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Drahtseilakt

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Eigentlich ist ja nichts passiert bei Borussia diese Woche. Dass man in Frankfurt eher Außenseiter sein würde, war schon bei der Auslosung Konsens. Eine knappe 2:1 Niederlage hätten viele vor Spielbeginn zwar nicht begrüßt, aber doch als irgendwie akzeptabel angesehen.  Aber Borussia wäre nicht Borussia, wenn man es nicht schaffen würde, selbst eine stinknormale erwartete Pokalniederlage noch in eine zutiefst demütigende Blamage zu verwandeln. Hut ab!

Dabei war die Borussia eigentlich ganz ordentlich ins Spiel gekommen. Nach dem Ausfall von Reitz (muskuläre Probleme) durften gleich Neuhaus UND Stöger in der Startelf spielen, für Neuhaus ein gänzliches neues Gefühl. Ähnlich überraschend bekam Lukas Ullrich eine Chance auf der linken Position in der Fünfer-Kette. Es war zunächst ein ausgeglichenes, verhaltenes Spiel, in dem die Borussia durchaus auch versuchte Akzente zu setzen. Ein guter Ansatz dazu führte nach einer Viertelstunde zu der Szene, die das Spiel (allerdings anders als erwartet), aber vor allem auch die Erwartungshaltung der Mönchengladbacher Fans nachhaltig veränderte. Weigl hatte einen guten Steilpass auf Ullrich gespielt, der gerade dabei war sich geschickt an Theate vorbeizudrehen, als der Frankfurter fiel und mit der Hand den Ball stoppte, womit er eine mögliche Riesenchance verhinderte, denn Ullrich hätte freie Bahn aufs Frankfurter Tor gehabt. Die folgende rote Karte war konsequent und richtig und somit hatte die Borussia 75 Minuten Zeit ein Spiel gegen 10 Frankfurter für sich zu entscheiden. Einfacher hätte es eigentlich nur noch sein können, wenn man bei einem Drittligisten gespielt hätte (ups!). Und gleichzeitig war damit eigentlich jedem Gladbachfan klar, dass dieses Spiel kein gutes Ende finden würde und natürlich kam es genauso wie erwartet: Die Borussia hatte von nun an zwar viel Ballbesitz, was man aber nicht mit Spielkontrolle verwechseln darf. Die hatte eher die Eintracht, die sich über weite Strecken einfach anschaute, was die Borussia so trieb (nichts Gefährliches), dann aber bei den wenigen eigenen schnell vorgetragenen Angriffen weitaus torgefährlicher wirkten als die Gladbacher. Beim ersten Frankfurter Tor kam es nach schnellem Konter zum extrem unfairen Duell von Marvin (Mr Hüftsteif) Friedrich gegen Hugo Ekitiké, bei dem sich der Franzose den hilflosen Gladbacher so lange hin und her legte, bis er meinte, jetzt sei aber genug und den Ball humorlos ins linke Eck schoss. Um das ganze doch etwas gerechter zu gestalten, durften beim zweiten Frankfurter Treffer gleich 4 Borussen und Torwart Nicolas versuchen, den eingewechselten Marmoush bei seinem Tänzchen im Fünfmeter zu stoppen, bevor dieser den Ball unter die Latte wuchtete. Man könnte man fast meinen, die Borussia habe gewisse Probleme im Defensivbereich, aber wenn dem so wäre, hätte man ja sicher in der letzten Transferperiode was dagegen unternommen.  Zwischen diesen beiden Treffern lag die beste Phase Gladbachs 15 Minuten nach der Halbzeit. Diese führte auch zum zwischenzeitlichen Ausgleich und für ein paar Minuten hatte man tatsächlich das Gefühl, die Mannschaft wäre in der Lage das Spiel noch gänzlich zu drehen. Nach dem erneuten Rückstand war die Partie allerdings gelaufen und zum Ende schien ein höherer Frankfurter Sieg erheblich wahrscheinlicher als eine Verlängerung.

So war es mal wieder ein frustrierender Abend für Fohlen-Fans, deren einziger Trost war, dass Geschäftsführer Sport Roland Virkus nach dem Spiel klare Worte fand, Tacheles redete und nebenbei auch noch Butter bei die Fische tat (letzteres vor allem in Vorbereitung auf das Spiel am Sonntag). „Wir sind trotzdem erst am Anfang der Saison. Das Pokal-Aus enttäuscht uns, aber jetzt müssen wir uns auf Bremen konzentrieren“ analysierte Virkus nach dem Spiel knallhart und zeigte sich mal wieder als Meister der Kommunikation auch in schwierigen Phasen.

Und so konzentrieren wir uns nun für den Rest dieses Artikels auf Bremen, nach Union, Augsburg, Heidenheim und Mainz der fünfte Gegner in Folge, der sich – will man dann denn wirklich wieder in die vordere Tabellenhälfte vordringen – eher auf Borussias Nasenhöhe befinden sollte. In der Tabelle stehen die Bremer zwei Punkte vor dem VFL auf Platz 10, was die Hanseaten vor allem ihrer Auswärtsstärke zu verdanken haben. Nach einem 2:2 in Augsburg am ersten Spieltag feierten die Werderaner mit dem 1:0 in Paderborn unter der Woche den vierten Auswärtssieg in Pflichtspielen in Folge, eine beeindruckende Bilanz für ein Team, dessen primäres Ziel es ist, erstmal nichts mit dem Abstieg tun zu haben. Zu Hause gab es bislang keinen Sieg, aber da waren die Gegner auch von einem anderen Kaliber (Dortmund, Bayern, Freiburg. Leverkusen) und zumindest gegen den deutschen Meister zeigten die Bremer am letzten Spieltag eine sehr starke Leistung. Danach wurde darüber geredet, wie viele gute Torchancen Ducksch gebraucht hätte, um seinen Treffer gegen Hradecky zu machen (ich glaube es waren 7), aber immerhin schaffte es Werder als Team ihren Torjäger all diese Male in aussichtsreiche Positionen zu bringen. Man vergleiche das mit Tim Kleindiensts Aussagen nach dem Frankfurtspiel („Wir hatten viel Ballbesitz und viele Situationen, wo wir in Flankennähe waren, aber man hatte trotzdem das Gefühl, dass gar nicht so viele Bälle in den Sechzehner gekommen sind“). 

So gehen die beiden Teams zwar nur durch 2 Punkte und 2 Tabellenplätze getrennt in das Spiel am Sonntag, aber mit gänzlich anderen Stimmungen. Während in Bremen die eventuell nach der 0:5-Klatsche gegeben Bayern aufgekommen Selbstzweifel düstere Vergangenheit sind, schafft man es in Mönchengladbach nicht mehr das aufkommende Rumoren still zu halten. Selbst der eher sachliche und neutrale Kicker glaubt nicht wirklich an die „Seoane-Wende“ (was so ein wenig wie ein Element in einer Eiskunstlaufkür kling…und jetzt die 3-fache Seoane-Wende…GESTANDEN!) und so ist das Spiel am Wochenende mal wieder ein kleines Endspiel. Natürlich ist es Quatsch, grundsätzliche Entscheidungen Woche für Woche vom nächsten Spiel abhängig zu machen, aber darum geht es ja auch nicht. Grundsätzlich ist es ja lobenswert und oft richtig, den Verantwortlichen Zeit zu geben und Geduld zu haben. Gerade Werder ist das ein Beispiel für, denn Ole Werner war in den vergangenen Jahren, in den es auch schlechte Phasen bei Werder gab, nicht immer unumstritten, aber durfte ein Team weiterführen, bei dem sich jetzt klare Strukturen entwickelt haben. In Mönchengladbach war aber jeglicher Kredit der sportlichen Leitung (und damit meine ich Seoane UND Virkus) schon am Ende der grausamen Vorsaison komplett aufgebraucht. Zu diesem Zeitpunkt nicht gehandelt zu haben, war überraschend und auch unverständlich (wenn die definierenden Elemente des Borussenwegs Feigheit und Bequemlichkeit sind, sollte man mal über eine Abzweigung davon nachdenken!).  Als Konsequenz liegt die Bringschuld jetzt aber auch klar bei diesen Verantwortlichen. Roland Virkus hat mehr als 2.5 Jahren Zeit gehabt eine neue Borussia zu formen, der Kader besteht fast nur aus Spielern, die er geholt hat oder mit denen er Verträge verlängert hat.  Seoane hatte nun fast 1.5 Jahre mit der Mannschaft, die im Sommer auch punktuell verstärkt aber nicht komplett geändert wurde. Wenn man glaubt, dass dies ein Team ist, dass in die vordere Tabellenhälfte gehört, dann möchte man das sehen und zwar jetzt! Es geht dabei nicht nur um Ergebnisse, sondern auch darum, wie man spielt. Und was das betrifft, werfen die Auswärtsspiele in Augsburg, Mainz und auch das Pokalspiel in Frankfurt große Fragen auf. Natürlich gab es auch schon bessere Auftritte der Mannschaft in diesem Herbst, aber bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass diese im Wesentlichen auf der individuellen Qualität einzelner Spieler beruhen (Reitz, Honorat, Plea, Stöger, Hack…wir haben schon ein paar geile Kicker dabei), die vor allem dann zur Geltung kommen, wenn noch die Energie des Publikums in Heimspielen hinzukommt. Was ich (zumindest bisher) nicht sehe sind feste Strukturen, die dem Team auch in schwächeren Momenten helfen. Borussia bleibt (seit Jahren!) weniger als die Summe der Einzelteile, und das liegt teilweise daran, dass die Einzelteile einfach nicht gut zusammenpassen (Kaderplanung!) und zum anderen, dass es dem Trainer nicht gelingt sie optimal zusammenzufügen.

Aber so wenig ich mir vorstellen kann oder möchte, dass das Duo Seoane-Virkus in Gladbach eine langfristige Zukunft hat, ist natürlich im Fußball immer alles möglich. Es ist durchaus realistisch, dass der VFL am Sonntag wieder sein gutes Gesicht zeigt, und mit einem Sieg über Werder in das gelobte Land der einstelligen Tabellenplätze einzieht. Aber um die Zweifel zu beseitigen, wird es mehr als das brauchen. Bis dahin geht der Drahtseilakt bei der Borussia weiter, das Sicherheitsnetz wurde dabei schon vor längerer Zeit entfernt.

 

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Borussia will und kämpft, aber das Spiel in Frankfurt hat Spuren hinterlassen. Das 4:1 für Werder fällt am Ende etwas zu hoch aus, aber der Borussia-Park wird laut und das nicht aus erfreulichen Gründen.

Christian Spoo: Immer wenn Du denkst, es geht nicht mehr, gewinnst Du gegen We-her-der. Das 2:1 ist eine lebensverlängernde Maßnahme für die Ära Seoane.

Mike Lukanz: Es ist Herbst, es ist grau, es ist trüb. Borussia passt sich an und würgt sich zu einem schmeichelhaften 1:1. Wir alle erkennen so langsam, wohin die Reise in dieser Saison gehen wird - und wohin nicht.

Michael Heinen: Borussia verliert zwar nicht. Das 2:2 ist am Ende aber zu wenig.

Volkhard Patten: Werder ist auswärts stark, Borussia chronisch schwach. Aus dieser Konstellation entstehen die wildesten Spiele. Borussia siegt mit 3:1 und Roland Virkus hat eine weitere Woche Ruhe.

Michael Oehm: Das Spiel am Mittwoch lässt einen natürlich das Schlimmste befürchten. Aber selbstverständlich kann es sein, dass man in einem wilden Spiel dank einer ordentlichen Leistung einiger Einzelspieler trotzdem ein 3:3 mitnimmt.Dann kann man sich fein weiter in die Tasche lügen, auf irgendeinem Weg zu sein.

Kevin Schulte: Der Kipp-Punkt ist nicht nur erreicht, sondern überschritten: Borussia verliert einen offenen Schlagabtausch gegen Werder mit 2:3. Wird Zeit, dass die ominösen "Mechanismen des Geschäfts" endlich greifen.