halbzeit hatte die Mannschaft mehr Spielanteile, ohne zwingend unterwegs zu sein. Giovanni Reyna versuchte, Dinge zu initiieren, auf diese Dinge waren seine Mitspieler allerdings (noch) nicht eingestellt. Werder schoss zweimal aufs Tor – beide Male erfolgreich. Die Abwehr war bei den Gegentoren grotesk unorganisiert. Beim ersten Treffer führte Mbangula im Gladbacher Strafraum gefühlte fünf Minuten den Ball, ohne angegriffen zu werden und konnte letzten Endes gar nicht anders, als den Ball drauf – und reinzuschießen. Beim zweiten Gegentor ließen die Borussen erneut Mbangula widerstandslos flanken, standen im Strafraum weit von den Gegenspielern weg, so dass Stage am Ende gar nicht anders konnte, als den Ball drauf- und reinzuschießen. Bei beiden Toren funktionierte das Verteidigen im Kollektiv gar nicht. Wie Honorat, Reitz und Sander beim 0:2 ihre Abwehrkollegen im Regen stehen ließen, gehört als Negativbeispiel ins Lehrbuch des Defensivverhaltens.
Die besten Chancen hatte Borussia vor der Pause, zweimal war Robin Hack nah am Anschlusstreffer. Nach der Pause war Borussia weiter aktiv aber völlig harmlos und die Fehlerquote stieg immer weiter. Unbestrittener Fehlpasskönig dabei war Philipp Sander, dem an diesem Abend wirklich alles misslang. Dabei war, das muss man in dieser Deutlichkeit sagen, Werder Bremen kein wirklich starker Gegner. Eine einzige richtige Chance hatte Borussia in dieser zweiten Halbzeit: Einen Kopfball von Reitz rettete Agu auf der Linie. Kurz danach aber war Schluss. Das 0:3 durch einen berechtigten Foulelfmeter nach Strafraumeselei von Diks zog den Gladbachern endgültig den Stecker. Der Rest war Schaulaufen, Borussia sehnte den Abpfiff herbei, Werder machte noch ein viertes Tor, das nur die trotz der ungünstigen Anstoßzeit zahlreich mitgereisten Bremer Fans interessierte.
Wir lernen aus diesem Spiel einiges, was wir ohnehin schon wussten: Borussia spielt ohne Idee und Konzept einfach irgendwie Fußball. Nico Elvedi ist ein guter Verteidiger, wenn jemand neben ihm die Abwehr ordnet, selber taugt er (seit immer schon) nicht zum Abwehrchef. Wir haben einen Abwehrchef geholt, der aus unerfindlichen Gründen Rechtsverteidiger spielen musste.
Zusätzlich: Shuto Machino ist noch kein Faktor, sein USP, weite Einwürfe, ist nutzlos, wenn in der Mitte niemand ist, der diese Einwürfe verwerten kann. Fast schon lustig ein Einwurf kurz vor Ende, den in den Händen des Bremer Schlussmannes Backhaus landete. Das erinnerte an das alte Kinderspiel „Kirschen gegessen“. Und Franck Honorat ist aktuell nicht er selbst. Das Phänomen, dass fast jeder Spieler bei Borussia schlechter wird und nur die resilientesten zumindest ihre Form halten, es ist und bleibt augenfällig. Es wäre ein Leichtes, das am Trainer festzumachen und Gerardo Seoane ist (war, wie es zum Zeitpunkt des Schreibens aussieht) kein Bessermacher. Aber das Phänomen ist älter. Es ist etwas im Wasser im Borussia-Park. Oder es liegt an den Strukturen. Da suche sich jeder die für ihn passende Lösung aus.
Und da sind wir bei der Frage nach den Konsequenzen. Der Fehlstart ist komplett, Borussia hat saisonübergreifend seit zehn Spielen nicht mehr gewonnen, spielt trotz personeller Veränderungen exakt denselben „Nicht-Fußball“ wie am beklagenswerten Ende der vergangenen Spielzeit. Es ist nichts besser geworden, die Saisonvorbereitung wurde ganz offenbar für nichts genutzt. Völlig klar: Das Kapitel Gerardo Seoane geht zu Ende. Es ist wohl eher eine Frage von Stunden, als von Tagen, bis der Fehler, hier in der Sommerpause keinen Schnitt gewagt zu haben, korrigiert wird. Aber ist es damit getan? Roland Virkus ging nach dem Abpfiff erstmals auf Distanz zum Trainer, offenbar in der Hoffnung, seinen Allerwertesten noch retten zu können. Aber nach allem, was man hört, sind auch die Tage des Sportdirektors gezählt, ist die Frage nur, ob Virkus hochgelobt oder weggeschickt wird. Wer Borussia kennt, ahnt, dass es eher ein Hochloben sein wird. Ob Virkus aus einer anderen Position dann seine Griffel vom Tagesgeschäft lassen kann, muss sich finden. Machen wir hier erst einmal einen Punkt, bis sich die Dinge geklärt haben – und melden uns alsdann wieder.
Enden wir mit dem Positiven: Möglicherweise kam der Offenbarungseid vom Sonntagabend zum rechten Zeitpunkt und der verkrustete Kleingärtnerklub, zu dem Borussia in den vergangenen Jahren mutiert ist, wandelt sich doch wieder zu einem professionellen Fußballverein.