AfD: X-Date mit Elon Musk: Alice Weidel geht ins Risiko
Kurz vor ihrer formalen Kür zur Spitzenkandidatin hat sich die AfD-Vorsitzende Alice Weidel mit US-Milliardär Elon Musk verabredet. Das ist nicht ungefährlich für sie.
Die Vorsitzende der AfD kann es offenkundig kaum erwarten. Der Countdown läuft. "Nur noch fünf Tage", verkündete Alice Weidel im Netz. Dann: "Nur doch drei Tage."
Und nun, an diesem Donnerstag, 19 Uhr, ist es so weit: Weidel trifft Elon Musk. Auf X natürlich, dem sozialen Kanal, der dem US-Magnaten ebenso gehört wie zumindest teilweise der Elektroauto-Konzern Tesla, das Raumfahrtunternehmen SpaceX oder dessen Tochterfirma Starlink.
Weidel sitzt in ihrem Büro im Bundestag und Musk wohl irgendwo in den USA, während das Gespräch live übertragen wird. Es wird, was sonst, Englisch geredet.
Gut sechs Wochen vor der Bundestagswahl bietet der hundertfache Milliardär der Parteichefin eine globale Plattform – genauso, wie er es zuvor im US-amerikanischen Wahlkampf mit Donald Trump tat. STERN PAID 03_25 Musk 09.04
Das Timing ist für Alice Weidel perfekt
Auch sonst ist der Zeitpunkt für Weidel ideal. An diesem Wochenende will sie sich auf dem Bundesparteitag in Riesa offiziell zur Kanzlerkandidatin küren lassen. Mehr Timing geht nicht. Und auch nicht mehr Werbung.
Aber die Nähe ist auch riskant. Denn Musk ist nur auf seine eigenen Interessen fixiert. Das macht ihn völlig unberechenbar – für Weidel, aber auch für die gesamte AfD.
Erst einmal jedoch darf die Parteivorsitzende einen Wohlfühltermin erwarten. Der Milliardär wirkt, um es vorsichtig zu formulieren, der AfD stark zugeneigt – wie er in einem Post auf X und danach zusätzlich in einem Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" bekundete. Die Partei sei "der letzte Funke Hoffnung" für Deutschland, schrieb er.
Weidel bedankte sich dafür öffentlich und geradezu euphorisch. Das erste Ergebnis dieser politischen Romanze ist jetzt das X-Date.
Gemeinsamkeiten ja – aber auch Unterschiede
Tatsächlich existieren so manche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden. Musk hatte sich in den vergangenen Jahren immer stärker nach rechts bewegt. Nachdem er Trump im Wahlkampf auch finanziell mit mehr als 250 Millionen Dollar unterstützt hatte, fungiert er inzwischen als dessen Berater und soll als Chef einer neuen Behörde die Bürokratie schleifen.
So wie der designierte US-Präsident lässt sich also Musk grob im Lager von rechtspopulistischen und autoritären Politikerinnen und Politikern wie Viktor Orbán, Marine Le Pen, Herbert Kickl, Giorgia Meloni oder eben Alice Weidel verorten. Aber eben nur grob.
Denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass Musk, ganz ähnlich wie Trump, nur ein einziges Programm kennt: Und das ist er selbst. Wie der designierte US-Präsident ordnet er seinem Erfolg alles andere unter. America First heißt bei ihm: Me First.
Musk: Ein autoritärer Ultrakapitalist
So hasst Musk staatliche Auflagen, liebt Monopole und bevorzugt einen möglichst unregulierten Welthandel. Seine Weltsicht ist nicht liberal, sondern libertär. Die Freiheit des Einzelnen ist absolut gesetzt, und hier vor allem die Freiheit auf Eigentum. Das Gemeinwohl erscheint nebensächlich.
In seinem Kern ist Musk ein autoritärer Ultrakapitalist. Wenn er sich migrations- und transfeindlich äußert oder Verschwörungserzählungen wie jene vom Großen Austausch verbreitet, dann nur, solange es seine singulären Interessen nicht stört. Denn wenn es konkret wird, streitet er doch dafür, dass sein Fachpersonal Arbeitsvisa erhält.
Dies alles deckt sich vielleicht noch partiell mit den Ansichten der früheren Goldman-Sachs-Bankerin Weidel – aber nicht mit dem völkischen, national-sozialen und ja, dezidiert US-feindlichen Flügel der AfD. Der thüringische Landeschef Björn Höcke etwa attackiert immer wieder die USA als neokolonialen Hort des internationalen Großkapitals.
Natürlich ist die Beweglichkeit der AfD-Vorsitzenden traditionell hoch. So wie sie sich bei Bedarf den Völkischen anverwandelt, bespielt sie auch die These vom angeblich unsouveränen Deutschland. Vor dem Termin mit Musk bezeichnete sie in einem US-Magazin Deutschland als "Sklaven" und "Kolonie" der USA. Alice Weidel USA 17.25
Ein fragiles Zweckbündnis
Doch die Allianz ist heterogen. Zusammengehalten wird sie hauptsächlich von einem Ziel: der Disruption der etablierten Ordnung. Es gilt das universale Prinzip, wonach der Feind des eigenen Feindes erst einmal ein Freund ist. Dieser Feind ist "das System" oder "das Kartell", also der liberale und multilaterale Westen, der durch Organisationen wie die Nato oder die EU verkörpert wird – oder auch demokratische Institutionen wie unabhängige Gerichte.
Auch deshalb hat Musk keine Probleme mit einem vorbestraften Präsidenten Trump – oder jemanden wie Höcke. Als der im Frühjahr 2024 vom Landgericht Halle zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil er eine NS-Parole gerufen hatte, skandalisierte Musk die Entscheidung per X. Der Thüringer Landeschef zeigte sich darüber sichtlich erfreut.
Aber das Zweckbündnis bleibt fragil. Interessenpolitisch und ideologisch trennt die AfD und Musk mindestens ebenso viel wie sie eint. Hinzu kommt das erratische Wesen des Multimilliardärs – was zuletzt mit Nigel Farage der Chef der britischen Brexiteers zu spüren bekam.
Farage wurde hofiert – und fallen gelassen
Noch im Herbst hatte Musk dem Chef der Reformpartei bei einem Treffen auf Trumps Anwesen Geld und Unterstützung zugesagt. Doch dann machte sich Farage offenbar unbeliebt, weil er die Forderung des Unternehmers nach der Freilassung des rechtsradikalen Aktivisten Tommy Robinson nicht unterstützte.
"Die Reformpartei braucht einen neuen Chef", schrieb Musk prompt auf X. Farage habe "nicht das Zeug" dafür.
Der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke fasste diese Woche auf ntv die ambivalente Situation so zusammen: Zwar bedeute Musk eine Chance für die AfD – doch der Schuss könne auch "gewaltig nach hinten losgehen".
So oder so: Alice Weidel geht ins Risiko.