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Verbraucherschutz-Chefin warnt vor Billigshops: "Besonders dreist"

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Billigshops aus Drittstaaten drängen nach Deutschland, ohne sich an geltendes Recht zu halten. Deutschlands oberste Verbraucherschützerin warnt im Interview vor den Gefahren und erklärt, warum die Zeit drängt. Temu und Shein locken Onlinekäufer mit unschlagbar günstigen Preisen. Das Problem: Oft halten sich die Verkäufer mit Sitz in China nicht an geltende EU-Regeln, etwa zur Produktsicherheit oder zu entsprechenden Händlerangaben. Zudem nutzen sie manipulative Methoden, um Kunden zum Kauf zu bewegen. Das ärgert Deutschlands oberste Verbraucherschützerin, die Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Ramona Pop. Sie fordert Maßnahmen gegen die Anbieter und drängt zur Eile. Derzeit werde massenhaft bei den Billigshops bestellt und viele blieben im Zweifel auf mangelhaften Produkten sitzen. Im Interview mit t-online erläutert sie, warum sie dennoch gegen ein Verbot solcher Shops ist, wie ein neues Verbraucherkreditgesetz helfen könnte und warum man sich besser nicht bei ChatGPT über Finanzen informieren sollte. t-online: Frau Pop, chinesische Onlineshops drängen mit Billigprodukten auf den deutschen Markt. Haben Sie schon mal bei Temu und Shein eingekauft? Ramona Pop: Nein, das habe ich nicht. Ich kaufe viel online, vor allem, weil es Zeit spart. Ich kenne also den Onlinekosmos. Aber ich denke, billig gekauft ist meistens doppelt gekauft. Wo kaufen Sie denn gewöhnlich online ein? Ich achte darauf, dass die Produkte den europäischen Sicherheitsbestimmungen entsprechen. Anbieter aus Drittländern nehmen es mit der Produktsicherheit nicht immer so genau. Warum können die Anbieter ihre Waren trotzdem hier verkaufen? Alle Produkte, die über Temu und Shein verkauft werden, müssen den europäischen Sicherheitsstandards genügen. Die Plattformen müssen aber mehr tun, damit Verbraucherinnen und Verbraucher Angebote, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, gar nicht erst angezeigt bekommen. Die EU-Kommission hat deshalb ein Verfahren gegen Temu und Shein eingeleitet. Sie prüft, inwieweit die Shops gegen EU-Recht verstoßen. Ja, das läuft seit Anfang Februar und wir hoffen, dass es bald ein Ergebnis gibt. Denn in der Zwischenzeit bestellen die Menschen dort weiterhin massenhaft. Bei uns laufen derweil viele Beschwerden über Online-Marktplätze ein . Ein Verbraucher hat uns etwa gemeldet, er habe ein Ladekabel bestellt, das defekt war. Beim Laden löste es einen Kurzschluss aus, sodass sein Handy kaputtging. Ein anderer Kunde berichtete, er habe ein fehlerhaftes Produkt reklamiert und als Reaktion vom Händler nur ein Smiley als Antwort bekommen. Wenn ein Produkt defekt ist und ich es reklamieren möchte: Komme ich dann an die Händler heran? Mitunter ist unklar, wo man reklamieren kann. Händlerangaben, insbesondere bei Drittstaatenhändlern, sind immer wieder unzureichend oder es ist eine chinesische Adresse angegeben. Und selbst wenn es eine Rücksendeadresse gibt: Kaum jemand schickt doch ein Produkt im Wert von einigen Euro für 50 Euro nach China zurück. Im Zweifel bleibt man auf dem mangelhaften Produkt sitzen. Der Verbraucherverband hat Temu und Shein auch wegen "manipulativer Methoden" abgemahnt. Die Shops nutzten spielerische Elemente, die Kunden zum Kauf drängten. Die Shops haben eine Unterlassung unterschrieben. Ist es nun besser geworden? Was wir moniert haben, haben die beiden Plattformen beendet. Aber die Anbieter denken sich wieder neue Methoden aus. Die Liste der Elemente, die uns zum Kaufen verführen sollen, ist lang. Das sind sogenannte "Dark Patterns", also die manipulative Gestaltung von Benutzeroberflächen, die uns bewusst täuschen sollen. Außerdem sammeln die Plattformen unsere Daten, analysieren unser Verhalten und berechnen unsere Vorlieben. Aber machen das nicht alle Anbieter? Billigplattformen können schon besonders dreist sein. Das fängt bei Angaben an, die vortäuschen, dass es nur noch eine limitierte Anzahl von Produkten gibt. Darüber hinaus gibt es Belohnungssysteme, die im Stil von Online-Glücksspielen mit animierten Drehrädchen versuchen, Kunden möglichst lange auf der Webseite zu halten und immer wieder neu zum Kaufen zu animieren. Die EU-Kommission plant mit dem "Digital Fairness Act" gerade ein Update des Verbraucherrechts im digitalen Zeitalter. Es ist wichtig, dass dies bald kommt. Aktuell können wir nicht stark genug gegen solche Praktiken der Plattformen vorgehen. Beim Blick auf die chinesischen Onlineshops fallen die fast ausnahmslos guten Kundenbewertungen auf. Ist das echt? Bewertungen sollten nur von echten und nicht von incentivierten Käufern abgegeben werden dürfen – da gibt es also noch viel Regelungsbedarf. Denn es darf nicht passieren, dass Verbraucher dort von Bewertungen manipuliert werden, die im Zweifel nicht stimmen. Auf Temu gibt es aktuell Winterschuhe für 12 Euro zu kaufen. Warum sollten Menschen da nicht zugreifen, besonders wenn sie ein geringes Einkommen haben? Viele Menschen müssen aufs Geld achten. Dennoch sollten sie genau hinschauen. In Umfragen sehen wir, dass Kunden beim Onlineshopping am häufigsten Probleme haben, weil nach dem Kauf die Lieferzeiten lang sind, der Kundenservice nicht erreichbar ist und die Produkte eine schlechte Qualität haben. Der Chef des Handelsverbands, Stefan Genth, hat im Interview mit t-online gefordert, Plattformen wie Temu und Shein "den Stecker zu ziehen". Stimmen Sie zu? Nein, auch Billigshops haben eine Existenzberechtigung. Verbraucher sollten die Möglichkeit haben, günstig zu shoppen. Aber es muss sicher sein. Als Erstes müssen darum Schutzrechte für Kunden geschaffen und durchgesetzt werden, bevor man zu drastischeren Mitteln greift. Handelsverbandschef Genth: "Notfalls muss man Temu den Stecker ziehen" Verwirrende Angaben: Verbraucherschützer warnen vor TikTok-Shops Sind Billigshops wie Temu und Shein auch Einfallstore für Verbraucher, sich zu verschulden? Heute kaufen, erst später bezahlen – das dürfte gerade für jüngere Verbraucher attraktiv klingen. Bei ihnen hat die Verschuldung zuletzt zugenommen. Wir warnen vor diesen sogenannten "Buy now, pay later"-Angeboten. So etwas kann schnell zur Finanzfalle werden. Gerade Jüngere, die mit Taschengeld oder einer Ausbildungsvergütung auskommen müssen, klicken darauf, weil sie später bezahlen wollen. Sie übersehen aber im Kleingedruckten, dass bei verpasster Frist Zinsen von bis zu 15 Prozent fällig werden. Es ist eben kein etablierter Kauf auf Rechnung, sondern ein Kleinkredit. Das ist vielen vielleicht nicht bewusst. Die Bestellsummen dürften aber doch oft gering sein … Aber es läppert sich, wenn jemand viele Kredite abschließt, den Überblick verliert. Dazu kommen Mahnungen und Inkassogebühren. Die finanzielle Überforderung wird zur Finanzfalle. Und ja: Die einfache Verfügbarkeit von "Buy now, pay later" bei Onlineshops führt zu stärkerer Inanspruchnahme von Kleinkrediten. Könnte das neue Gesetz über Verbraucherkreditverträge Abhilfe schaffen, das Ende November verabschiedet werden und 2026 in Kraft treten soll? Es sieht unter anderem eine Kreditprüfung auch bei Kleinkrediten vor. Ja, künftig müssen die Einkommensverhältnisse der Käufer geprüft werden und auch, ob weitere Zahlungsverpflichtungen vorliegen. Das geht etwas über eine Schufa-Prüfung hinaus. Wäre Ihnen ein Verbot von "Buy now, pay later"-Angeboten noch lieber? Die Möglichkeit kann ja auch manchmal sinnvoll sein. Etwa, wenn jemand weiß, dass in einigen Monaten eine Gehaltserhöhung ansteht. Aber es muss den Menschen klar sein, dass sie einen Kredit aufnehmen, und es muss geprüft werden, ob sie den auch wirklich zurückzahlen können. Das neue Gesetz soll Verbraucher vor voreiligen Kreditabschlüssen schützen. Gleichzeitig soll man Kredite künftig einfach per Klick – statt per Unterschrift – abschließen können. Wie passt das denn zusammen? Wir drängen darauf, dass eine Unterschrift die Voraussetzung für einen Kreditabschluss bleibt. Das haben wir auch bei Abgeordneten so angemahnt. Das Gesetz liegt derzeit zur Beratung im Parlament. Bevor jemand eine finanzielle Verpflichtung eingeht, sollte er einmal vor dem Abschluss durchatmen. Die Unterschrift bestätigt, dass jemand weiß, was er oder sie tut. Anders ist es beim schnellen Kauf per Klick, der oftmals einem Impuls folgt. Die Verbraucherzentrale warnt oft vor Unternehmen und geht auch vor Gericht gegen sie vor. Das kann man auch für wirtschaftsschädlich halten. Sollte man Verbrauchern nicht zutrauen, richtige Entscheidungen zu treffen? Das sehe ich anders. Verbraucherschutz sorgt dafür, dass sich alle an Regeln halten. Verbraucher sollen nicht fürchten, dass sie manipuliert oder über den Tisch gezogen werden. Ist das doch der Fall, wie aktuell bei den Billigshops oder der zunehmenden Anzahl an Fakeshops, macht sich Verunsicherung breit – und das führt zu Zurückhaltung beim Konsum. Mit mehr als 50 Prozent Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt sind Verbraucher die größte Wirtschaftskraft Deutschlands. Bricht da was weg, schadet das der Wirtschaft direkt. Im Übrigen sind auch viele Unternehmen froh, dass sich die Konkurrenz an Regeln halten muss. Aber brauchen viele Menschen nicht vor allem mehr Finanzbildung, um sie vor falschen Entscheidungen zu schützen? Absolut. Selbst junge Menschen beklagen, dass sie nirgendwo lernen, wie sie Verträge abschließen, wie sie mit Geld umgehen sollen, worauf es bei Krediten ankommt. Nicht alle wissen auf Anhieb, was Zinsen sind: die Kosten des Geldes. Es gibt keine Strategie zur Finanzbildung in Deutschland. Die Verbraucherzentrale drängt schon lange darauf, dass da mehr passieren muss. Wir stellen zum Beispiel Material für Lehrkräfte an Schulen zur Verfügung. In der Realität informieren sich viele mittlerweile beim Thema Finanzen über ChatGPT. Eine Gefahr? Durchaus, denn die Frage ist, was sie da finden. Die Erfahrung zeigt: Wenn man mehrmals dieselbe Frage eingibt, erhält man unterschiedliche Antworten. Das ist irritierend. Wichtig sind zuverlässige und unabhängige Informationen – diese liefert KI nicht. Frau Pop, wir danken Ihnen für das Gespräch.