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"Tatort" aus Dresden: ARD-Krimi enttäuscht ausgerechnet im Finale

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Der neue "Tatort" aus Dresden macht lange alles richtig – nur um sich dann mit einer plötzlichen Wendung selbst aus der Spur zu bringen. "Wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber wo ich sterbe, da will ich nicht hin: Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin." Mit diesen Zeilen des Dichters Thomas Brasch endet der neue "Tatort" aus Dresden zwar nicht, aber fast. Es passt zum Gesamtbild: Dieser Krimi hätte beinahe ganz großes Kino werden können – hat sich aber leider für das falsche Ende entschieden. Ein Jammer, denn alles begann so verheißungsvoll. Missstände im Jugendhilfesystem, psychische Gewalt, Medikamentenversuche, institutionelles Versagen: Nachdem Cornelia Gröschel als Kommissarin Winkler und Martin Brambach als Kommissar Schnabel in "Tatort: Siebenschläfer" die 16-jährige Lilly-Marie (Dilara Aylin Ziem) tot in einem Waldstück am See auffinden, tauchen sie in die undurchsichtige Welt des Kinder- und Jugendheims "Siebenschläfer" ein. Großes Thema, stark erzählt Was sie vorfinden, ist beklemmend: Das Jugendheim gibt sich nach außen als Vorzeigeeinrichtung, zeigt innen aber tiefe Risse. Verlorene Kinder, ratlose Erwachsene, institutionelle Verantwortung, die zur Farce verkommt. Regisseur Thomas Sieben gelingt es, diese Zustände nicht plakativ, sondern atmosphärisch dicht und emotional glaubhaft zu erzählen. Die Kamera von Willy Dettmeyer verstärkt das Gefühl der Enge, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit – sie folgt den Figuren in Flure, auf brachliegende Felder, in dunkle Wälder. Die Verbindungen zwischen Heim, Jugendamt und einer Pharmafirma werden Stück für Stück freigelegt – und decken eine skandalöse Verquickung von Profitgier und Ruchlosigkeit auf. Besonders die Figur des Kinderpsychiaters Lukas Brückner ist mit Hanno Koffler ideal besetzt: Er tritt eloquent auf, wirkt vermeintlich makellos – und doch umgibt ihn eine windige Aura der Skrupellosigkeit. Martin Brambach hat nun Raum zur Entfaltung Nach dem Ausstieg von Karin Hanczewski als Kommissarin Karin Gorniak sind Leonie Winkler und Peter Schnabel erstmals ohne die langjährige Kollegin im Einsatz. Der Film nutzt diesen Umbruch – und stellt Schnabel stärker in den Mittelpunkt. Martin Brambachs schroffer Charme ist geblieben, hinzukommt eine neue Facette: Die Geschichte berührt Schnabel persönlich, weil sie Erinnerungen an seine eigene Kindheit im DDR-Heim weckt. Besonders stark sind die Szenen mit dem 17-jährigen Pascal, der unter Verdacht steht, etwas mit dem Tod seiner Freundin zu tun zu haben. Zwischen dem desillusionierten Ermittler und dem verstörten Jugendlichen entsteht eine stille Verbindung. Hier begegnen sich zwei, die das Leben auf unterschiedliche Weise aus der Bahn geworfen hat. Florian Geißelmann, der sich jüngst schon mit seinem Auftritt in der deutschen Oscar-Hoffnung "In die Sonne schauen" einen Namen machte, überzeugt auch hier. Seine Figur bleibt dank seines Schauspiels bis zum Schluss ein Rätsel. Der Film hätte gut daran getan, sich stärker auf ihn zu konzentrieren. Die Gespräche und Spannungen zwischen Kommissar Schnabel und Pascal tragen den Film – ganz ohne zusätzliche Eskalation. Achtung, Spoiler: Was für ein Ende 70 Minuten lang ist "Siebenschläfer" deshalb ein starker Krimi, bis schließlich eine Figur im Finale auftaucht, die zuvor nie eingeführt wurde. Es wirkt, als hätten die Autoren auf den letzten Metern noch eine Wendung gebraucht, um im Schlussakkord Actionszenen liefern zu können. Statt sich auf die leisen, schwierigen Szenen zu verlassen, wird auf eine schnelle Auflösung gesetzt, die im Widerspruch zur zuvor aufgebauten Erzählweise steht. Was bleibt, ist der Ärger über ein Drehbuch, das seinem eigenen Stoff nicht vertraut. Statt auf die Figuren und ihre Dynamik zu setzen, wird eine künstliche Gewaltspirale eingebaut – und das ausgerechnet am Ende eines Films, der zuvor so viel Gespür für Ton und Timing bewiesen hat, wie Thomas Brasch 1977 mit seinem im "Tatort" zitierten Gedicht: "Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber die ich kenne, will ich nicht mehr sehen ... " "Tatort: Siebenschläfer" läuft am Sonntag, dem 12. Oktober 2025, um 20.15 Uhr im Ersten. Teilen Sie Ihre Meinung mit Wie gefiel Ihnen dieser "Tatort"? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de . Bitte nutzen Sie den Betreff "Tatort" und begründen Sie.