Flugkatastrophe in Washington: Trump hetzt gegen Behinderte
Bei Tragödien bieten echte Anführer Lösungen an. Donald Trump aber nutzt die Flugkatastrophe von Washington für einen Sündenbock-Feldzug gegen Minderheiten. Seine haltlosen Verdächtigungen sind rücksichtslos und brandgefährlich. Bastian Brauns berichtet aus Washington Eine schreckliche Katastrophe hat sich diesen Mittwoch über dem Potomac River in Washington ereignet. Ein Militärhubschrauber ist mit einem Passagierflugzeug von American Airline mitten in der Luft nahe dem Ronald Reagan National Airport kollidiert. 64 Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord des Flugzeugs sowie drei Militärangehörige im Hubschrauber sind dabei ums Leben gekommen. Diese Tragödie, eine der schlimmsten Luftfahrtkatastrophen in der jüngeren US-Geschichte, hätte ein Moment der nationalen Trauer und Einheit sein müssen. Stattdessen aber missbrauchten der neue US-Präsident Donald Trump und seine Regierung sie für haltlose Lügen, um sie zu politisieren. Das zeigt erneut: Trump und die Seinen kennen weder Skrupel noch Moral. Wahr ist nur noch das, was sie behaupten, Fakten spielen keine Rolle mehr. Im Zentrum von Trumps Mutmaßungen stehen dabei die sogenannten "Diversity-, Equity- und Inclusion-Programme (kurz DEI)". Die Maßnahmen zur Förderung von mehr Gleichberechtigung sind bei den Republikanern gerade zu verhasst und sollen nun als Erklärung für mögliches menschliches Versagen dienen. Trump möchte sie loswerden und hat deswegen bereits Verordnungen erlassen, damit sie in keiner Behörde mehr gelten sollen. Trumps sofortige politische Angriffe Bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Absturz schlug Trump zwar zunächst einen ernsten und präsidialen Ton an, erkannte die Tragweite der Tragödie an und bat um eine Schweigeminute. "Unsere Herzen sind gebrochen. Wir alle suchen nach Antworten", sagte er. Dabei hatte Trump seine ganz eigenen Antworten längst gefunden und schwenkte sofort um. Zwar wisse er bislang auch nicht, was zu dem tödlichen Zusammenstoß am Himmel über der Hauptstadt geführt habe, sagte er. Das hinderte den US-Präsidenten aber nicht daran, dann vor den Augen der ganzen Nation Mutmaßungen zu Inklusionsprogrammen zu verbreiten. Noch bevor die Untersuchungen der Unfallursache überhaupt Ergebnisse brachten, behauptete Trump, es gäbe wegen des Diversitätswahns der Demokraten gewissermaßen keine geeigneten Menschen mehr in der Luftaufsichtsbehörde FAA. Er erweckte den Eindruck, als Fluglotsen würden aus lauter politischer Korrektheit nur noch Menschen eingestellt werden, die Hör- und Sehstörungen, fehlende Gliedmaßen, Lähmungen, Epilepsie oder gar schwere geistige oder psychische Behinderungen aufweisen. Auch seine Regierung, darunter Vizepräsident J.D. Vance und Verteidigungsminister Pete Hegseth, verbreitete die dreiste Lüge, dass die DEI-Einstellungskriterien dazu geführt hätten, dass unqualifizierte Menschen in sicherheitskritische Positionen gelangt seien. Fakt ist: Alle Fluglotsen unterliegen nach wie vor einer extrem strengen Ausbildung und benötigen höchste psychische und körperliche Qualifikationen. Laut den offiziellen Einstellungsvoraussetzungen der FAA müssen alle Fluglotsen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Behinderung – strenge medizinische, kognitive und fachliche Tests bestehen, das sogenannte "Air Traffic Skills Assessment (ATSA)“, sowie umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen und medizinische Untersuchungen durchlaufen. Zwar gibt es ein Inklusionsprogramm bei der Luftfahrtbehörde. Dabei werden aber beispielsweise keine Menschen mit Behinderungen wahllos in Positionen versetzt, für die sie nicht geeignet sind. Vielmehr wird sichergestellt, dass qualifizierte Personen eine faire Chance auf eine Karriere in der Luftfahrt haben. Dazu gehören bei den Programmen übrigens vielfach auch weiße Frauen. Dabei wird es sogar noch absurder: Ausgerechnet unter Trumps erster Präsidentschaft startete die Luftfahrtbehörde im Jahr 2019 ein Programm zur Einstellung von Fluglotsen nach eben den Kriterien, die er bei seiner Pressekonferenz Barack Obama und Joe Biden anlastete. Trumps kalkulierte Hetze Trumps gezielte Desinformationskampagne ist nicht nur irreführend, rücksichtslos und verletzend, sondern auch gefährlich. Er entfacht rassistische und diskriminierende Vorurteile, indem er suggeriert, inkompetente Minderheiten könnten Mitschuld am Tod von 67 Menschen sein. Das kann unabsehbare Folgen für die Sicherheit dieser Gruppen haben. Trump ging sogar so weit zu behaupten, eine Gruppe innerhalb der FAA hätte entschieden, dass die Belegschaft zu weiß sei. Die Regierung sei deshalb gedrängt worden, dies sofort zu ändern. Ein Qualitätsabfall sei dann die Folge gewesen. Beweise dafür legte er nicht vor. Als Journalisten Trump nach Beweisen für seine Unterstellungen fragten, antwortete Trump lediglich, er habe eben "gesunden Menschenverstand". Diese Rhetorik erinnert gerade in den USA an Argumente aus der Zeit der Rassentrennung. Damals war in der Geschichte dieses Landes schon einmal behauptet worden, dass jede noch so zarte Form von Integration die Qualität und Sicherheit der Bevölkerung gefährden würde. Heute sind es laut Trump schwächliche oder gar schwachsinnige Fluglotsen. Trump lenkt damit von politischen Versäumnissen ab, die möglicherweise tatsächlich zur Katastrophe geführt haben. Hinweise dafür liefert inzwischen ein interner Bericht der Luftfahrtbehörde. Aus dem geht hervor, dass der diensthabende Fluglotse während des nächtlichen Unfalls alleine war. Normalerweise müssten es wohl zwei Personen sein. Angesichts dieser Unterbesetzung und des seit Jahren beklagten Fluglotsenmangels könnte die Unfallursache womöglich zu wenig Kapazität gewesen sein – und nicht zu viel Diversität. Die Gefahr von Trumps Erzählung Trump ist das egal. Ihm geht es vorrangig um sein politisches Ziel: Misstrauen an Diversitätsmaßnahmen zu säen. Seine Erzählung lautet: Diversität ist schädlich und kann sogar tödlich sein. Tatsächlich sind es Trumps Lügen, die schädlich und tödlich sein könnten. Denn mit ihnen schürt er Rassismus und fördert Diskriminierung. Seine Anhänger benötigen eigentlich keine Untersuchung mehr. Denn dank ihm und zahlreicher Fürsprecher, wie einmal mehr der Multimilliardär Elon Musk "wissen" sie ja, wer die Schuld am Unglück trägt. Sollte herauskommen, dass der Fehler womöglich beim Piloten des Militärhubschraubers lag, könnte die Erklärung fast genauso lauten. Dann wird es heißen: Das Militär sei in den vergangenen Jahren verweichlicht worden. Zu guter Letzt setzte Trump auch jegliche Logik außer Kraft: Als der Präsident in Washington gefragt wurde, ob Amerikaner wegen der von beschriebenen Qualitätsprobleme bei den Fluglotsen jetzt besser nicht ins Flugzeug steigen sollten, sagte er: "Nein. Ich würde nicht zögern, zu fliegen. Nein, Fliegen ist sehr sicher. Nirgends auf der Welt ist Fliegen so sicher wie hierzulande und das wird auch so bleiben." Auf diese Weise entlarvte Trump sich selbst. Ob die Menschen sich deshalb von seiner Politik abschrecken lassen, darf bezweifelt werden. Vieles spricht dafür, dass viele erst merken werden, wie diskriminierend Trump handelt, wenn sie ganz persönlich davon betroffen sein werden.