TV-Kritik zur "Schlussrunde": Was zur Hölle war das?
Acht Politiker, zwei Moderatoren, ein Chaos. Wer diese 90 Minuten Wahlkampf in der "Schlussrunde" überstanden hat, verdient eine Auszeichnung.
Manchmal klingen Ideen super. Alle Spitzenkandidaten, alle, aller Parteien, in einer Sendung. Dann kann der Wähler, die Wählerin einen Rundumblick wagen. Donnerstagabend waren alle großen Parteien in ARD und ZDF in einer, der letzten, Debattenrunde zur Bundestagswahl.
Alice Weidel (AfD), Alexander Dobrindt (CSU), Carsten Linnemann (CDU), Christian Lindner (FDP), Matthias Miersch (SPD), Annalena Baerbock (Grüne), Jan van Aken (Linke) und Sahra Wagenknecht (BSW) sollen Fragen zu diesen Themen beantworten. Moderiert wird das Ganze von Markus Preiß und Diana Zimmermann. Die Sendung will sich, das sagt sie auch am Anfang, auf Themen konzentrieren, die im Wahlkampf zu kurz gekommen sind. Pflege, Gesundheit, die Sorgen und Nöte der jungen Wähler, der Klimawandel.
Nach dieser Ankündigung ging es direkt los: mit Fragen zur Sicherheitspolitik.
Schon bei diesem ersten Diskussionspunkt zeigte sich das grundlegende Problem: Statt einer strukturierten Diskussion über Verteidigung und Verteidigungsfähigkeit verlor sich die Runde in einem Gewirr aus Zwischenrufen und persönlichen Attacken. Lindner verkündet das Ende der "feministischen Außenpolitik", Baerbock greift ihn an: Der war, so die Außenministerin, zu sehr mit seinem Austritt aus der Ampel beschäftigt, um sich mit der Politik auseinanderzusetzen, die die Reste-Ampel noch betrieb.
Die eigentlichen Fragen – Europas Rolle in der Weltpolitik, die Zukunft der transatlantischen Beziehungen – gingen im Getöse unter. Jan van Aken von der Linken greift die NATO an: Er würde gerne, langfristig, aus ihr austreten.
Die versprochenen Themen hat die Sendung im Schnelldurchlauf abgefrühstückt. Wie soll das denn auch anders gehen, bei einem "Oktell", Achter-Duell? Wie sollen denn acht Parteien, acht Spitzenkandidaten – bis auf Merz und Scholz und Habeck, die sich einen Tag Auszeit von TV-Duellen genommen haben, waren ja alle da – in so einer Sendung in 90 Minuten ein halbes Dutzend Themenfelder durchkauen?
Und so wurden die Themenfelder zu reinen Stichwortgebern für immer neue Ausbrüche des Chaos. Auch bei Gesundheits- und Pflegepolitik wurde wild durcheinander geredet. Wagenknecht ist gegen die Gesundheitsreform und findet es schlecht, dass das Gesundheitssystem privatisiert wurde. Jan van Aken will die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen, Alice Weidel privat Pflegende staatlich bezahlen, Lindner ist der Meinung, dass alle Geld verteilen wollen, nur er nicht. Dann duelliert er sich wieder mit Baerbock.
Die beschwert sich: "Darf ich auch was sagen, ich habe nichts zur Gesundheit gesagt!" Die Moderation will sie abwürgen, schafft es nicht, Baerbock spricht vom "Zweiklassensystem", Lindner grätscht ihr rein:
"Sind deine Kinder versichert?" – "Sie sind gesetzlich versichert."– "In der privaten Krankenversicherung würden sie eigene Beiträge zahlen."
Der Abend ist gespickt von solchen Privatfehden, nicht nur, aber vor allem zwischen Lindner und Baerbock. Was der Zuschauer davon mitnehmen soll, außer dass sich hier einige Menschen wohl wirklich nicht ausstehen können, das können vermutlich weder Moderatoren noch Diskutanten beantworten.
Apropos: Die Moderation erwies sich als erschreckend kraftlos. Preiß und Zimmermann gelang es zu keinem, wirklich keinem einzigen Zeitpunkt, die Diskutanten zu zügeln. Der hilflose Versuch, mit Ja-Nein-Tafeln am Anfang jedes Themenblocks wenigstens minimale Klarheit in die Positionen zu bringen, verpuffte.
Wahlkampfende in TV-Schlussrunde: Ein Armutszeugnis
Am Ende des Abends stellte, als mal wieder alle durcheinander quatschten, Moderator Preiß resigniert fest: "Ich informiere sie ganz kurz darüber, dass niemand irgendetwas versteht, was sie sagen. Das war nicht nur eine Kapitulationserklärung, sondern eine präzise Beschreibung des Abends."
Am Ende stand eine bittere Erkenntnis: Die "Schlussrunde" war keine Debatte, sondern eine Kakophonie der Eitelkeiten. In der Theorie, auf dem Papier, war die Idee für diese Debatte sicher spannend. Wenn die Politiker sich nicht einmal hier gegenseitig ausreden lassen und es nicht schaffen, sich auch nur kurz zuzuhören, ohne dem anderen ins Wort zu fallen: Dann ist das eine Zumutung für die Zuschauer und ein Armutszeugnis für die politische Debattenkultur.
Wer diese Sendung 90 Minuten lang durchgehalten hat, dem gebührt das – zugegebenermaßen ausgedachte – "Bundesverdienstkreuz für außergewöhnliches Konzentrationsvermögen". Zum Glück ist der Wahlkampf bald vorbei, sonst müsste man das wirklich noch einführen.