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Eingeschränkte Meinungsfreiheit?: Doku über deutsche Staatsanwälte sorgt für Wirbel – auch in den USA

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Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit? Das erklären in einer US-Doku drei deutsche Staatsanwälte – und verärgern damit sogar den US-Vizepräsidenten J.D. Vance.

Um sechs Uhr morgens klingeln sechs deutsche Polizeibeamte an einer Tür, durchsuchen die Wohnung, nehmen einen Laptop und ein Smartphone mit. Der Grund für die Hausdurchsuchung: Die Person soll im Internet einen rassistischen Cartoon gepostet haben. Es sind Szenen wie diese, die gerade für viel Aufregung sorgen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA.

Der US-Fernsehsender CBS hat für die Sendung "60 Minutes" unter anderem mit einigen Staatsanwälten über die Verfolgung von Hasskriminalität im Netz gesprochen. Zu Wort kommen Svenja Meininghaus, Matthäus Fink und Frank-Michael Laue – sie alle arbeiten für die niedersächsische Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet. Die Erläuterungen der Juristen verstehen einige als Einschränkung der Meinungsfreiheit.Artikel Hate Speech zur EM 12.30

Staatsanwälte erklären Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland

Die Staatsanwälte erklären, dass unter anderem Nazi-Symbole und Beleidigungen in Deutschland gesetzlich verboten sind. In der Dokumentation zeigen sie verschiedene Beispiele für strafbare Hassrede im Internet – beispielsweise ein Meme, das zur Erschießung von Asylsuchenden aufruft. Staatsanwalt Matthäus Fink berichtet, dass es immer noch ein geringes Unrechtsbewusstsein bei Beleidigungen im Internet gibt: "Viele Menschen sind überrascht, dass das illegal ist." Oft höre er das Argument: "Das wird man doch noch sagen dürfen."

Die Grenzen der Meinungsfreiheit, die die Staatsanwälte verteidigen, können nicht alle nachvollziehen. In der Dokumentation heißt es, die meisten Amerikaner könnten sich ein solches Vorgehen der Behörden "nicht vorstellen". In den USA seien quasi alle Meinungsäußerungen vom ersten Zusatzartikel zur Verfassung geschützt. Darin wird dem Kongress verboten, Gesetze zu erlassen, welche die Rede- und Pressefreiheit einschränken. Im deutschen Grundgesetz regelt Artikel fünf die Meinungsfreiheit, weist aber auch auf ihre Schranken hin. Kommentar Habeck Schwachkopf 13.13

Besonderes Aufsehen erregt eine Szene, in der Journalistin Sharyn Alfonsi danach fragt, wie Menschen reagieren, wenn ihre Handys beschlagnahmt werden. "Sie sind geschockt", antwortet Frank-Michael Laue, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralstelle. Sein Kollege und seine Kollegin lachen daraufhin. Laue fährt fort: "Es ist eine Art Strafe, wenn man sein Smartphone verliert. Sogar schlimmer als die Geldstrafe." Laut Laue bearbeitet seine Behörde jährlich 3500 Fälle, monatlich würden hunderte Hinweise eingehen.

US-Vize J.D. Vance spricht von "Irrsinn"

Sogar US-Vizepräsident J.D. Vance äußerte sich zu der Sendung und kritisierte die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland. "Jemanden zu beleidigen, ist kein Verbrechen, und die Kriminalisierung der Rede wird die Beziehungen zwischen Europa und den USA stark belasten", schrieb Vance auf X. Außerdem nannte er das in der Doku gezeigte Vorgehen der deutschen Behörden "orwellisch". In dem Roman "1984" des britischen Schriftstellers George Orwell wird jegliches eigenes Denken brutal verfolgt. "Jeder in Europa und den USA muss diesen Irrsinn ablehnen."J.D. Vance Kommentar 18.08

Erst wenige Tage zuvor hatte Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz den europäischen Demokratien Einschränkung der Meinungsfreiheit vorgeworfen. "Die Redefreiheit ist in Europa auf dem Rückzug", sagte der US-Vize in einer vielbeachteten Rede. Durch die CBS-Doku fühlt er sich darin bestätigt.

Auch Elon Musk stimmt Vance zu: "Menschen wegen Memes oder Beleidigung eines deutschen Politikers ins Gefängnis zu werfen ist verrückt." Der Milliardär mit großem Einfluss in der US-Regierung ist ein radikaler Verfechter der Meinungsfreiheit, auf seiner Plattform X werden viele der von der Staatsanwaltschaft verfolgten Hasskommentare gepostet.

FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ist von der Doku ebenfalls beunruhigt. "Wer im Angesicht dieser Bilder noch gut schlafen kann, dem sind die Grundrechte offensichtlich egal. Die Freiheit der Meinung ist die Grundlage der Freiheit überhaupt und darf nicht so leichtfertig eingeschränkt werden", sagte er der "Bild". SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hingegen stärkt den Ermittlungsbehörden den Rücken: "Hass und Hetze im Netz sind keine Lappalie. Die Staatsanwaltschaften setzen geltendes Recht durch – und das zu Recht."

Quelle:"60 Minutes", J.D. Vance auf X, Elon Musk auf X, "Bild"