ru24.pro
World News in German
Октябрь
2025
1 2 3 4 5 6 7 8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31

Regierungskrise in Frankreich: Macrons letzter Strohhalm

0
Sébastien Lecornu galt als einer der engsten Vertrauten von Präsident Emmanuel Macron – und doch warf er nach weniger als einem Monat als Ministerpräsident hin. Wie kann es jetzt weitergehen? Sébastien Lecornu brachte seine Entscheidung auf den Punkt: "Man kann nicht Premierminister sein, wenn die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind", sagte er am Montagmorgen in Paris , nachdem er seinen Rücktritt als Regierungschef eingereicht hatte. Er habe drei Wochen lang versucht, Kompromisse zu finden, um Entscheidungen zu treffen, die keinen Aufschub mehr erlauben. Allerdings sei das nicht möglich gewesen. Lecornu sei zu Kompromissen bereit gewesen, "aber jede politische Partei wollte, dass die andere Partei ihr gesamtes Programm übernimmt." Dass Lecornu einen schweren Stand haben könnte, war erwartet worden. Allerdings kam der Rückzug dann doch überraschend: Erst 14 Stunden zuvor hatte der 39-Jährige seine neue Regierungsmannschaft vorgestellt, die noch vor ihrer Vereidigung jetzt schon wieder zerbrochen ist. Der Blick geht nun erneut in Richtung des Präsidenten, der entscheiden muss, wie er damit umgeht, dass in seiner Amtszeit bereits der siebte Ministerpräsident verschlissen wurde. Frankreich: So könnte die Opposition Macron loswerden Sébastien Lecornu: Frankreichs Ministerpräsident tritt zurück Für Macron ist der Rückzug von Lecornu ein weiterer Tiefschlag in einer ohnehin schon schweren politischen Krise. Einfache Auswege gibt es jetzt nicht mehr. Jede künftige Entscheidung birgt ein hohes Risiko, dass Frankreich nur noch tiefer in die Krise stürzt. Schwierige Konstellation im Parlament Schon als Lecornu Anfang September von Macron zum neuen Regierungschef ernannt wurde, flammte Kritik auf: Mit ihm hatte der Präsident abermals einen engen Vertrauten zum Premier gemacht, der aus seiner eigenen Partei Renaissance stammt. Den rechten Parlamentariern war er nicht rechts genug, den Linken nicht links genug. Zuvor hatten vor allem die Abgeordneten links der Mitte gehofft, der Präsident könnte den Premier diesmal aus ihren Reihen ernennen: Bislang hatte Macron stets Politiker zu Regierungschefs ernannt, die entweder eher aus der politischen Mitte oder dem konservativen Lager entstammten. Aktuell setzt sich die französische Nationalversammlung aus drei nahezu gleich großen Fraktionen zusammen: ein linkes Lager, Macrons Fraktion der Mitte und die rechtsextremen Abgeordneten des Rassemblement Nationale (RN) von Marine Le Pen . Für das französische Parlament ist eine solche Konstellation höchst ungewöhnlich: Bei den Wahlen zur Nationalversammlung hatten die Franzosen bislang meistens so gestimmt, dass die Partei des Präsidenten eine klare Mehrheit hatte. Dadurch konnte der Präsident mit einer Mehrheit im Parlament durchregieren. "Wer regiert, hat recht" In der aktuellen Konstellation ist das Parlament allerdings so zersplittert, dass keine Partei eine klare Mehrheit hat. Somit ist die Regierung immer wieder auf Stimmen von Mitbewerbern und auf Kompromisse angewiesen. Die französische Politik hat damit allerdings kaum Erfahrung: "Niemand erwartet, mit dem Gegner zusammenzuarbeiten. Die politische Kultur funktioniert nach dem Prinzip: Wer regiert, hat recht", sagte der französische Meinungsforscher Jérôme Fourque der "Zeit". So bewirken die fehlenden Mehrheiten aktuell, dass das Land im Chaos versinke. Mitentscheidend für den Bruch sollen diesmal die konservativen Republikaner gewesen sein. Der konservative Innenminister Bruno Retailleau hatte sich unzufrieden mit den Personalien in Lecornus Kabinett gezeigt. Im Zentrum stand dabei die überraschende Rückkehr des Politikers Bruno Le Maire als neuer Verteidigungsminister. Le Maire war zuvor bereits Wirtschafts- und Finanzminister und gilt daher als das Gesicht der derzeit schwachen französischen Finanzlage. Retailleau hatte daraufhin mit dem Rückzug der Republikaner aus der Regierung gedroht. Doch was bedeutet die aktuelle Situation für den französischen Präsidenten? Emmanuel Macron hat jetzt mehrere Möglichkeiten: 1. Macron ernennt einen neuen Premier Grundsätzlich hat der Präsident die Möglichkeit, nach Lecornu einen neuen Regierungschef zu ernennen. Der wiederum stellt dann erneut eine Regierung zusammen. Wen der Präsident zum Regierungschef macht, steht ihm dabei völlig frei. Allerdings hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt, dass jede Regierung mit gewaltigen Widerständen im Parlament rechnen muss. Bereits Lecornus Vorgänger François Bayrou und Michel Barnier wurden innerhalb kürzester Zeit durch Misstrauensvoten vom Parlament gestürzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Premier auf diese Art schnell wieder aus dem Amt gedrängt wird, ist weiterhin hoch. Daher dürfte es für Macron mittlerweile immer schwieriger werden, geeignete Politiker zu finden, die in diesem Schleudersitz Platz nehmen wollen. 2. Macron ruft Neuwahlen aus Der französische Präsident hat zusätzlich die Möglichkeit, die Nationalversammlung aufzulösen. Eine Neuwahl könnte dann neue Mehrheitsverhältnisse im Parlament schaffen und die aktuelle Blockade lösen. Allerdings dürfte das Regieren für Macron danach nicht einfacher werden. In der Wählergunst liegt weiterhin der rechtsextreme Rassemblement Nationale klar auf Rang eins, gefolgt vom linken Lager NFP. Macrons Partei Renaissance dagegen liegt deutlich dahinter auf Rang drei. Eine Neuwahl würde also höchstwahrscheinlich dazu führen, dass die Fraktion des Präsidenten im Parlament weiter schrumpft wird und es möglicherweise zu einer weit links oder rechts stehenden Mehrheit kommen könnte. In dem Fall müsste Macron eine Regierung ernennen, die eine völlig andere politische Linie als er selbst verfolgt. Zudem hat der Präsident bereits schlechte Erfahrungen mit einer Neuwahl gemacht: Nach den Europawahlen im vergangenen Jahr hatte Macron schon einmal das Parlament aufgelöst und wurde danach mit einem schwachen Ergebnis abgestraft. 3. Macron tritt zurück Der französische Präsident könnte den Rückzug Lecornus auch als Signal wahrnehmen, selbst aus dem Amt zu scheiden. Den Rückhalt der Bevölkerung hat er schon lange nicht mehr. Ende September hielten 78 Prozent der Franzosen laut einer Umfrage Macron für einen schlechten Präsidenten. An der Spitze der Beliebtheitsskala stehen indes gleich zwei Vertreter des Rechtspopulismus: Fraktionschefin Marine Le Pen und Parteichef Jordan Bardella . Allerdings hat Macron bislang immer einen Rückzug ausgeschlossen. Ein Rücktritt würde seine politische Karriere de facto beenden. Der Präsident befindet sich bereits in seiner zweiten Amtszeit und kann dadurch nicht erneut kandidieren. Offiziell ist die nächste Präsidentschaftswahl erst für 2027 angesetzt. Ein Rücktritt Macrons könnte zudem weitere Fragen aufwerfen: Denn aktuell ist die RN-Politikerin Marine Le Pen nicht berechtigt, bei einer Präsidentschaftswahl anzutreten. Die 57-Jährige wurde im vergangenen Frühjahr wegen Veruntreuung von EU-Geldern schuldig gesprochen und darf in den kommenden fünf Jahren bei keiner Wahl antreten. Le Pen hat gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt, ein Berufungsgericht soll darüber allerdings erst im kommenden Sommer entscheiden.