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Октябрь
2024

Rafael Nadal: Ein Mann, ein Denkmal

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Allein 14 Grand-Slam-Titel in Paris – wer soll da jemals herankommen? Zum Abschied von Rafael Nadal, einem der besten und nettesten Spieler, die das Tennis erlebt hat.

Zuletzt war er kaum noch wiederzuerkennen. Wie er auf dem Platz stand, mit diesen zwei tiefen Falten auf der Stirn, die sich mit jedem Ball, den er verschlug, ein bisschen mehr zusammenzogen. Sie entspannten sich höchstens, wenn er auf die Tribüne blickte, zu seiner Frau und seinem Sohn, einem süßen Fratz mit großen braunen Augen, der immer ein Tennisschlägerchen mit sich herumträgt und klatscht, wenn Papa zu ihm guckt. 

Rafael junior ist die Miniausgabe seines Vaters und dessen ganzes Glück, das sieht man, wenn Rafael senior ihn nach seinen Spielen hochhebt und strahlt, als habe er zum 15. Mal die French Open gewonnen. Vielleicht lag es an dem Kleinen, dass Rafael Nadal sein Karriereende so lange hinausgezögert hat, wollte er, dass der Junior ihn noch eine Weile dort erlebt, wo er mehr als zwei Jahrzehnte lang einer der Größten war – und oft auch der Größte: Rafael Nadal führte 209 Wochen lang die Weltrangliste an, er gewann 22 Grand-Slam-Titel, olympisches Gold, den Davis Cup und mehr als 120 Millionen Euro Preisgeld. 

Süßer Fratz: Nadals Sohn Rafael junior und seine Frau Xisca im Juli bei den Olympischen Spielen in Paris auf der Tribüne. Rechts Nadals Mutter Ana Maria.
© IMAGO/ABACAPRESS

Doch bei seinen letzten Spielen tat es fast ein bisschen weh, ihm zuzusehen, weil sein von Verletzungen geplagter Körper nicht mehr wollte – und es ja immer auch etwas Tragisches hat, wenn Ausnahmesportler den Absprung nicht schaffen. "Ich habe in den vergangenen zwei Jahren viel gelitten", sagte Nadal kürzlich, jetzt zieht er den Schlussstrich: "Ich bin hier, um euch wissen zu lassen, dass ich vom professionellen Tennis zurücktreten werde", sagte er in einem Video. Einmal tritt er noch an, für Spanien bei der Davis-Cup-Finalrunde im November in Malaga – Ehrensache, sich zuhause von den Spaniern zu verabschieden.

Rafael Nadal – als Logo die Hörner eines Stiers

Rafael Nadal hat sich selbst ein Denkmal gesetzt. Seine 14 Grand-Slam-Siege in Paris, auf seinem geliebten Sand, wird so schnell niemand einholen – geschweige denn überholen. Seine Duelle mit Roger Federer prägten den Tennissport, auf dem Platz und darüber hinaus. Nadal und Federer lieferten sich Matches, die intensiver und praller waren, als man sie je gesehen hatte – wie das Wimbledon-Finale 2008, als Nadal im fünften Satz gegen Federer gewann, legendär mit 9:7. Nike, viele Jahre Sponsor von beiden Spielern, zelebrierte deren Rivalität mit Kollektionen, die bei Federer sein elegantes RF-Logo zierte, während Nadal im Gegenentwurf als Logo die Hörner eines Stiers verpasst bekam. Auch wenn das Stier-Gehabe gar nicht zu ihm passte, wenn er abseits des Platzes auftrat.

Der König von Paris: Im Juni 2022 gewinnt Rafael Nadal zum 14. Mal die French Open – was für ein Rekord! Auf Rang zwei der Bestenliste dort: Björn Borg mit sechs Titeln.
© IMAGO/USA TODAY Network

Er hat ja diese nette, bodenständige Art, für die man ihn mögen musste. Besonders in New York, wo er bei den US Open immer wieder Amerikanern begegnete, die ihm auf ihrer Suche nach Rekorden und Großartigkeiten einreden wollen, dass er der Größte aller Zeiten sei. Nach seinen Spielen auf dem Centre Court klang das so: "Rafa, du hast heute vor 23.000 Zuschauern gespielt, die alle für dich waren. Millionen Menschen auf der Welt lieben dich. Was macht dich so besonders?" Nadal guckte dann, als solle er die Relativitätstheorie erklären. Er überlegte, dann sagte er: "Ich bin vermutlich nicht der Richtige, um diese Frage zu beantworten." Grinsen. "Ich kann nur sagen, ich versuche, fair zu sein, freundlich. Korrekt mit jedem umzugehen. Ich benehme mich wie ein normaler Mensch."

Nadal

Aber natürlich spielte er nicht wie ein normaler Mensch. Mit seiner irren Topspin-Vorhand, seiner wahnsinnigen Kraft und seinem überdimensionalen Kampfgeist. Bei ihm schossen die Bälle wie Ausrufezeichen über das Netz: Aufgepasst, mein Freund! "Rafa ist der ultimative Gegner, die größte Herausforderung, die du in unserem Sport haben kannst", sagte Novak Djokovic 2013 mit einem Respekt, als spreche er schon von Nadals Lebenswerk. Da hatte Nadal gerade zum zweiten Mal die US Open gewonnen. Vor den Augen der spanischen Königin Sofia, die seinetwegen extra eingeflogen war. Er hüpfte zu seiner Loge und dann zu seiner Königin, die ihm ehrenvoll die Hand reichte. Es war rührend, ihm in seiner Freude zuzusehen. 

Mit voller Wucht: Rafael Nadal 2013 bei den US Open, die er im Finale gegen Novak Djokovic für sich entscheidet – sein zweiter Grand Slam Titel in New York.

Die Saison war eine seiner emotionalsten: Nadal hatte wegen einer Knieverletzung fast sieben Monate pausieren müssen und war erst im Februar auf die Tour zurückgekehrt. Dann spielte er 13 Turniere, stand zwölfmal im Finale und gewann zehn Titel, einen davon bei den French Open. Und nun siegte Nadal auch noch in New York. Was für ein Comeback! Nicht, dass er deswegen durchgedreht wäre, er sagte einfach, er habe sich verbessert, "imprrrrrroved", wie das in seinem drolligen Englisch klang. Doch mit den Jahren verbesserte sich auch das und er brauchte für das Wort nur noch drei "r".  Was niemals aufhörte: Dass Nadal sich dauernd während des Spiels an seinen Shorts herumruckelte. Im Gesäßbereich. 

Federer und Nadal – aus Rivalen wurden Freunde

Roger Federer hätte sich eine solche Marotte nicht gegönnt. Dass diese beiden verschiedenen Typen trotz ihrer Rivalität zu Freunden wurden, ist eine der schönsten Geschichten, die das Tennis je erzählt hat. Er glaube, sagt Roger Federer erst kürzlich, dass es "heute unter den Jüngeren viel mehr Respekt füreinander gibt, durch mich und Rafa". 

Gemeinsame Tränen sind geteilte Tränen: Roger Federer und Rafael Nadal nach Federers letztem Spiel 2022 beim Laver Cup in London
© IMAGO/PanoramiC

Wie die beiden nach Federers letztem Spiel, ihrem Doppel beim Laver Cup 2022 in London, auf der Bank saßen, beide schluchzend und die Hand des einen auf der Hand des anderen – das war episch. Nadal wird damals geahnt haben, dass es mit ihm und dem Profisport auch nicht mehr lange gut geht. Aber sein Sohn wurde damals gerade geboren, er bekam eine neue Perspektive. "Alles überrascht dich, weil alles neu ist. Besonders beim ersten Kind ist alles zu 100 Prozent neu für meine Frau und für mich", sagte er. 

In seinem Abschiedsvideo dankte er Xisca Perelló, seiner Frau, "für alles. Wir sind seit 19 Jahren zusammen, sie war meine perfekte Reisebegleiterin". Es ist Zeit, mit ihr und Rafael junior zur Ruhe zu kommen. Zuhause.