Frauen und Alkohol: Warum Trinken für sie besonders riskant ist
Frauen vertragen weniger, oder? Tatsächlich gibt es für sie besondere Risiken beim Alkohol. Wie es zu problematischem Konsum kommt – und was hilft. Zum Anstoßen, zum Essen, zum Herunterkommen und einfach so – Es gibt viele Gründe, Alkohol zu trinken. Und auch viele, es nicht zu tun. Denn der Konsum birgt Risiken: Alkoholabhängigkeit ist eine ernste Erkrankung, die jeden betreffen kann und nicht immer erkannt wird. Und: Gerade bei Frauen gibt es ein paar Besonderheiten: Wirkung und Gefahren sind bei ihnen teilweise anders als bei Männern. Warum ist Alkohol für Frauen gefährlicher? Das sind zum einen biologische Faktoren: Frauen haben im Allgemeinen eine geringere Alkoholverträglichkeit als Männer. Dies liegt Suchtmediziner Professor Falk Kiefer zufolge daran, dass sie im Durchschnitt kleiner sind, weniger Körpervolumen haben, mehr Fett und weniger Wasser im Körper haben und Alkohol langsamer abbauen. Dadurch erreichen Frauen bei gleicher Trinkmenge eine höhere Blutalkoholkonzentration und die giftige Wirkung des Alkohols entfaltet sich bei ihnen stärker und länger, erklärt Kiefer. Und: "Die Risiken für Folgeerkrankungen sind bei Frauen ungefähr bereits bei der halben Alkoholmenge im Vergleich zu Männern erhöht", so der Experte. Dazu zählen: depressive Verstimmungen Angsterkrankungen Hormonstörungen Sodbrennen Magengeschwüre Abhängigkeit Hinzu kommt: "Der Zeitraum von Beginn des problematischen Trinkens bis zur Abhängigkeit ist offensichtlich kürzer", so Kiefer. Die Rede ist oft vom sogenannten Teleskopeffekt. Alkohol ist für Frauen also toxischer. Welche Faktoren spielen noch eine Rolle? Auch soziale Faktoren spielen eine Rolle: In der Vergangenheit war Alkoholkonsum bei Frauen gesellschaftlich weniger akzeptiert als bei Männern. Das hat sich verändert – aktuell trinken Frauen, besonders in bestimmten Altersgruppen, zunehmend wie Männer. Sie haben quasi "aufgeholt". Autorin und Bloggerin Mia Gatow, die sich vor sieben Jahren vom Alkohol "befreit" hat, beschreibt diese "Angleichungsbewegung" so: "Wir arbeiten so viel wie Männer. Wir trennen Karriere und Privatleben, wie Männer das machen. Wir verdienen, jedenfalls theoretisch, fast genauso viel Geld – und wir trinken wie Männer. Auch zur Entspannung, denn wir haben ja genauso viel Stress." In ihrem Buch "Rausch und Klarheit" beschreibt sie, wie sie ihr Alkoholproblem erkannt hat und warum und wie sie abstinent wurde. Lesen Sie auch: Kann man sich "das Gehirn wegsaufen"? Welche Rolle spielen das Umfeld und die Gesellschaft bei Sucht? Kiefer erklärt: "Leider herrscht da sozusagen die alltägliche Banalität. In einer Gesellschaft, wo alle trinken, braucht es keine Dramen, um mitzutrinken." Alkohol zu trinken sei ein erlerntes Verhalten, fast alle machten erste Erfahrungen mit Alkohol in der Jugend oder als junge Erwachsene. Sie lernen vielleicht: "Alkohol kann entspannen und manche Dinge etwas erleichtern" – aber die meisten merken auch die negativen Folgen. In den Folgejahren spiele exzessives Trinken oft kaum eine Rolle, weil es einfach nicht passt: Dann sei man mit Familien-, Lebensplanung und Beruf beschäftigt. "Das ist in der Regel alles inkompatibel mit heftigem Trinken, was auch gut ist", so Kiefer. Die meisten trinken dann nur gelegentlich. Häufig wird Alkohol dann ein Thema, wenn die "Gelegenheit zum Trinken" wieder da ist. "Oder wenn Probleme da sind, bei denen Alkohol kurzfristig vermeintlich hilft", so Kiefer. Auch rund um Lebensübergänge, etwa in der mittleren Lebensphase, wenn Belastungen im Beruf, der Partnerschaft und im Zusammenhang mit Kindern hinzukommen – auch und gerade für Frauen ein Thema. Dann erinnern sich viele an die Effekte, die Alkohol haben kann. "Und rutschen durch das Gefühl 'irgendwie tut mir das im Moment ganz gut' da rein." "Wine Moms" – Wenn Mütter ein Glas Wein brauchen Trinken als Selfcare, wie es die "Wine Moms" auf Instagram zeigen? Das könne passieren, so Mediziner Kiefer. Also ein Glas Wein zu trinken – vielleicht mit anderen Müttern und dabei zu denken: "Ich muss immer Höchstleistungen erbringen und für die Kinder da sein. Aber ich bin auch ein Mensch und brauche Zeit für mich." So beginne der sogenannte "funktionale Gebrauch". Kiefer berichtet, dass Alkohol auch eine Art Selbstmedikation ist, etwa bei Angsterkrankungen oder Depressionen – und "manchmal kommen solche Befindlichkeitsstörungen oder psychischen Erkrankungen auch in einer bestimmten Lebensphase auf". Ein weiterer wichtiger Faktor: Alkohol ist vergleichsweise billig und praktisch überall verfügbar. Woran merke ich, dass ich ein Alkoholproblem habe? Nicht unbedingt daran, wie viel man trinkt. "Wenn man den Schweregrad einer Alkoholabhängigkeit messen will, dann orientiert sich das kaum an den berichteten Trinkmengen", erklärt Kiefer. "Das wichtigste Kriterium sind die negativen Konsequenzen, die man bereit ist, in Kauf zu nehmen." Wenn es schwerfällt, auf Alkohol zu verzichten – "wenn man merkt, es gibt Dinge, die besser laufen würden, wenn ich nicht trinke, aber man trinkt trotzdem. Dann hat man auch schon ein Alkoholproblem", sagt der Mediziner. Und: Wenn Sie feststellen, dass Sie Ihren Alkoholkonsum bewusst zu kontrollieren versuchen, weil Sie befürchten, zu viel zu trinken, kann dies ebenfalls ein Zeichen für ein problematisches Trinkverhalten sein. Wann handelt es sich um ein größeres Problem? "Wenn Sie ein größeres Alkoholproblem haben, sagen Sie: 'Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nur mit null Promille Auto zu fahren, aber ein Bier geht doch'. Und wenn das Problem dann noch größer wird, dann sagen sie: 'Mich wird schon keiner erwischen. Und eigentlich kann ich noch fahren'", so Kiefer. Die Steigerung davon – es geht nur noch um den Alkohol: "Okay, wenn ich jetzt zu der Feier nicht mehr hin und zurück fahren kann. Dann trinke ich halt zu Hause – und verzichte auf meine Freunde." Auch wenn es bei ihnen nicht so weit ist, rät Kiefer: sich einen Überblick über den eigenen Alkoholkonsum zu verschaffen. Den haben nämlich die wenigsten, die regelmäßig trinken. Ein Trinktagebuch könne dies dokumentieren. Oder man wirft einen Blick aufs Leergut, das man jede Woche entsorgt – auch das könne eine Problematik ins Bewusstsein rücken. Lesen Sie hier: Mit diesen zwei Fragen erkennen Sie Alkoholiker Was tun, wenn es zu viel wird? Wer das Gefühl hat, das eigene Trinkverhalten ist aus dem Ruder gelaufen, kann Suchtberatungsstellen aufsuchen – eine niedrigschwellige Möglichkeit, Unterstützung zu finden, sagt Kiefer. Sie arbeiten unabhängig von Krankenkassen und machen sich ein Bild der Symptomatik, geben Empfehlungen, ohne das Ziel, eine medizinische Diagnose zu stellen. "Man kann sich informieren und einschätzen, ob das eigene Verhalten problematisch ist, ohne direkt an eine Entzugsklinik oder lebenslange Abstinenz zu denken." Auch gute Ansprechpartner: Hausärztin oder Hausarzt. "Sie können und sollen unterstützen, auch unabhängig von der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit", so Kiefer. "Es gibt ja Zusammenhänge zwischen Alkohol und Beschwerden wie Schlafstörungen , Magenschleimhautentzündungen oder Diabetes , und die kann man viel besser behandeln, wenn der Alkoholkonsum weniger oder ganz aufgegeben wird." Natürlich können Hausärzte anhand körperlicher und psychischer Symptome auch eine Abhängigkeitserkrankung diagnostizieren. Das Wichtige, betont auch Kiefer: "Das ist eine Erkrankung." Es geht eben nicht um Willensschwäche. Das sei vielen – auch vielen Betroffenen – nicht ganz klar. Wer das Gefühl hat, sein Konsum könnte problematisch sein, braucht keine Angst zu haben. "Man kann Alkoholprobleme lösen und sogar einer Sucht entwachsen", so Kiefer.