ru24.pro
World News in German
Октябрь
2025
1 2 3 4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31

Serie A: Kosta Runjaić exklusiv – "Wie macht der das eigentlich"

0
Neun Jahre ist es her, seitdem Kosta Runjaić letztmals in Deutschland gearbeitet hat. Seitdem feierte er einige Erfolge – und ist inzwischen in Italien gelandet. Deutsche Trainer in der Serie A sind eine Rarität. Rudi Völler war 2004 der erste, als er die Roma übernahm. Nach nur vier Spielen trat er wieder zurück. 18 Jahre später folgte Alexander Blessin beim CFC Genua. Der heutige Trainer des FC St. Pauli musste jedoch nach nur einem Jahr inklusive Abstieg in die Serie B wieder gehen. Kosta Runjaić hat das erste Jahr in der Serie A bereits hinter sich gebracht. Der ehemalige Trainer von Teams wie Darmstadt 98 , MSV Duisburg und dem 1. FC Kaiserslautern steht seit Sommer 2024 bei Udinese Calcio unter Vertrag. Zuvor war Runjaić fast sieben Jahre in Polen tätig, gewann mit Legia Warschau den Pokal. Der 54-Jährige führte Udinese aus dem Tabellenkeller ins Mittelfeld der Serie A – und hat noch mehr vor. t-online: Herr Runjaić, Sie arbeiten seit mehr als einem Jahr bei Udinese Calcio. Wie ist es, Trainer in Italien zu sein? Kosta Runjaić : Es macht großen Spaß, sich in einer der größten Ligen der Welt als Trainer zu beweisen. Und ich arbeite gerne in einem Klub, in dem alle an einem Strang ziehen – das ist hier der Fall. Aber wenn Sie mich darauf ansprechen: Wir haben leider keinen Strand in Udine (lacht). Mit welchen Herausforderungen haben Sie bei Udinese zu kämpfen? Die Serie A ist im Grunde zweigeteilt in eine Top 10 und die Plätze 11 bis 20. Wegen der Vielzahl an Topteams bist du jeden zweiten Spieltag im Europapokalmodus, spielst gegen Inter, Juventus, Napoli, Roma, Lazio. Es sind so viele gute Vereine mit starken Mannschaften. Da musst du dich als kleinerer Klub jedes Jahr aufs Neue behaupten. Das ist Udinese in den vergangenen 30 Jahren immer gelungen. Haben Sie anhand dieser Serie Druck verspürt, als Sie in Italien unterschrieben haben? Im Jahr vor meiner Ankunft hat sich Udinese erst am letzten Spieltag gerettet. Das sollte sich nicht wiederholen. Da habe ich zu Beginn schon Druck gespürt. Zudem war ich ein neuer, in Italien unbekannter Trainer aus dem Ausland – da steht man automatisch unter besonderer Beobachtung: Wer ist das eigentlich? Als wir nach vier Spieltagen Tabellenführer waren, klang die große Frage der Italiener dann schon positiver: Wie macht der das eigentlich? Für mich war es ein neues Abenteuer, aber ich bin den Job wie jeden anderen angegangen. Ich bin mir treu geblieben, habe meine Linie durchgezogen. Und im ersten Jahr waren wir stets im gesicherten Mittelfeld, hatten mit dem Abstieg nichts zu tun. Das war für uns ein Erfolg. Hat Sie die Zeit in Italien verändert? Nach 20 Jahren Trainer-Dasein kommen die Veränderungen eher aus meinem Inneren, aufgrund meiner Erfahrungen, als durch äußere Einflüsse. Ich kann sicher besser unterscheiden, was in der Arbeit wirklich wichtig ist und was nicht als ein 22-jähriger Trainernovize. Aber du wirst auch mit 54 Jahren hier und da schon mit neuen Situationen konfrontiert. In Udine habe ich beispielsweise täglich Kontakt mit den Eigentümern, das kannte ich so noch nicht. In Polen waren die Klubs auch in den Händen von Eigentümern, aber hier ist es anders: Ich bin im ständigen Austausch mit Gino Pozzo (Aufsichtsrat und Sohn von Klubbesitzer Giampaolo Pozzo, Anm. d. Red.). Ich habe ihm viel zugehört und auch angenommen, er ist auch schon lange dabei. Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber auch ich kann da noch etwas mitnehmen. Worin unterscheiden sich denn die Ligen in Polen, Deutschland und Italien? Fußball ist mittlerweile ein globales Geschäft. Ich habe hier viele internationale Spieler, nur wenige Italiener. Das ist in Deutschland und in anderen Ligen ähnlich. Vor 20, 30 Jahren war das noch anders, da gab es die typischen nationalen Unterschiede. Das ist heute nicht mehr erkennbar. Aber auf das Land bezogen: Fußball ist hier in Italien vielleicht noch mal etwas präsenter. Da gehört morgens zum Espresso die "Gazzetta" (Sportzeitung, Anm. d. Red.) mit auf den Tisch. Fußball ist das Thema Nummer eins. Das spürst du in der Stadt, das spürst du in den Medien. Fußball wird hier noch intensiver gelebt als in Deutschland. Es heißt auch, in Italien wird von Journalisten häufiger die Taktik hinterfragt. Wurden Sie damit auch schon konfrontiert? Ich spüre davon bisher wenig, in meinen Spieltags-Pressekonferenzen ist Taktik eher ein Randthema. Vielleicht würde ich mehr damit konfrontiert werden, wenn ich Italiener wäre. Aber grundsätzlich ist es so: In Italien erscheinen täglich mehrere Sportzeitungen, dazu viele Tageszeitungen mit Sportteil. Die müssen gefüllt werden, also spielt die Taktik insgesamt bestimmt eine größere Rolle in der Berichterstattung. Sie sind der einzige deutsche Trainer in der Serie A, haben den polnischen Pokal und den Supercup gewonnen. Glauben Sie, dass Sie in Deutschland unterschätzt werden? Das Gefühl habe ich nicht, zumindest nicht in Fachkreisen. Ich hatte immer wieder Angebote aus Deutschland, war im Sommer zu einer Podiumsdiskussion mit Christian Streich beim BDFL (Bund Deutscher Fußball-Lehrer, Anm. d. Red.) eingeladen. Ich fühle mich nicht unterschätzt, habe stets einen guten Austausch. Und wenn wir mal ehrlich sind: In Italien wird nicht täglich über Werder Bremen geschrieben, deshalb erwarte ich auch nicht, dass man in Deutschland täglich auf Udinese schaut. Das ist ganz normal. Im Ausland bist du etwas weniger im Blickfeld der Öffentlichkeit, aber der Markt bekommt das schon mit. Ich freue mich über jeden deutschen Trainer im Ausland und kann den Schritt als Erfahrung nur empfehlen. Sie haben die internationale Mannschaft bei Udinese angesprochen, mit der Sie zu tun haben. Wie gehen Sie das in der Kommunikation mit den Spielern an? Das meiste läuft auf Englisch, damit kommen die Spieler klar. Dazu arbeite ich in der Analyse viel mit Videos, die oft selbsterklärend sind. In den Einzelgesprächen hilft es auch, dass ich inzwischen auch ein paar Sätze Italienisch spreche. Aber ich beherrsche Deutsch, Serbokroatisch und Englisch, damit komme ich relativ weit. Und wenn nötig, schnappe ich mir auch mal einen Spieler als Dolmetscher. Ich habe im Ausland aber auch eine interessante Erfahrung gemacht: Es ist manchmal besser, nicht zu viele Wörter zu verlieren. So fokussiere ich mich auf die Kernbotschaften. Warum haben Sie Ihre Kommunikation reduziert? Als ich in Polen angefangen habe, habe ich gemerkt, dass mein Englisch limitiert ist. Daher musste ich mir genau überlegen, was ich sagen will. Eigentlich bin ich Bauchmensch, rede gerne frei heraus. Das ist auch manchmal wichtig, aber die Spieler schätzen es auch, wenn du klar und direkt bist. In Udine wird von Ihnen erwartet, dass Sie junge Spieler entwickeln. In Kaiserslautern ist Ihnen das beispielsweise mit Willi Orbán gelungen. Worauf kommt es in der Talentförderung an? Erst einmal geht es um den Zustand der gesamten Mannschaft. Du brauchst eine funktionierende Mannschaft, in der sich junge Spieler entwickeln können. Und dann gibt es bei uns neben dem Teamtraining auch viel individuelle Arbeit und viele Einzelgespräche, in denen wir immer wieder aufzeigen, wo sie sich wie verbessern können. Sei es technisch, taktisch, physisch oder mental. Aus Trainersicht ist es auch wichtig, geduldig zu bleiben, wenn es mal nicht läuft. Genauso müssen auch die jungen Spieler die Ruhe bewahren, wenn Ihre Eltern oder Freunde wieder mal hysterisch fragen, warum sie noch nicht unumschränkter Stammspieler sind. Bei Udinese trainieren Sie auch ein großes deutsches Talent, den erst 17 Jahre alten Matteo Palma. Was bringt er für Qualitäten mit? Schon als ich hier angekommen bin, war er für sein junges Alter physisch sehr stark, cool am Ball und generell sehr ruhig und fokussiert. Er hat sich in dem einen Jahr gut entwickelt, auch wenn er hier und da mal kleine körperliche Probleme hatte. Matteo hat eine sehr gute Vorbereitung gespielt und hätte sich ohne die Wadenverletzung schon in den ersten paar Spielen Minuten in der Serie A verdient. Jetzt ist er wieder fit und bekommt seine ersten Chancen. Aber grundsätzlich kann ich sagen: Er hat mich echt überrascht. Inwiefern? Diese Gelassenheit und Ruhe am Ball, die er ausstrahlt, da ist er für sein Alter sehr weit – gerade als Innenverteidiger. Was trauen Sie ihm zu? Matteo bringt viel mit, auch an Persönlichkeit. Er ist ein cleverer Junge. Daher traue ich ihm einiges zu, aber du brauchst auch immer etwas Glück. Wir geben uns viel Mühe mit ihm, er ist auf einem guten Weg. Wohin der Weg führt, wissen nur die Sterne. Und was trauen Sie sich selbst zu? Was sind Ihre Ziele für diese Saison? Ich will in der Serie A bestehen, die Mannschaft weiterentwickeln und besseren Fußball spielen. Wir wollen als kleiner Verein mit Ballbesitz Präsenz zeigen – das ist eins der wichtigsten Ziele. Dazu will ich meinen Beitrag leisten, Udinese Calcio als Verein auf ein besseres Niveau zu heben, so wie ich es bei Pogon Stettin geschafft habe. Und für mich persönlich: Ich will mich sprachlich weiter verbessern. Irgendwann will ich Ihre italienischen Kollegen schocken: Wenn ich auf dem Podium bei der Pressekonferenz sitze und plötzlich fließend auf Italienisch antworte.