Attacke in München: Ermittler gehen von versuchtem Terroranschlag aus
In der Nähe des NS-Dokumentationszentrums und des israelischen Konsulats in der Münchener Innenstadt fallen Schüsse. Ein Mann ist tot. Die Hintergründe des Vorfalls sind unklar.
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In der Münchner Innenstadt hat die Polizei am Donnerstagvormittag einen Mann erschossen. Der Vorfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe des israelischen Generalkonsulats und des NS-Dokumentationszentrums. Nach derzeitigen Erkenntnissen gehen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag durch den Getöteten aus. Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München sprechen von einem "Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel".
Nach ersten Erkenntnissen war der Mann gegen 9 Uhr mit einem Repetiergewehr unterwegs. "Er hat gezielt auf die Polizisten geschossen, die haben das Feuer erwidert", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Der CSU-Politiker sprach später von einem möglicherweise geplanten "Anschlag". Gegen 9.12 Uhr sei der 18-Jährige getroffen worden und noch am Einsatzort gestorben, sagte der Münchner Polizeipräsident Thomas Hampel. Weitere Verletzte habe es nicht gegeben.
Die Polizei zog im Bereich Bereich Briennerstraße/Karolinenplatz ein Großaufgebot zusammen und sperrte die Umgebung weiträumig ab, der öffentliche Personennahverkehr war beeinträchtigt. Im gesamten Stadtgebiet wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Am Nachmittag sprach Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von einem "glimpflichen Ausgang" und betonte: "Jüdische Einrichtungen werden in Bayern ganz besonders geschützt."
Sicherheitsbehörden als Islamist aufgefallen
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" und des österreichischen "Standard" soll der mutmaßliche Schütze 18 Jahre alt gewesen sein und im Salzburger Land gewohnt haben (mehr zu dem Erschossenen lesen Sie hier). Laut einem Medienbericht soll er voriges Jahr wegen mutmaßlicher Nähe zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Österreich angezeigt worden. Wie die österreichische Presseagentur APA berichtet, wurde er bei der Staatsanwaltschaft Salzburg angezeigt.
Das Verfahren wegen einer möglichen IS-Mitgliedschaft sei aber eingestellt worden, hieß es. Die Salzburger Polizei, die Staatsanwaltschaft Salzburg und das Innenministerium in Wien bestätigten der Deutschen Presse-Agentur diese Angaben zunächst nicht.
Polizei appelliert an Bevölkerung
In den sozialen Medien kursierten etliche Videos des Vorfalls, auf denen unter anderem Schüsse zu hören sind. Eine Aufnahme zeigt einen Mann in weinroter Hose und schwarzem Oberteil mit vorgehaltenem Gewehr neben dem Generalkonsulat. Das Verifikationsteam von stern und RTL hat die Echtheit des Videos überprüft. Die Polizei appellierte, keine Spekulationen oder Falschmeldungen zu verbreiten. Für Bilder und Videos von Zeugen wurde ein Upload-Portal eingerichtet.
Weitere Verletzte gab es durch den Schusswaffeneinsatz nicht. "Aktuell gibt es keine Hinweise auf weitere verdächtige Personen, die im Zusammenhang mit dem Einsatz stehen", hieß es. "Es werden Spuren gesichert, Zeugen vernommen und weitere kriminalpolizeiliche Maßnahmen durchgeführt." Auch ein Auto, das mutmaßlich von dem Erschossenen gefahren wurde, wurde überprüft.
Am Mittag gab die Polizei endgültig Entwarnung: "Es besteht keine Gefahr mehr für die Bevölkerung." Zuvor sollen sich Menschen in der Umgebung des Einsatzortes versteckt oder barrikadiert haben, um sich zu schützen.
FS Angriff München NS-Dokumentationszentrum 13:08
In der Vertretung Israels hatte zum Zeitpunkt der Schüsse eine Gedenkfeier zum Olympia-Attentat 1972 stattgefunden. Am 5. September wurden damals in München elf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft von palästinensischen Terroristen ermordet oder beim Befreiungsversuch durch die Polizei getötet. Fünf der Terroristen starben, ebenso ein Beamter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen.
Das NS-Dokumentationszentrum in München ist als zeitgeschichtlicher Erinnerungsort gedacht und wurde 2015 eröffnet. Die grausame Geschichte des Nationalsozialismus soll dort fassbar dargestellt werden. Verantwortlich zeichnen die Stadt München, der Freistaat Bayern und auch der Bund.
"Unsicherheitsgefühl wird sich verfestigen"
Olaf Scholz (SPD) dankte der Polizei für ihr schnelles Eingreifen. "Die schnelle Reaktion der Einsatzkräfte in München hat heute womöglich Grausames verhindert", schrieb Scholz am Donnerstag im Internetdienst X. "Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz", erklärte der Kanzler weiter.
Die jüdische Gemeinde äußerte sich schockiert. "Auch uns erreichen die Nachrichten aus München", schrieb der Zentralrat der Juden bei X (vormals Twitter). "Uns stockt der Atem. Bleiben Sie bitte sicher!"
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sagte: "Das Unsicherheitsgefühl nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft wird sich nach diesem Vorfall noch einmal verfestigen. Der Auftrag für die politisch Verantwortlichen ist deshalb sehr klar: Gewalttätiger Extremismus muss wieder aus dem öffentlichen Raum zurückgedrängt werden, alles andere wäre das Ende unserer offenen Gesellschaft."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, es handele sich um "einen schwerwiegenden Vorfall". Man sei mit den Einsatzkräften in Kontakt, wolle aber nicht spekulieren. "Der Schutz israelischer Einrichtungen hat oberste Priorität."
Österreich erhöhte danach seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen. Die Staatsschutzbehörde DSN habe deswegen bereits mit der israelischen Botschaft und der israelischen Kultusgemeinde Kontakt aufgenommen, sagte Innenminister Gerhard Karner. "Die österreichischen Sicherheitsbehörden sind in intensivem Austausch mit den deutschen Kollegen."
Quellen: Polizei München, "Der Standard", "Spiegel", Nachrichtenagenturen DPA und Reuters