Automobilindustrie: "Pfui"-Rufe für VW-Vorstand - Kommt nun die 4-Tage-Woche?
Seit Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen bei VW im Raum stehen, sind auch Beschäftigte in Sachsen in großer Sorge. In Zwickau machen sie ihrem Unmut Luft. Kann die 4-Tage-Woche helfen?
Rund 5.000 Beschäftigte haben in der Zwickauer E-Auto-Fabrik von Volkswagen lautstark gegen drohende Kündigungen und Werkschließungen protestiert. Vor der außerordentlichen Betriebsversammlung wurde Markenvorstand Thomas Schäfer mit "Buh"- und "Pfui"-Rufen empfangen und von den Mitarbeitern ausgepfiffen. "Das Vertrauen ist weg", sagte ein Beschäftigter, der nach eigenen Angaben seit 30 Jahren hier arbeitet. Doch Lösungen wurden vom Management nicht präsentiert, wie Betriebsratschef Uwe Kunstmann im Anschluss kritisierte.
Volkswagen hatte am Montag angekündigt, bei der Kernmarke kräftig sparen zu müssen. Der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen reiche nicht mehr aus, um die angepeilten Einsparziele zu erreichen. Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen bei der Kernmarke VW seien nicht länger ausgeschlossen, kündigte Europas größter Autobauer an. Die mit dem Betriebsrat geschlossene Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung werde aufgekündigt. Diese schloss betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 aus. Erstmals seit 30 Jahren könnte es bei VW nun Entlassungen geben.
VW-Beschäftigte bangen um ihre Jobs
Seither geht bei vielen Beschäftigten die Angst um - auch an den sächsischen Standorten in Zwickau, Chemnitz und Dresden mit rund 11.000 Mitarbeitern. Sie müssten die Fehler des Managements ausbaden, beklagte eine Frau, die in Zwickau mit einem großen Transparent ihrem Unmut Luft machte. "Ich war immer stolz, bei VW zu arbeiten", sagte sie. Doch nun sorgten sich viele auch in ihrem Team um den sicher geglaubten Job. Dabei hätten viele Kredite etwa für ihr Haus abzuzahlen und Kinder.
Das Zwickauer Werk ist der größte Standort von Volkswagen in Sachsen und wurde in den vergangenen Jahren mit immensen Investitionen komplett auf Elektroautos umgestellt. Bei der Elektromobilität ist es Vorreiter im Konzern und produziert auch für Audi und Cupra. Doch bleibt der Absatz hinter den Erwartungen zurück, sodass die Verträge von Hunderten befristet Beschäftigten nicht verlängert und die Nachtschicht der beiden Montagelinien gestrichen wurden.
Nach Unternehmensangaben hat Markenvorstand Schäfer bei der Betriebsversammlung den Standort Zwickau als "E-Pionier" gewürdigt. "Eines ist klar: Die Zukunft von Volkswagen ist elektrisch", sagte Schäfer. Zwickau leiste einen wichtigen Beitrag zur Neuausrichtung der Marke. Ein Fingerzeig, dass der Standort nicht zur Disposition steht? Betriebsratschef Kunstmann wiegelte ab: "Mit uns als Betriebsräte wird es nirgendwo in Deutschland Werkschließungen geben." Die Unternehmensspitze habe die Büchse der Pandora geöffnet. Dabei wisse man aus der Vergangenheit, dass Probleme nur mit der Belegschaft, nicht gegen sie gelöst werden könnten.
Kretschmer: VW ist Opfer verfehlter Wirtschaftspolitik
VW sei Opfer einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik, schrieb Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Kurznachrichtendienst X. In anderen europäischen Ländern, in denen es noch Kaufprämien für E-Autos gebe, zeige die Elektromobilität eine ganz andere Dynamik. "Die Rolle rückwärts der Bundesregierung hat Volkswagen geschadet und große Unsicherheit geschürt."
Der Bund hatte seine Kaufprämie für E-Autos Ende 2023 abrupt gestrichen. Daraufhin war die Nachfrage nach solchen Fahrzeugen eingebrochen. Zur Perspektive für den Standort Zwickau äußerte sich Kretschmer dennoch positiv: "Dieses Leitwerk der Elektromobilität wird in den kommenden Jahren noch größere Bedeutung bekommen."
Bereits im Frühjahr war bekanntgeworden, dass VW über ein Ende der Fahrzeugfertigung in der Gläsernen Manufaktur in Dresden nachdenkt. Eine Entscheidung gibt es bislang nicht. Dort wird von rund 340 Beschäftigten der ID.3 in kleinen Stückzahlen montiert.
IG Metall bringt 4-Tage-Woche ins Spiel
Die IG Metall will zügig mit VW über die neuen Sparpläne verhandeln und die im Herbst geplante Tarifrunde vorziehen. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, kann sie sich auch eine Vier-Tage-Woche für alle Beschäftigten der Kernmarke vorstellen. "Das kann mit eine der Optionen sein", sagte die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner am Rande einer tarifpolitischen Konferenz in Hannover. Wichtig sei, dass die Werkschließungen und betriebsbedingten Kündigungen, die VW nicht mehr ausschließt, vom Tisch kämen. Benner: "Das sind für uns absolut rote Linien."
Mit einer Vier-Tage-Woche hatten VW und Gewerkschaft Anfang der 1990er-Jahre, als das Unternehmen in einer tiefen Krise steckte, Massenentlassungen und den Wegfall von 30.000 Stellen verhindert.
Kretschmer auf X