BSW und AfD: Neuwahlen überrumpeln Parteien
Seit Monaten fordern BSW und AfD das Aus der Ampel. Doch die vorgezogenen Neuwahlen stellen sie jetzt vor große Herausforderungen. Sogar das Geld wird knapp. Am 23. Februar 2025 soll es so weit sein. Da der Kanzler Mitte Dezember die Vertrauensfrage stellen will, steht dann nach derzeitigem Stand die Bundestagswahl an: Neuwahlen nach dem Ende des Bündnisses zwischen SPD , den Grünen und der FDP . Seit Monaten wurden die Stimmen immer lauter, die dieses Ende der Ampel forderten. Vor allem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die AfD waren dabei Wortführer, mit scharfen Worten geißelten sie die Regierung und mahnten sofortige Neuwahlen an. Doch jetzt, da es so weit ist, wird deutlich: Die beiden Parteien sind nicht gut auf das Ampel-Aus vorbereitet, das sie so lange gefordert haben. Die vorgezogene Wahl stellt sie vor enorme Herausforderungen. Nicht nur an der Kür ihrer Kandidaten könnten sie scheitern, auch das Geld ist knapp. Das könnte sie bei der Wahl sogar Prozentpunkte kosten. BSW sucht händeringend nach Spendern Seit Monaten im "Start-up-Modus": So beschreibt der Unternehmer und Bundesschatzmeister Ralph Suikat den Zustand des noch jungen BSW. Zum Jahresbeginn gegründet, steht für die Partei jetzt innerhalb kürzester Zeit der fünfte Wahlkampf an. Nach Sachsen, Thüringen, Brandenburg und zuallererst der Europawahl nun die vorgezogene Bundestagswahl. "Neuwahlen wurden Zeit und sind gut", sagt Suikat t-online, dessen Partei in den Umfragen derzeit bei gut sieben Prozent liegt. Trotzdem schaut er nicht freudig in die nächsten Wochen, denn vor ihm liegt ein Haufen Arbeit. Vier Millionen Euro plant er für den anstehenden Wahlkampf ein. Ein eher überschaubarer Betrag im Vergleich zu den etablierten Parteien, für das BSW aber ein Kraftakt. Zwar ist das BSW die Partei mit den höchsten Großspenden – 5,2 Millionen von einem Ehepaar und insgesamt gut 1,3 Millionen vom parteinahen Verein. Aber die vier Wahlkämpfe haben auch sehr viel Geld gekostet. "Wir sind derzeit auf der Suche nach Darlehensgebern", sagt Ralph Suikat. Das könnten Banken sein, aber auch Menschen aus dem BSW-Unterstützerkreis, die bereit wären, Geld vorzustrecken, um es dann im kommenden Jahr wiederzubekommen. Ihm wären Spender aber lieber als Darlehensgeber, wie er sagt. Denn auch wenn die Partei durch die Erfolge bei der Europawahl und den Ost-Wahlen Anspruch auf Parteienfinanzierung hat: Dieses Geld kommt immer erst im Folgejahr nach der Abgabe des Rechenschaftsberichts. Im Falle des BSW würden die Einnahmen im Februar, wenige Tage vor der Bundestagswahl, kommen. Zu spät für den Wahlkampf. Deshalb muss das BSW jetzt kreativ werden. Wenige Mitglieder, wenig Geld vom Staat Und für das BSW enthält das Parteiengesetz aktuell noch eine weitere Hürde. Zwar hat eine Partei, je erfolgreicher sie bei den Wahlen ist, Anspruch auf immer mehr Geld aus der staatlichen Finanzierung – doch es gibt eine Obergrenze. Und diese Obergrenze wird laut Parteiengesetz von den "selbst erwirtschafteten Einnahmen" bestimmt. Das sind nicht nur Spenden, sondern auch Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge der Partei. Hat also eine Partei nach den Wahlen Anspruch auf drei Millionen Euro, aber nur eine Million selbst erwirtschaftet, dann bekommt sie auch nur eine Million aus der Parteienfinanzierung. Das BSW hat bisher nur sehr wenige Mitglieder, Neuaufnahmen werden intensiv geprüft und aus Sorge vor Problemfällen nur langsam aufgenommen. Damit generiert es weniger Einnahmen als andere Parteien – und das Jahr 2025 könnte damit knifflig werden. Neben der Finanzierung wird auch die Zeit für Parteitage knapp. Das BSW hat bisher nicht einmal in allen Bundesländern eigene Landesverbände gegründet und kann damit dort bisher auch keine Landeslisten aufstellen. In Hamburg , Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern steht die Gründung noch aus, in Bayern soll sie an diesem Wochenende erfolgen. Darin sieht Suikat aber kein Problem. Er verweist auf den "Start-up-Modus" der Wagenknecht-Partei. "Wir sind es gewohnt, in kurzer Zeit viel zu erreichen." AfD kalt erwischt – Dutzende Versammlungen liegen zu spät Welche Probleme auf das BSW neben der Finanzierung dennoch zukommen könnten, lässt ein Blick hinter die Kulissen bei der AfD gerade erahnen. Dort sind Finanzierung wie Strukturen der Partei nun schon seit Jahren erprobt. Trotzdem muss die Partei zurzeit enorm rudern, um die Aufstellungen ihrer Kandidaten für die Bundestagswahl zu stemmen. Bei der AfD nämlich wurden sie von der vorgezogenen Wahl kalt erwischt. Mehrere Landesverbände wollten ihre Kandidatenlisten eigentlich erst im Frühjahr 2025 küren, auch der Bundesverband wollte Weidel erst im April zur Kanzlerkandidatin wählen. Angesichts der Neuwahlen ist das jetzt viel zu spät. Und nicht nur Aufstellungsversammlungen mit Hunderten Teilnehmern müssen nun vorgezogen werden, sondern auch Dutzende Direktkandidatenwahlen in den Kreisverbänden. Das alles bedeutet einen organisatorischen Kraftakt: Im Schnellverfahren müssen jetzt neue Termine gefunden, Veranstaltungsorte organisiert und Mitglieder eingeladen werden. Und das unter Wahrung von Fristen, die die Satzungen der Landesverbände vorschreiben. Fehler dürfen dabei nicht passieren – die Landeswahlleitungen prüfen genau, wie die Listen zustande kommen. Bei Ausrutschern oder Manipulationen droht die Gefahr, dass ganze Landeslisten von der Wahl ausgeschlossen werden und die Partei bundesweit Prozentpunkte sowie Mandate einbüßen könnte. Eine Erfahrung, die die AfD in Vorjahren schon gemacht hat. Manipulationen könnten Liste der AfD NRW gefährden Zurzeit ist dabei das größte Sorgenkind der AfD ausgerechnet Nordrhein-Westfalen. Mit rund 8.000 Mitgliedern ist es der größte Landesverband der Partei und Nordrhein-Westfalen zudem eines der Bundesländer, die als ausschlaggebend für Erfolg oder Niederlage bei den Bundestagswahlen gelten. Die AfD Nordrhein-Westfalen muss besonders viele Wahltermine vorziehen – und hat ein noch größeres Problem: Ein ehemaliges Mitglied des Bundesvorstands soll bei der Aufnahme von Mitgliedern manipuliert und falsche Adressen vergeben haben, um sie dem Kreisverband Düren zuweisen zu können. Die Landeswahlleitung hat die AfD Nordrhein-Westfalen deswegen bereits jetzt im Visier und eine Stellungnahme eingefordert. Bei der AfD kennen sie solche Tricksereien gut, ähnliche Fälle hat es auch in anderen Verbänden in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Denn durch die Anzahl der Mitglieder in Kreisverbänden lassen sich Mehrheitsverhältnisse bei der Kandidatenaufstellung verschieben. Ein Sprecher des Landesvorstands NRW beteuert im Gespräch mit t-online zwar, dass der Fall in Düren "in keinster Weise die Listenaufstellung gefährdet". Die Probleme seien gelöst worden. Und die Verträge für eine Halle würden gerade geschlossen. "Die Aufstellungsversammlung wird definitiv Mitte bis Ende Dezember stattfinden." Außerdem seien in der Hälfte der 64 Kreisverbände bereits die Direktkandidaten gewählt, die andere Hälfte werde bis Mitte Dezember folgen. Im Bundesvorstand aber zeigt man sich dennoch äußerst besorgt. AfD-Chefin Alice Weidel nehme das Thema "sehr ernst" und lasse sich in regelmäßigen Abständen berichten, sagte ihr Sprecher "Zeit Online". "Es war sportlich, es ist eine heftige Orga" Die AfD Bayern immerhin, als zweitgrößter Landesverband ein weiterer potenzieller Problemfall, konnte ihre neuen Termine für die Aufstellung der Landesliste gerade verkünden: An drei Wochenenden im Dezember lädt der Vorstand nun zum sogenannten Mitgliederparteitag – eine basisdemokratische Besonderheit, inzwischen auch in der AfD. Dabei sind alle Mitglieder des Verbands und nicht bloß eine vorab bestimmte Anzahl von Delegierten geladen. Die Veranstaltungen sind schwer zu planen und zu kontrollieren, wegen zu großem Andrang können sie scheitern. "Es war sportlich, es ist eine heftige Orga", sagt Bayerns Landesvorsitzender Stephan Protschka t-online. "Aber wir haben jetzt sechs Termine und Platz für 1.700 Mitglieder." Das dürfte reichen, glaubt Protschka. Falls nicht, schwebt ihm eine AfD-typische Lösung vor: "Ansonsten müsste die Presse Platz machen." Auch in Bayern sind laut Protschka zudem die Hälfte der 46 Direktkandidaten bereits von Kreisverbänden gewählt, der Rest soll bis Ende des Jahres folgen. Mit der Konkurrenz des brandneuen BSW will Protschka mit Blick auf die Organisation nicht tauschen. Er hat den Bundestagswahlkampf schon 2013, im ersten Jahr der Gründung der AfD, mitgemacht. Heute sei es trotz enormen Stresses "sehr viel angenehmer", findet er. "Es gibt den einen oder anderen Zwist, aber wir haben Strukturen, Kreisverbände, Ansprechpartner."