Transfer-Bilanz der letzten Dekade: Real nicht mal unter den „Flop-25“
Unterschiedliche Spar-Gründe: Transfer-Minus bei Real und LaLiga
Seit einer Woche ist es zu, das jährliche Sommer-Transferfenster (zumindest in den Top-Ligen). Diesmal ohne „Tic Tac“, und bei Real Madrid mal wieder ohne viel Bewegung. Dafür mit weiter gesunden Zahlen, so wurde trotz der geknackten Milliarden-Grenze beim Umsatz auf dem Transfermarkt nur für Endrick Geld in die Hand genommen, was das leichte Transfer-Minus von -17 Millionen Euro erklärt.
Real Madrid kann sich den vermeintlichen Sparkurs aufgrund des sportlichen Erfolgs der jungen Mannschaft leisten, in LaLiga gibt es dagegen andere Gründe für die überschaubaren Zahlen. So hat LaLiga die Transferperiode mit einem verhältnismäßig kleinen Minus von etwa sechs Millionen Euro, nach Verrechnung von Ausgaben und Einnahmen, abgeschlossen. Im Vergleich dazu thront die Premier League mit einem 120-fach höheren Saldo von rund -720 Millionen Euro, wie schon in den vergangenen 14 Jahren, an der Defizit-Spitze. Betrachtet man die letzten zehn Jahre kommt Englands höchste Spielklasse sogar auf die unglaubliche Summe von -10,6 Milliarden Euro, gefolgt von der Saudi Pro League, deren Vereine eine Bilanz von schlappen -1,7 Milliarden Euro aufweisen. Knapp dahinter befinden sich die Serie A und die Chinese Super League mit einem ähnlich hohen Verlust. Etwas abgeschlagen, mit einem Defizit von 610 Millionen Euro, landet LaLiga auf dem fünften Rang.
„Schuldenverein“ und vergangene Königstransfers
Im Volksmund noch oft zu unrecht als „Schuldenverein“ abgestempelt – zumindest im deutschsprachigen Raum –, hat Real Madrid nicht nur seit 2009 kontinuierlich die Nettoschuldenfreiheit quasi erreicht, sondern auch seine Strategie auf dem Transfermarkt längst geändert. Während der Fokus zu Beginn des Jahrtausends noch deutlich auf teuren Königstransfers lag, setzt man seit einigen Jahren verstärkt auf die Entwicklung talentierter Spieler. Paradebeispiele wie Vinícius Júnior oder Rodrygo Goes kommen schnell in den Kopf, aber auch Leistungsträger wie Federico Valverde, Andriy Lunin oder Éder Militão wurden mehr oder weniger unbekannt verpflichtet und geduldig aufgebaut. Auch wenn Fehltransfers bei dieser Strategie nicht ausgeschlossen sind, wie bei Reinier Jesus oder Álvaro Odriozola klar wurde.
Diese nachhaltige, der Konkurrenz durch Milliardäre-geführte Klubs angepassten Vereinspolitik spiegelt sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch in Zahlen wider. Unterm Strich verzeichnen die Buchhalter der Königlichen seit der Saison 2015/16 ein Transferminus in Höhe von -218 Millionen Euro. Wer glaubt, dass man damit im internationalen Vergleich einen der vorderen Plätze belegt, hat weit gefehlt, denn der 15-fache Champions-League-Sieger liegt gerade einmal auf dem 27. Platz der am „schlechtesten“ wirtschaftenden Klubs! Und somit hinter Mannschaften wie Nottingham Forest oder Al-Ahli SFC. Der Erzrivale aus Barcelona verzeichnete im gleichen Zeitraum übrigens, trotz Neymars Rekordverkauf, ein fast doppelt so hohes Transfersaldo von -405 Millionen Euro. Selbst der FC Bayern schließt mit -380 Millionen auf Platz 16 schlechter ab als die Blancos. Bei so vielen roten Zahlen können Investoren aus England mit ihren Bilanzen nur müde schmunzeln.
26 Klubs wirtschaften (deutlich) schlechter als Real
Denn beim Blick auf die einzelnen Vereine bewegen sich englische Top-Klubs wie der FC Chelsea, FC Arsenal und Manchester City sowie Paris Saint-Germain wenig überraschend nahe der Milliarden-Marke, doch über allen anderen Mannschaften steht Manchester United mit einem irrsinnigen Verlust von -1,2 Milliarden Euro. Und das „nur“ innerhalb zehn Jahren! Nicht selten kaufen die meist Investor geführten englischen Vereine Spieler deutlich über ihrem Marktwert ein, dafür gilt beim Verkauf meist die Regel „Hauptsache weg“, was die enormen Verluste erklärt.
Im Vergleich dazu wechselten in den vergangenen zehn Jahren lediglich vier Spieler für mehr als 50 Millionen Euro an die Concha Espina, worunter Eden Hazard und Jude Bellingham mit Ablösesummen jenseits der 100-Millionen-Euro-Marke am kostspieligsten waren. Auf der anderen Seite sicherte sich Real Madrid neben Kylian Mbappé auch die Dienste von Top-Stars wie David Alaba oder Antonio Rüdiger zum Null-Tarif – Handgelder und Provisionen werden wie bei allen anderen Transfers auch nicht berücksichtigt. Auch durch den Verkauf einiger Akteure konnten hohe Erlöse generiert werden, so wechselte beispielsweise ein damals 33-jähriger Cristiano Ronaldo für 117 Millionen Euro zu Juventus nach Turin. Auch Casemiro und Álvaro Morata bescherten den Königlichen einen Geldsegen.
Talente und Titel
Bei all den (aus Real-Sicht wirtschaftlich positiven) Zahlen muss erwähnt werden, dass speziell Madrids Bilanz in Wahrheit noch etwas positiver sein dürfte, denn nicht alle Transfers aus der Castilla werden bei Transfermarkt mit eingerechnet. So wurden allein in diesem Sommer (Ex-)Canteranos für mindestens 30 Millionen Euro verkauft – Transfermarkt führt da aber nicht jeden auf, weil die Spieler offiziell eben eher zur zweiten und nicht zur ersten Mannschaft gehören. Dazu kommt die prozentuale Beteiligung von ehemaligen Eigengewächsen, wenn diese den Verein wechseln, wie beispielsweise Morata.
So brachten nicht nur die Profis der ersten Mannschaft Real Madrid in den letzten Jahren ordentlich Einnahmen, auch die Castilla weist eine positive Transferbilanz von etwa 32 Millionen Euro in der letzten Dekade auf, knapp 30 Millionen Euro mehr als Barças Reserve. Und obwohl man bei den Blancos in Anbetracht der weltweiten Corona-Krise und dem Umbau des Estadio Santiago Bernabéu bescheidener auf dem Transfermarkt aufgetreten ist, spricht der sportliche Erfolg für sich. So gewann man in den abgelaufenen zehn Saisons 22 Titel, darunter fünfmal die Champions League. Im gleichen Zeitraum konnten der FC Liverpool, FC Chelsea und Manchester City den Wettbewerb jeweils einmal für sich entscheiden. Spitzenreiter der Transferbilanz ist übrigens Benfica aus Lissabon mit einem unglaublichen Plus von 730 Millionen Euro auf der Einnahmenseite und einer Differenz von beinahe zwei Milliarden Euro zu Manchester United. Es lässt sich also festhalten, dass Geld wohl nicht zwangsläufig Tore schießt. Geschweigedenn (große) Titel holt.
Stattdessen scheint Real Madrid die ideale Balance gefunden zu haben: Investieren ja, aber nicht immer, sondern dank einer Langzeitstrategie und einem glücklichen Händchen beim Scouting hier und da ehemalige Leistungsträger ersetzen und verkaufen können. Während Florentino Pérez und Co. regelmäßig Umsatzrekorde einfahren, sammelt die Mannschaft Titel – und das deutlich mehr als die teilweise aggressiv einkaufende Konkurrenz, sei es aus England oder Spanien. Ob das auch für diese Saison gilt, bleibt abzuwarten, an der Bilanz der letzten zehn Jahre mit dem 27. Platz der „am schlechtesten“ wirtschaftenden Klubs wird sich aber vorerst wenig ändern.
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