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AfD schockt mit "Abschiebetickets": Jetzt kopiert sie die NPD

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Die AfD will in Baden-Württemberg "Abschiebetickets" im Stil echter Flugtickets in Briefkästen verteilen. Die Partei kopiert damit eine Aktion der NPD. Beim Parteitag der AfD an diesem Wochenende sorgte nicht nur AfD-Chefin Alice Weidel auf der Bühne für einen Dammbruch . In den Reihen der Delegierten kursierte ein neues Werbemittel, das eine noch deutlichere Sprache spricht: Mit ihm nämlich kopiert die AfD eine Wahlkampagne der Neonazi-Partei NPD – und zwar fast identisch. Die Polizei hat bereits Ermittlungen wegen Volksverhetzung aufgenommen. Was aussieht wie ein richtiges Flugticket, trägt einen anderen Namen: "Abschiebeticket" steht neben dem Logo der AfD auf dem länglichen Papier. Ausgestellt ist es für einen "Passagier: Illegaler Einwanderer". Und auch die Flugdaten sprechen für sich: "Von: Deutschland" steht dort als Abflugort, "Nach: Sicheres Herkunftsland" als Zielort. Einsteigen soll der Passagier am "Gate AfD" am Wahltag von "08-18 Uhr". Ganz unten am Ende des Tickets steht der Satz: "Nur Remigration kann Deutschland noch retten." In der Übertragung vom Bundesparteitag der AfD ist der baden-württembergische Delegierte Christoph Högel mit einem solchen "Abschiebeticket" in der Hand zu sehen. Ein QR-Code auf dem Papier verweist auf die Seite AfD-Kreisverbands Karlsruhe-Stadt. Der dortige Kreisverband hat die Tickets als Werbung in einer Auflage von rund 30.000 Stück drucken lassen, die dort verteilt werden sollen, wie Kreissprecher Marc Bernhard t-online auf Anfrage sagte. Kreisverband will Tickets in "ausnahmslos alle Briefkasten" zustellen "Ausnahmslos alle Briefkästen" würden bestückt, wenn dort nicht "Keine Werbung"-Aufkleber angebracht seien, so Bernhard. Auch Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund also werden die Tickets erhalten. Anderen Verbänden stelle man die Druckunterlagen auf Wunsch zur Verfügung, sagte er. Sein Kreisverband ist nicht irgendein AfD-Verband. Denn Bernhard ist auch stellvertretender Landesvorsitzender in Baden-Württemberg – dem Heimatverband von Alice Weidel . Dort steht die AfD-Chefin auf Platz 1 der Landesliste für die Bundestagswahl . Im Bodenseekreis, dem Kreisverband von Christian Högel, kandidiert sie außerdem als Direktkandidatin. Nachahmer dürften sich in der AfD einige finden. Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Miguel Klauß jedenfalls ist begeistert: "Ich finds eine gute Aktion, sehr kreativ, einfach cool", so Klauß. "Ich überleg mir, ob ich auch welche mach." Klauß hatte im Januar bereits einen "Abschiebekalender" entworfen. Klarstellung folgt – aber erst auf der Rückseite Kreissprecher Marc Bernhard betont zwar, dass auf der Rückseite des Tickets klargestellt werde, dass es nur um die Umsetzung geltenden Rechts gehe: "Völlig gesetzeskonforme Forderungen zu diesem Thema, die der aktuellen Rechtslage und dem Grundgesetz entsprechen." Keinesfalls gehe es etwa um deutsche Staatsbürger, so Bernhard. Diese Klarstellung allerdings findet sich eben erst auf der Rückseite des Tickets. Der AfD-Kreisverband Göppingen verbreitete im Netz lediglich die provokante Vorderseite des Tickets – so wie viele andere Accounts auch. Im Netz hat die Partei mit dem Plan schon jetzt Entsetzen ausgelöst. Dort bedenken viele, welche Gefühle es bei Menschen mit Migrationshintergrund wie Flüchtlingen auslösen kann, die dieses Schreiben erhalten – direkt an ihrem Wohnort, in ihrem Briefkasten. Die AfD dürfte sich über die Aufregung freuen, erreicht sie doch ein ihr immer wichtiges Ziel: große Aufmerksamkeit mit wenig Aufwand. NPD verschickte gleich bei zwei Wahlkämpfen Flugtickets Was die AfD da druckt, ist der Abklatsch einer Aktion der völkischen NPD, die inzwischen unter dem Namen "Die Heimat" firmiert. Gegen sie wurde zweimal erfolglos ein Verbotsverfahren geführt. Bisher distanzierte sich sogar die AfD immer tunlichst von ihr. Auf der "Unvereinbarkeitsliste" der Partei stehen die NPD, die "Heimat", mit ihr verbundene Vereine und ihre Jugendorganisation. Die Ideen der NPD aber kopiert man offensichtlich gerne: Pseudo-Flugscheine verbreitete nämlich schon der Berliner Landesverband der NPD 2011, adressiert an Jungwähler in mehreren Berliner Bezirken. Ein NPD-Sprecher sagte damals, sie seien für "rückreisewillige Personen aus dem Bekanntenkreis" gedacht und sollten "die Fremden an die Reise in ihre Heimat erinnern". Im Schreiben hieß es, die "Verausländerung" in Deutschland sei das Hauptproblem. Auch für die NPD-Aktion wiederum gibt es ein Vorbild: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts kursierten "Freifahrtkarten mit Schnellzugbenutzung gültig ab jeder deutschen Station nach Jerusalem", die Juden auf diese perfide Weise auffordern sollten, das Land zu verlassen. Zur Bundestagswahl 2013 nutzte die NPD die von ihr entworfenen Flugtickets, um sie dann gezielt an "alle Migranten in Berlin , die zur Bundestagswahl kandidieren" zu senden. Im Anschreiben wurde den Politikern nahegelegt, Deutschland freiwillig zu verlassen. "In keinem Fall sollen Sie in irgendeiner Sie persönlich benachteiligenden Form transportiert werden. Wir bevorzugen Ihre Übersiedelung durch Auswanderung." In dem Schreiben heißt es: "Migrare heißt auch auswandern. Wir sehen darin eine patente Lösung." Der damalige NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke kündigte in diesem Zusammenhang an, die Tickets würden auch AfD-Kandidaten mit Migrationshintergrund erhalten. Inzwischen scheinen Schmidkes Verbindungen zur AfD eng: Im vergangenen Jahr tauchte er als Ordner bei einer Veranstaltung des rechtsextremen "Compact"-Magazins auf. Das Motto der Veranstaltung: "Blaue Welle". Das Ziel: Wahlwerbung für die AfD. Die AfD pusht Sellners "Remigration" Ohne Hemmungen kopiert die AfD mit den Tickets aber nicht nur die NPD, sondern forciert auch den Begriff der "Remigration". Weit verbreitet ist der Begriff in der Partei ohnehin schon, rechtsextreme Landesverbände im Osten machten damit Wahlkampf bei den Landeswahlen. Zum ersten Mal hat am Wochenende auch AfD-Chefin Alice Weidel das Wort prominent in einer Rede verwendet. Die "Identitäre Bewegung" um den Österreicher Martin Sellner hat den Begriff der "Remigration" als neuen Kampfbegriff eingeführt, er wurde Unwort des Jahres 2023 . In der Szene wird er seither inflationär verwendet. Für Rechtsextremisten ein kluger Schachzug: Eigentlich hat der Begriff nämlich einen wissenschaftlichen Hintergrund, stammt aus der Soziologie und bezeichnet dort die freiwillige Rückkehr von Migranten in ihre Heimatländer. In der Szene der AfD wie der "Identitären" aber hat er eine ungleich menschenfeindlichere Bedeutung: Er steht dort oft für Massenabschiebungen, Vertreibungen und Deportationen unter Einsatz von Druck und Gewalt. Deutschlandweit bekannt wurde der Begriff, als die Rechercheplattform "Correctiv" über ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam 2023 berichtete, an dem auch AfD-Politiker teilnahmen. Sellners "Remigrations"-Vorstellungen waren dort Thema. Der Fraktionsvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, sagte laut "Correctiv" bei dem Treffen in Potsdam: Das Straßenbild in Deutschland müsse sich ändern. Ausländische Restaurants müssten unter Druck gesetzt werden. Es solle in Sachsen-Anhalt "für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein zu leben". Zwar wies Siegmund dies später zurück und behauptete, er habe sich in Potsdam nur zu Wettbüros und Shisha-Bars geäußert. Die Passage im "Correctiv"-Text ist aber bis heute unverändert online. Siegmund also scheint dagegen nicht juristisch vorgegangen zu sein. Zumindest nicht mit Erfolg. Die Polizei ermittelt Nach dem Bekanntwerden der "Abschiebeticket"-Aktion der AfD hat die Polizei Karlsruhe Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung aufgenommen, wie ein Sprecher t-online sagte. Dort waren noch keine Fälle bekannt, in denen Menschen diese Post von der AfD erhalten hatten. Vermutungen hatte es darum bereits gegeben nach dem Posting eines Karlsruher Threads-Nutzers mit rund 120.000 Abonnenten, der offenbar im Kosovo Wurzeln hat. Er hatte in dem sozialen Medium ein Bild des AfD-Machwerks gepostet mit dem Text "digga das lag in meinem briefkasten". Auf t-online-Anfrage sagte er allerdings, das Foto nicht selbst gemacht zu haben. Er habe nur gehört, die Tickets seien im Karlsruher Raum in Briefkästen von Menschen mit Migrationshintergrund gelandet. Er kenne aber selbst keinen Betroffenen. Die wird es geben, wenn die AfD groß in die Verteilung einsteigt.