Hardheim und die 1000 Asylbewerber: Eine Kleinstadt wehrt sich gegen die Verteilungspolitik
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STV_KW40_Hardheim-Fluechtlinge_3ßß915"Das Land hat auf ganzer Linie versagt", sagt der Bürgermeister der baden-württembergischen Gemeinde Hardheim Volker Rohm. Bisher beherbergte die Kleinstadt mit knapp 4.600 Einwohnern bereits 640 Asylbewerber. Am Mittwoch stieg die Zahl auf insgesamt 1000 an. Damit sei die Belastungsgrenze für Hardheim erreicht, wenn nicht sogar überschritten, so Rohm. Trotzdem sollen zukünftig noch mehr Flüchtlinge in der kleinen Gemeinde untergebracht werden. "Das trifft uns schon hart", sagt der Gemeinderat. "Viele junge Familien kommen auf mich zu und sagen: 'Wenn die Zahl über 1000 geht, ziehen wir weg'." stern TV hat sich in Hardheim umgeschaut und mit Einwohnern über ihre Ängste und ihren Ärger gesprochen. Die Sorgen in der Bevölkerung wachsen: Ob vorm Supermarkt, auf den Straßen oder am Fußballplatz – in Hardheim prägen fremde Gesichter das Alltagsbild. "Man sieht halt viel mehr ausländische Menschen. So richtige Völkerwanderungen manchmal, kann man sagen. Das war früher nicht der Fall." Oder: "Es gibt auch unangenehme Dinge, die erzählt werden, von wegen: Fahrrad weg aus der Garage. Oder ein paar Frauen, die abends Angst gehabt haben, weil sie dachten, da wäre eine Gruppe Männer hinter ihnen her", erzählt eine Frau. Integration wird eine Herausforderung Es sind gemischte Gefühle die die Hardheimer in diesen Tagen begleiten. Bei aller Skepsis ist die Hilfsbereitschaft aber noch groß: Die Bundeswehrkaserne im Ort dient seit zwei Wochen als Erstaufnahmeeinrichtung für derzeit etwa 300 Flüchtlinge. Hardheims Bürgermeister Rohm wurde mit der Entscheidung, die Kaserne umzufunktionieren, quasi überrumpelt: "Die Bundeswehr wurde innerhalb von 72 Stunden angewiesen, hier entsprechenden Raum zu schaffen durch Belegung mit Betten und so weiter. Und dann kamen innerhalb von 72 Stunden die ersten Flüchtlinge an. Wenn hier nicht das örtliche Rote Kreuz, die ganzen Helfer aus dem Umkreis den Hardheimern so hilfreich zur Seite gestanden hätten, wäre es schon da daran gescheitert." Neben der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es in Hardheim seit Jahren eine so genannte Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende, wo aktuell 340 Menschen untergebracht sind. Dort leben viele verschiedene Nationen. Größere Städte sind weit entfernt. Viele der Asylbewerber und Flüchtlinge gehen täglich in den Ortskern, um dort einzukaufen oder die kostenlosen Wlan-Hotspots zu nutzen. Vor allem beim Supermarkt treffen die Kulturen aufeinander. Es sei schwer, mit den Menschen in Kontakt zu kommen, finden einige Hardheimer. Die Flüchtlinge seien oftmals sehr zurückhaltend oder ängstlich. Integration sei nicht immer einfach, sagt auch Volker Rohm: "Wichtig ist, den Leuten klar zu machen, sie sind hier Gast, sie sind hier willkommen. Aber sie haben durchaus auch Pflichten. Das heißt, sie müssen sich sowohl was Weltbild, was Toleranz, aber auch was das ein oder andere Verhalten betrifft, an unsere Standards gewöhnen." Wie der Staat Flüchtlinge unterbringt 12.20Auch beim ortsansässigen Fußballverein sitzen seit einiger Zeit viele Ausländer auf der Tribüne. "Das zeigt Interesse an unserem Land und dass so ein Sport einfach verbinden kann", sagt ein Hardheimer Fan. "Zumindest das ist gleich." Integrationsarbeit leisten derzeit vor allem die örtlichen Schulen. Schulleiter Harald Mayer ist seit 14 Jahren im Amt. Er sieht die aktuelle Situation in Hardheim als große, aber machbare Herausforderung: "Die Lehrkräfte – ob Klassenlehrer oder Deutschhilfslehrer – sind alle sehr engagiert, sehr motiviert. Das sieht man vor allem, wenn die Kinder morgens ankommen. Die sind sehr wissbegierig, sie sind sehr offen, sie wollen lernen. Im Moment ist es noch absolut positiv." Die Stimmung könnte kippen Noch herrschen Offenheit und Willkommenskultur vor in Hardheim. Kommen noch mehr Flüchtlinge, könnte die Stimmung jedoch kippen, meint der Gemeinderat: "Es gibt nicht nur das Grundrecht auf Asyl. Es gibt auch für uns unveräußerbare Grundrechte, die derzeit erheblich eingeschränkt werden." Deshalb hat Hardheim am vergangenen Freitag eine Sitzung einberufen, um zu informieren und zu diskutieren. "Wir sagen einfach: 1000 Flüchtlinge, das reicht. Vor allem, weil wir keine Unterstützung dafür kriegen", sagt Familienvater Steffen Böhrer. "Ich habe an die Frau Merkel geschrieben, ich habe an den Herrn Kretschmann geschrieben. Ich habe überall hingeschrieben, an sämtliche Politiker. Da kam nicht einmal eine automatische Antwort." Werden Städte und Gemeinden wie Hardheim von der Regierung im Stich gelassen? Darüber diskutierte Steffen Hallaschka in der Sendung am Mittwochabend mit Hardheims Bürgermeister Volker Rohm und Aydan Özoğuz, der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration. karte_DT karte_mobil