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Brodskys beste Quadratmeter

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Die Flughafen-Anzeigetafel vor dem Eingang zur Ausstellung „Ein Ort, so gut wie jeder anderer“ (Fotos: Alexej Karelski)

Ein unauffälliges Exponat

Es ist sehr leicht, am ersten Exponat der Ausstellung vorbeizugehen, ohne es zu bemerken. Im Foyer des Museums, in dem riesigen Raum zwischen Kasse, Museumsshop und Museumscafé, fällt ein weißer Kubus knapp über Augen­höhe mit zwei Schlitzen in der Wand überhaupt nicht auf. Drinnen ist ein Miniaturmodell von Brodskys berühmten „anderthalb Zimmern“ in seiner Leningrader Gemeinschaftswohnung, aus der er am 4. Juni 1972 in die Zwangsemigration ging. An diesem Tag fotografierte Brodskys Freund Michail Milchik den Dichter und das Interieur der „anderthalb Zimmer“. Auf dem Kubus sind Brodskys Worte zu lesen: „Diese zehn Quadratmeter gehörten mir, und es waren die besten zehn Quadratmeter, die ich je gekannt habe.“

7 Kilogramm Übergewicht

Der erste Punkt auf der Koordinatenlinie (die Ausstellung ist nach dem Prinzip eines langen Korridors in einer Gemeinschaftswohnung aufgebaut) ist der Flughafen. Es gibt ein sehr helles Licht, einen Schalter, eine Anzeigetafel mit Daten und Städten, die Brodsky besucht hat, ein Flugticket für einen Aeroflot-Flug von Leningrad nach Budapest und weiter nach Wien, einen Gepäckschein mit einem Vermerk für 7 Kilogramm Übergewicht. Natürlich ist auch ein brauner Lederkoffer zu sehen. Es ist jedoch nicht derselbe, auf dem Brodsky auf dem berühmten Foto sitzt, das Michail Milchik am Tag der Abreise des Dichters aufgenommen hat.

Das Zentrum jedes Zimmers ist ein Schreibtisch.

Fotos, Postkarten und Gedichte

Des Weiteren ist die Ausstellung als eine Abfolge von Zimmern organisiert, die Orte im Ausland darstellen, die Brodsky zu verschiedenen Zeiten als sein Zuhause bezeichnete. Es gibt vier solcher Zimmer – England, Amerika, Schweden und Venedig. In jedem Zimmer steht ein Schreibtisch mit den Gegenständen und Fotografien, die dem Dichter lieb waren und ihn überallhin begleiteten. Ein Foto seines Sohnes Andrej, seiner Eltern, Anna Achmatowa, eine Puschkin-Büste, ein kleines Boot – eine Dschunke, die sein Vater aus China mitgebracht hatte –, eine Gondel.

In jedem Zimmer findet sich eine Vielzahl von Postkarten, die Brodsky wie besessen sammelte und in allen Ländern kaufte. Brodskys Gedichte in seinem unnachahmlichen, andächtigen Stil sind überall zu hören. In den Gängen von Raum zu Raum sind multimediale Arbeiten zu sehen: Zwischen „Flughafen“ und „England“ ist zum Beispiel ein Video mit Landschaften des Dorfes Norinskaja in der Region Archangelsk zu sehen, wohin der Schriftsteller wegen  sogenanntem Schmarotzertum verbannt wurde.

Joseph Brodsky mit seinem geliebten Kater Mississippi und seiner geliebten Frau Maria Sozzani

Das Zimmer „Amerika“ widmet sich den 16 Jahren, die der Dichter in New York lebte; dort verstarb er auch. Zimmer „Schweden“: Im Land des Triumphs Brodkys wurde dem Dichter 1987 in Stockholm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Hier heiratete er Maria Sozzani, eine Italienerin mit russischen Wurzeln. Die Szenen von Viscontis Film „Der Tod in Venedig“ führen in das Zimmer mit Gemälden von Francesco Guardi und Claude Lorrain. In einem Fenster ist die Silhouette der Insel San Michele zu sehen, auf der Brodsky am 21. Juni 1997 von seiner Witwe im protestantischen Teil des Friedhofs beigesetzt wurde.

Ein Gemälde mit einer Ansicht von Venedig von Francesco Tironi vor dem Eingang zum letzten Ausstellungsraum

Alexej Karelski

Запись Brodskys beste Quadratmeter впервые появилась Moskauer Deutsche Zeitung.