Strafprozess: Polizisten angefahren - Fahrer wegen Mordversuch vor Gericht
Ein Hamburger Polizist will ein Auto anhalten, doch der Fahrer gibt Gas und fährt den Beamten an. Vor Gericht räumt der 19-Jährige die Tat ein, bestreitet aber einen wichtigen Punkt der Anklage.
Mit hoher Geschwindigkeit soll ein junger Autofahrer einen Polizisten umgefahren haben - jetzt muss er sich wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Hamburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann vor, am 15. September vergangenen Jahres eine Aufforderung zum Anhalten ignoriert und den Beamten mit dem Auto angefahren zu haben. Er habe den Carsharing-Wagen auf 66 bis 76 Kilometer pro Stunde beschleunigt, als er auf den Polizisten zufuhr.
Nach dem Unfall flüchtete der Fahrer. Er habe unter dem Einfluss von Marihuana und ohne Fahrerlaubnis am Steuer gesessen. Der damals laut Polizei 27 Jahre alte Beamte war mit einer Unfallaufnahme in der Max-Brauer-Allee im Stadtteil Altona-Altstadt befasst gewesen. Er wurde frontal angefahren und erlitt einen Armbruch sowie Prellungen und Schürfwunden.
Angeklagter räumt Tatgeschehen ein
Die Anklage lautet auf versuchten Mord zur Verdeckung einer Straftat und gefährliche Körperverletzung. Weitere Anklagepunkte sind gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Unfallflucht sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis. Der 19-Jährige räumte die Tat ein. "Der Sachverhalt trifft so zu", sagte sein Verteidiger Kemal Su. Er wies jedoch den Vorwurf des versuchten Mordes zurück. "Das ist das auf keinen Fall", betonte Su.
Auf Fragen des Vorsitzenden Richters Stefan Philipp erklärte der 19-Jährige, dass er zunächst auf Zeichen eines anderen Polizisten angehalten habe. Er habe Angst gehabt, weil er keinen Führerschein hatte. Als er eine Lücke zwischen den haltenden Autos sah, habe er beschleunigt. Laut Anklage fuhr er direkt auf den zweiten Polizisten zu, ohne Ausweichmanöver. Dabei habe er den Tod des Beamten in Kauf genommen.
Rettender Sprung auf die Motorhaube
Der Polizist soll nach Angaben des Richters noch mit einer Taschenlampe auf sich aufmerksam gemacht haben. Im letzten Moment rettete er sich mit einem Sprung auf die Motorhaube des Carsharing-Wagens. Erst in dem Moment habe er den Beamten wahrgenommen, sagte der Angeklagte. Er fuhr dennoch weiter und der Polizist fiel von der Motorhaube.
Zusammen mit seinen beiden Mitfahrern flüchtete der 19-Jährige, bis er mit seinem Auto an einer Baustelle nicht weiterkam. Von dort sei er mit der Bahn in den Stadtteil Wilhelmsburg gefahren, wo er sich vor der Tat schon mit seinen Mitfahrern in einem Jugendzentrum aufgehalten hatte. Die Polizei konnte in der Nähe des Tatorts einen damals 17-jährigen Mitfahrer festnehmen und zur Davidwache an der Reeperbahn bringen. Wenig später hatte sich dort auch der Angeklagte gestellt, wie die Polizei seinerzeit mitteilte. Anschließend saß er zeitweise in Untersuchungshaft.
Auto mit falschen Daten angemietet
Den Wagen hatte der damals noch 18 Jahre alte Fahrer am Vortag gemietet. Über den Messengerdienst Telegram seien ihm aus einer Gruppe die Daten eines Carsharing-Accounts zur Verfügung gestellt worden. Von wem und wie die Mietkosten bezahlt wurden, konnte der Angeklagte nicht genau sagen. Am Tattag habe er nur "ganz wenig" Marihuana konsumiert. Wegen persönlicher Schwierigkeiten habe er über Monate ein bis vier Joints pro Tag geraucht. Im Handschuhfach des Autos hatte die Polizei eine geringe Menge Marihuana gefunden.
Als Heranwachsender könnte der Angeklagte nach dem Jugendstrafrecht zu einer geringeren Strafe verurteilt werden. Das Gericht hat sieben weitere Verhandlungstermine bis zum 20. Januar angesetzt.