ru24.pro
World News in German
Август
2024

Jens Spahn will Achtstundentag abschaffen – Verdi widerspricht deutlich

0
Unionsfraktionsvize Jens Spahn fordert flexiblere Regelungen für die tägliche Höchstarbeitszeit. Der Arbeitgeberverband gibt ihm recht, die Gewerkschaft Verdi und Unternehmer Carsten Maschmeyer halten dagegen. Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn , hat eine Abschaffung der Höchstarbeitszeit von acht Stunden gefordert. Zudem plädiert der CDU-Politiker für eine Reform des Arbeitszeitgesetzes. Das derzeitige Arbeitszeitgesetz bezeichnete Spahn im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als "aus der Zeit gefallen", Arbeitgeber und Beschäftigte würden darunter leiden. "Wir brauchen moderne Regeln, die den Schutz für Arbeitnehmer mit hoher Flexibilität verbinden", forderte Spahn. "Beschäftigte können selbst am besten entscheiden, wie lange sie an einem Tag arbeiten wollen." Spahn begründete seinen Vorstoß damit, dass die Tageshöchstarbeitszeit von acht Stunden in vielen Berufen nicht praktikabel sei, "zumal in Zeiten von mehr Homeoffice". Das habe er selbst früher beim Kellnern auf Hochzeiten festgestellt, wo er "regelmäßig gegen die Tageshöchstarbeitszeit verstoßen" habe. "Mehr Freiheit würde helfen, Familienleben und Berufsalltag besser zusammenzubringen", so der ehemalige Gesundheitsminister. Arbeitgeberpräsident fordert Wochenhöchstarbeitszeit Bei Arbeitgebern, Unternehmern und Gewerkschaften stößt Spahns Vorstoß auf gemischte Reaktionen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger befürwortete auf Anfrage von t-online den Vorschlag. "Eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten passt in unsere digitale Welt", so Dulger. Viele Arbeitnehmer würden sich mehr Freiheit wünschen. Das derzeitige Gesetz hält der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wie auch Spahn für aus der Zeit gefallen: "Die starren Regeln stammen aus dem Zeitalter der Industrialisierung", so Dulger. Sie passten nicht mehr in das Zeitalter der Digitalisierung. "Wir wollen keine Erhöhung der Wochenarbeitszeit, aber wir wollen weg von dem unflexiblen Achtstundentag", forderte er. Dulger schlägt vor, stattdessen eine Wochenhöchstarbeitszeit einzuführen. Das würde es Unternehmen wie Beschäftigten ermöglichen, die Arbeitszeit an die tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen. "Flexibilität ist eine Chance für mehr Selbstbestimmung, Zufriedenheit und Produktivität", erklärte Dulger. Maschmeyer: "Die Diskussion dreht sich zu viel um die Länge der Arbeitszeit" Der Unternehmer Carsten Maschmeyer hingegen hält die Debatte für fehlgeleitet. "Die Diskussion dreht sich zu viel um die Länge der Arbeitszeit und zu wenig um das Allerwichtigste: Zielerreichung und Ergebnisse", sagte Maschmeyer t-online. Es brauche weniger "pünktlich angetretene und abgesessene Arbeitszeit, sondern mehr Kreativität, Innovationen und Ideen". Es stimme nicht, dass mehr Arbeitszeit auch mehr Produktivität bedeute: "Sonst wären wir im Jahr 1900 viel produktiver gewesen als heute." Damals arbeiteten die Menschen laut dem Unternehmer bis zu 60 Stunden pro Woche. Auch Maschmeyer glaubt, dass es "im Einzelfall" nötig sein kann, länger als acht Stunden am Tag zu arbeiten. "Aber das darf nicht der Normalfall für Arbeitnehmer werden", so der Unternehmer. Denn eine längere Arbeitszeit würde auch eine Abnahme von Konzentration und Kreativität bedeuten – und darunter leide letztlich die Leistung. Maschmeyer befürchtet, dass die "Aufhebung der täglichen Höchstarbeitszeit in erster Linie den Menschen schaden wird, die ohnehin schon überlastet sind", besonders in der Pflege und anderen Gesundheitsberufen. Eine Lösung könnte laut Maschmeyer in der Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI), in der Digitalisierung und Robotik liegen. Damit komme man zu schnelleren und besseren Ergebnisse. "KI wird unsere Produktivität enorm steigern", so Maschmeyer. Verdi hält Arbeitszeitgesetz für flexibel genug Die Gewerkschaft Verdi hingegen weist Spahns Vorstoß zurück: "Solche Forderungen ignorieren sowohl die bereits vorhandenen und vielfach genutzten Möglichkeiten zu flexiblen Gestaltungen als auch den arbeitsmedizinisch begründeten Schutzaspekt der gesetzlichen Regelungen", erklärte Gewerkschaftssekretärin Astrid Schmidt auf t-online-Anfrage. Der Schutz physischer und psychischer Gesundheit würde auch in Zeiten der Digitalisierung nicht obsolet. Schmidt hält das aktuelle Arbeitszeitgesetz an manchen Stellen sogar für recht flexibel. Sonderregelungen etwa im Krankenhaus oder Nahverkehr würden bereits jetzt Schutzstandards, wie die vorgegebene elfstündige Ruhezeit zwischen zwei Schichten, flexibel handhaben. "Sinnvoll ist, diese zulässigen Ausnahmen kritisch zu überprüfen und mit Augenmaß anzuwenden. Es hat einen Grund, dass es sich hier um Ausnahmen handelt", so Schmidt. Die Gewerkschaftssekretärin plädiert für "eine gute Arbeitszeitgestaltung, die Gestaltungsspielräume ermöglicht, die Gesundheit langfristig erhält und auch eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit ermöglicht", so Schmidt. "Gute Arbeitsbedingungen sind ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, Fach- und Arbeitskräfte zu halten." Das Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass eine werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht überschritten werden darf. In Ausnahmefällen kann sie auf zehn Stunden verlängert werden: Etwa wenn innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen ein Schnitt von acht Stunden täglich nicht überschritten wird.