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Октябрь
2024

Judentum ist nicht Israel - aber Annalena Baerbock eine Antisemitin

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Die Meisterin der Krokodilstränen hat wieder einmal zugeschlagen. Außenministerin Annalena Baerbock lässt die Welt ihre Betroffenheit genießen, und wer auch immer diesen Tweet in Wirklichkeit verfasst hat, hat jedenfalls den Tonfall bestens eingeübt:

Wem da nicht die Tränen der Rührung in den Augen stehen. Ein Welpe in Wortform. Nein, ein ganzer Welpenwurf. Der zwei Dinge vermitteln soll. Zum einen, es gibt ganz viel schrecklichen Antisemitismus in Deutschland. Und zum anderen, Annalena Baerbock ist natürlich eine von den Guten, und schon allein deshalb ganz doll gegen Antisemitismus.

Beides ist gelogen.

Es gibt in Deutschland keine schlimmere Antisemitin als Annalena Baerbock. Warum? Sie ist die deutsche Außenministerin. Sie erklärt tagein, tagaus, wie sehr sie an der Seite Israels stünde, wegen der deutschen historischen Verantwortung, während der Völkermord in Gaza weitergeht und die ganze Welt dabei zusieht.

Allein die Begründung, warum man diesen Völkermord geschehen lässt und sogar seine Ausweitung auf den Libanon stillschweigend akzeptiert, ist in sich antisemitisch. Denn sie lässt sich umkehren, und dann wird daraus die Behauptung, alle Juden seien wie der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Was charakterisiert denn Rassismus? Ich denke dann rassistisch, wenn ich davon ausgehe, dass ein Mensch sich aufgrund seiner Abstammung auf eine bestimmte Weise verhält. Ich tue es dann – und nur dann – nicht, wenn ich jedem Menschen, gleich woher er kommt, gleich, wer er ist, das volle Spektrum menschlicher Handlungsmöglichkeiten zugestehe. Netanjahu beispielsweise ist ein genozidales Arschloch. Das steht allerdings mit seiner jüdischen Abstammung in keinem kausalen Zusammenhang. Netanjahu steht ebenso wenig für "den Juden", wie ein gewisser Adolf Hitler für "den Deutschen" stand. Und dies auch ungeachtet der Tatsache, dass beide in ihren jeweiligen Ländern für ihre Politik zeitweilig sogar Mehrheiten fanden.

Auch wenn AIPAC (zionistische Lobbyorganisation) die US-Politik massiv beeinflusst, ein Drittel der jüdischen US-Bürger verurteilt die israelische Politik. Mit ihnen geschieht nur das Gleiche, wie es auch mit der jüdischen Friedensbewegung in Deutschland geschah – sie wurde spätestens seit 2010 gezielt aus dem öffentlichen Raum herausgedrängt. Das konnte ich in München gut beobachten. Sowohl die Kampagne BDS (Boykott, Divestment, Sanctions), die darauf abzielt, mit Israel so zu verfahren wie mit Apartheid-Südafrika, als auch Friedensinitiativen wie Salaam-Shalom, eine jüdisch-palästinensische Gruppe, wurden schlicht für antisemitisch erklärt, in enger Kooperation zionistischer Vertreter mit den Antideutschen. Was hieß, Veranstaltungen wurden fast unmöglich. Städtische Räume durften nicht mehr an sie vermietet werden, und bei privaten Räumen rief mit Sicherheit jemand an und teilte mit, das sei eine antisemitische Veranstaltung, da sei es doch besser, sie nicht...

Wenn heute, seit einem Jahr, dieser Genozid in Gaza geschieht, dann ist das auch deshalb möglich, weil in Deutschland konsequent jede reale Information über die Verhältnisse in Israel, in Gaza und im Westjordanland unterdrückt worden ist. Und interessanterweise sind diejenigen, die am stärksten angegriffen wurden, nicht einmal die Palästinenser. Es sind die antizionistischen Juden. Denen nicht nur von der zionistischen Regierung das Recht abgesprochen wird, Juden zu sein, sondern auch von der deutschen. Die Formulierung vom "selbsthassenden Juden" hat da ganze Arbeit geleistet.

Was würde Lion Feuchtwanger zu Netanjahu sagen? Oder Heinrich Heine? Karl Marx? In den deutschen Medien werden nicht einmal die Bilder orthodoxer Juden gezeigt, die mit palästinensischer Fahne und Kuffijah in Israel gegen den Krieg protestieren – und regelmäßig von der israelischen Polizei niedergeknüppelt werden. Wie viele der freiwilligen Ärzte, die bewusst in Krankenhäuser in Gaza gehen, um mitten im israelischen Bombenhagel medizinische Hilfe zu leisten, sind jüdische Amerikaner?

Die Haltung, israelische Politik mit Judentum gleichzusetzen, und dann einen realistischen Blick auf die Verbrechen der Besatzung mit Verweis auf den Holocaust zu verhindern, war schon immer mindestens die Billigung eines Verbrechens. Aber im Verlauf des letzten Jahres hat dieses Verbrechen eine ganz andere Dimension angenommen. Eine derart gewaltige, dass die Grenze, bis zu der die Existenz eines Staates Israel in der Region dauerhaft toleriert werden kann, vermutlich schon längst überschritten ist. Man konnte spüren, wie diese Schwelle näher rückte, mit jeder neuen Zusicherung aus den USA wie aus Deutschland (immerhin der zweitgrößte Waffenlieferant), bedingungslos an der Seite Israels zu stehen, mit jeder Bombenlieferung, jeder zerstörten Schule.

Sicher, von Baerbock kann man nicht erwarten, geopolitische Zusammenhänge zu verstehen. Dass dieser aggressive Staat aus Sicht der Briten und dann der USA immer den Zweck erfüllte, die ganze Region an der Entwicklung zu hindern. Dass er sich im Innern ökonomisch immer abhängiger von der Rüstungsindustrie machte, sodass Frieden und Bankrott langsam zum Synonym wurden. Dass der gesamte Westen so lange bei jedem Verbrechen schweigend zusah, dass längst jeder Maßstab verloren gegangen ist. Dass die bedingungslose Unterstützung, die der heutigen israelischen Politik gewährt wird, auch auf der kolonialistischen Sicht beruht, die nie ohne den rassistischen Kern auskommt, und nach der Israel zum "Westen" gehört, alle anderen drumherum aber zu den Kolonisierten. Manchmal hat man den Eindruck, die große Sympathie für Netanjahu und seinen Mordfeldzug beruhe darauf, dass sie alle, eben auch Frau Baerbock, ihre eigenen wahnwitzigen Vorstellungen von Überlegenheit in dieser Politik verkörpert sehen, ihre eigenen finsteren Wünsche.

Selbst wenn die Geopolitik den Horizont von Baerbock übersteigt, die Grundsätze der Menschlichkeit kann man selbst Fünfjährigen erklären. Dass jeder Mensch das volle Potenzial in sich trägt, vom Mörder bis zum Heiligen, und keiner mehr oder weniger wert ist als der andere. Dass man nur den Respekt erwarten kann, den man selbst anderen entgegenzubringen bereit ist.

In jeder Gesellschaft, an jedem Ort gibt es noch in den finstersten Perioden Menschen, die den Mut, das Gewissen und die Standhaftigkeit besitzen, diese Menschlichkeit einzufordern. Die deutsche Politik hat gerade diese Menschen in Israel im Stich gelassen und sie in Deutschland zum Schweigen gebracht.

Es gibt mehr als einen Grund, warum die Auseinandersetzung mit dem Nazismus so gern auf den Holocaust reduziert wird (unter anderem, weil man dann den Antikommunismus weiter pflegen kann), und dann ausgerechnet die Unterstützung Israels zur Absolution erhoben wird. Beispielsweise, weil eine vollständige Wahrnehmung selbst der rassistischen Politik der Nazis es unmöglich machen müsste, heute derart gegen Russland zu hetzen. Und natürlich, weil auf diese Weise, eben mit Hilfe des israelischen Projekts, all die vielen Nazis, die im bundesdeutschen Staatsapparat saßen, erklären konnten, sie seien doch gar keine mehr. Indem man den Antisemitismus zum Hauptmerkmal der Nazis machte, wurde die falsche Umkehrung ermöglicht, dass jemand, der kein (praktizierender) Antisemit sei, auch kein Nazi sein könne.

Das ist genau der Punkt, an dem die Unterstützung Israels tatsächlich (west-)deutsche Staatsräson war und ist. Und warum ausgerechnet in Deutschland die Gleichsetzung von Israel und Judentum mit derartiger Vehemenz betrieben wird.

Wollte Baerbock wirklich etwas gegen Antisemitismus unternehmen, müsste sie diese Gleichsetzung aufheben. Denn heute, nach einem Jahr Genozid, ist das die Gleichsetzung des Judentums mit einem Verbrechen. Das ist wirklich antisemitisch. Und wenn sie heute, während die Welt erschüttert auf die Opfer des israelischen Bombenhagels blickt, einen Anschlag auf eine Synagoge vor fünf Jahren für das bedeutendere Thema hält, und so tut, als sei sonst nichts passiert (was auch die Illumination des Brandenburger Tors mit der israelischen Fahne vor wenigen Tagen vortäuschte, wo doch eine palästinensische oder eine libanesische derzeit angebrachter wären), gelingt es ihr, gleichzeitig gegen Antisemitismus zu reden und ihn zu fördern.

Denn das, was in Gaza, im Libanon und an all den anderen Orten geschieht, die zum Ziel israelischer Aggression werden, erzeugt zu Recht Zorn, wenn nicht gar Hass. In diesem Moment wäre es die Aufgabe der deutschen Außenpolitik, diese verbrecherische Politik nicht weiter zu stützen. Es soll da diese Klage beim Internationalen Gerichtshof geben... Und wenn man einen Beitrag dazu leisten will, dass der Zorn über diese Aggression sich gegen die Anhänger der zionistischen Ideologie richtet (zu denen übrigens Antideutsche ebenfalls gehören) und nicht gegen Juden, dann sollte man endlich aufhören, den jüdischen Antizionismus in Deutschland zu unterdrücken.

Auch wenn die Grundprinzipien der Menschlichkeit schon für Fünfjährige zu erfassen sind, nach ihnen zu leben bedarf einer stetigen Anstrengung, die der Zorn über das Unrecht nicht erleichtert. Wenn man denn moralisch erziehen will, dann kann nur das der Kern sein. Und eine der Lektionen aus der deutschen Geschichte lautet auch, wie wichtig es war, dass die anderen, insbesondere die Rote Armee, eben nicht Hitler in allen Deutschen sahen. Wie wichtig es war, dass die anderen Stimmen, die deutschen Antifaschisten, so wenige es auch waren, gehört wurden. Dass nicht Gleiches mit Gleichem vergolten wurde.

Daraus müsste eigentlich die Verpflichtung erwachsen, anderen, die sich in ähnlicher Lage gegen die Finsternis wenden, die ihr Land beherrscht, Gehör zu schenken. Wenn man den Menschen in Israel Gutes will, muss man der israelischen Aggression entgegentreten. Und wenn man Antisemitismus bekämpfen will, darf man das Judentum nicht mit Israel gleichsetzen.

Baerbock macht in beiden Fällen das Gegenteil. Das aber mit sehr lauter Stimme. Wie gesagt, es gibt keine schlimmere Antisemitin in Deutschland.

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