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"Tatort: Kammerflimmern": So viele Tote gab es noch nie

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Vier Tote – innerhalb von zwei Minuten, an völlig verschiedenen Orten: Der neue "Tatort" aus Zürich steigt rasant ein, verliert sich allerdings am Ende ein wenig. Eine "Tatort"-Kritik von Janna Halbroth Menschen brechen plötzlich zusammen, ohne äußere Einwirkung, ohne erkennbaren Zusammenhang. Was wie ein makabrer Zufall wirkt, entpuppt sich schnell als Folge gezielter Manipulation – ein Hacker hat sich Zugang zu digitalen Defibrillatoren verschafft. "Kammerflimmern" macht daraus einen modernen Krimi über medizinischen Fortschritt und seine Schattenseiten. Was passiert, wenn Technik nicht mehr Leben rettet, sondern Leben nimmt? Was klingt wie Science-Fiction, ist längst Realität: Implantierte Defibrillatoren (ICD), die das Herz bei gefährlichen Rhythmusstörungen elektrisch stabilisieren, sind heute hochvernetzte, digital steuerbare Geräte. Im zehnten Fall des Zürcher Teams wird Technik, die eigentlich Leben retten soll, plötzlich zur Mordwaffe. Ein Erpresser manipuliert Tausende dieser Implantate – mit tödlichen Folgen. Für die Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Er ist auch prominent: Das ist der Mann von "Tatort"-Kommissarin Anna Pieri Zuercher "Kammerflimmern" greift ein Szenario auf, das bislang selten im TV-Krimi zu sehen war: digitale Medizintechnik als potenzielle Waffe. Der Fall wirkt durchgehend plausibel, nicht überkonstruiert – gerade weil er zeigt, wie abhängig das Leben der Patientinnen und Patienten von Technologie geworden ist. Der Krimi stellt dabei die richtigen Fragen: Wie sicher sind diese Systeme? Wer kontrolliert sie? Und wie angreifbar sind wir im Ernstfall? "Tatort" bricht mit Anzahl der Toten Rekord Dabei schreckt der "Tatort" vor Todesfällen nicht zurück. Während des gesamten Films kommt es immer wieder zu Zusammenbrüchen von Menschen mit einem ICD, die meisten enden tödlich. Insgesamt ermittelt das Kommissarinnen-Duo eine Opferzahl von 56. So viele Tote gab es in einem "Tatort" noch nie. Spitzenreiter war bisher der Film "Tatort: Im Schmerz geboren" von 2014. Ermittler war Felix Murot (gespielt von Ulrich Tukur) aus Wiesbaden , der es mit 51 Leichen zu tun hatte und damit den mit Abstand höchsten Wert aller bisherigen "Tatort"-Folgen verbuchen konnte. Das Zürcher Duo zeigt sich in "Kammerflimmern" aber trotzdem eingespielt und souverän. Isabelle Grandjean bleibt analytisch, kontrolliert, sachlich – während Tessa Ott oft impulsiver und emotionaler agiert. Diese Unterschiede sorgen für Spannung, nicht aber für Konflikte. Im Gegenteil: Die beiden ergänzen sich in der Ermittlungsarbeit, greifen Gedanken auf, hinterfragen sich gegenseitig – ohne dabei die Hierarchie zu betonen. Das wirkt professionell, fast partnerschaftlich. Ein privater Nebenstrang wird ebenfalls angedeutet, tritt aber nicht zu sehr in den Vordergrund. Er dient eher der Charakterzeichnung, als dass er die Handlung bremst. Damit bleibt der Fokus klar auf dem Fall – und das tut der Geschichte gut. Die Ermittlerinnen stehen permanent unter Strom – auch emotional. Sie sind mehr gefordert als in früheren Episoden. "Kammerflimmern" verlässt die gewohnten "Tatort"-Pfade, wenn es um visuelle Gestaltung und Rhythmus geht. Häufig teilt die Kamera das Bild in Segmente auf – und zeigt, was gleichzeitig an verschiedenen Orten passiert. Diese Splitscreen-Technik erzeugt nicht nur Tempo, sondern auch Druck: Der Zuschauer erkennt Zusammenhänge früher als die Ermittlerinnen – und erlebt so, wie sich die Ereignisse ineinander verschieben. Regisseurin Barbara Kulcsar erklärt: "Es ist eine sehr handlungsgetriebene Geschichte und die filmische Herausforderung war die Umsetzung von Gleichzeitigkeit." Auch musikalisch hebt sich der Film ab: Komponist Bálint Dobozi erklärt zum Beispiel: "Die Musik zu 'Kammerflimmern' basiert auf realen Herzrhythmen ...". Die Kombination aus Ton und Bild macht den Film zu einem intensiven Erlebnis, das nicht nur erzählt, sondern körperlich wirkt. Das Ende enttäuscht Die ersten 60 Minuten von "Kammerflimmern" gehören zu den spannendsten, die das Zürcher Team bislang geliefert hat. Der plötzliche Tod mehrerer Menschen, die Entdeckung der Manipulation, die Jagd nach einem unbekannten Hacker – das alles ist temporeich, dicht und fesselnd inszeniert. Der Fall nimmt schnell Fahrt auf, ohne sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren. Doch das ändert sich gegen Ende. Immer mehr Handlungsstränge treten hinzu, die Verdächtigen und ihre Motive stehen längst fest, ehe der Krimi endet. Die Auflösung bleibt blass, das Finale wirkt überraschend unspektakulär. Der starke Spannungsbogen flacht ab, ohne dass es einen echten Höhepunkt gibt. Der "Tatort" beginnt wie ein Thriller – und endet wie ein Routinekrimi. Trotzdem bleibt "Kammerflimmern" einer der besseren "Tatort"-Filme. Er wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet – und genau das macht diesen Krimi interessant. Der Fall berührt ein Thema, das im Alltag oft ausgeblendet wird: unser Vertrauen in Technik, insbesondere in medizinische Geräte. Die Vorstellung, dass jemand aus der Ferne ein lebenswichtiges Implantat manipulieren kann, wirkt beunruhigend – gerade weil es technisch nicht ausgeschlossen ist. Der "Tatort" setzt Impulse, die noch lange nach dem Abspann hängen bleiben. Teilen Sie Ihre Meinung mit Wie gefiel Ihnen dieser "Tatort"? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de . Bitte nutzen Sie den Betreff "Tatort" und begründen Sie.