Saskia Esken über Anschlag in Solingen: Lässt sich nicht allzuviel lernen
Bei Caren Miosga ging es um die Messermorde von Solingen und mögliche Konsequenzen. SPD-Chefin Saskia Esken sieht offenbar keinen akuten Handlungsbedarf. Ursprünglich hatte Caren Miosga über die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sprechen wollen, stattdessen kehrte die Moderatorin mit aktualisiertem Thema und angepasster Gästeliste aus der Sommerpause zurück. "Nach Solingen: Wie schützen wir uns vor islamistischer Gewalt?" lautete nun ihre zentrale Frage. Zu deren Beantwortung wandte sie sich zunächst an den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul, der aus Düsseldorf zugeschaltet war – und gleich für Verwirrung sorgte. Die Gäste: Herbert Reul (CDU), Innenminister Nordrhein-Westfalen (zugeschaltet) Saskia Esken (SPD), Parteivorsitzende Sineb El-Masrar, Publizistin Michael Götschenberg, ARD-Experte für Terrorismus und Innere Sicherheit Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Vor dem Hintergrund, dass der mutmaßliche Täter Issa al-H., ein Syrer aus einer Solinger Flüchtlingsunterkunft, sich im vergangenen Jahr seiner bereits beschlossenen Abschiebung entzogen hatte, wollte die Moderatorin wissen, wie es ihm gelingen konnte, die Behörden so auszutricksen. "Ich weiß nicht, ob er die Behörden ausgetrickst hat", antwortete Reul. "Untergetaucht ist er im rechtlichen Sinne nicht, denn er war an dem Tag, an dem er abgeholt werden sollte, nicht da, ansonsten war er immer und auch häufig in dieser Einrichtung. Also, das Abtauchen passt nicht." Es lohne sich aber "garantiert, diese Abläufe anzuschauen", für die im Übrigen nicht er, sondern das BAMF, also das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zuständig sei. Bei diesen Abläufen müsse "wahrscheinlich nachjustiert" werden, sagte Reul. Er wies aber auch darauf hin, dass es seit einiger Zeit abstrakte Hinweise auf Anschläge gegeben haben. "Wer nicht geträumt hat, wusste, dass der islamische Terror unterwegs ist", sagte Reul. Ist der Islamismus Teil Deutschlands? Nachdem der Terrorismus-Experte Michael Götschenberg die Bekennerschreiben des sogenannten Islamischen Staats als glaubwürdig eingeschätzt hatte ("in diesem Fall sieht es so aus, als habe es die Verbindung tatsächlich gegeben") und eine neue Welle der Mobilisierung konstatierte, brachte die Publizistin Sineb El-Masrar eine bittere Pointe in die Diskussion ein: Sie spitzte das berühmte Christian-Wulff-Zitat, wonach der Islam zu Deutschland gehöre, entscheidend zu: "Der Islamismus ist schon lange Teil Deutschlands", so die Autorin. Sie bedauerte, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den 2021 ins Leben gerufenen Expertenkreis Politischer Islamismus aufgegeben hat. An dieser Stelle sah sich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken zur Verteidigung ihrer Parteifreundin genötigt. Nicht die Weiterfinanzierung eines Arbeitskreises sei entscheidend, so Esken. Vielmehr habe die Innenministerin in dieser Legislatur bereits drei wichtige Entscheidungen getroffen: die Betätigungsverbote für die Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun sowie das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg . Auch durch Rückführungsabkommen und Grenzkontrollen habe die Bundesregierung viel erreicht. Ohnehin schien Esken aus der Bluttat von Solingen keinen konkreten Handlungsbedarf abzuleiten. "Gerade aus diesem Anschlag lässt sich, glaube ich, nicht allzu viel lernen", erklärte sie, "weil der Täter ja offenkundig nicht polizeibekannt war und insofern nicht unter Beobachtung stand." Miosga konfrontiert Esken mit den Merz-Vorschlägen Als die Moderatorin sie mit den jüngsten Vorschlägen von CDU-Chef Friedrich Merz konfrontierte, der unter anderem einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan gefordert hatte , gab sich Esken ebenfalls ablehnend. Dem stehe die Verfassung entgegen, "wir können doch Menschen nicht das Asylrecht verweigern", so die Sozialdemokratin. Sie sprach davon, dass "viele der Millionen Syrerinnen und Syrer, die mittlerweile hier in Deutschland leben", selbst auf der Flucht vor dem radikalen Islam gekommen seien. Nicht einmal als Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, in klaren, ruhigen Worten "Ressourcenprobleme" geltend machte und "extremen Datenschutz" sowie mangelnde Befugnisse seiner Kollegen beklagte, im Internet zu recherchieren, wirkte Esken in irgendeiner Form beeindruckt. Hierzu verwies sie auf den "Digital Services Act", "ein wichtiges europäisches Gesetz", das die Internet-Provider in die Pflicht nehme, illegale Inhalte zu bekämpfen. Lediglich, dass "die Umsetzungsstrukturen in Deutschland leider noch nicht gut genug" seien, räumte sie ein. Kopelke bemängelte, dass es im Ausland Dienste gebe, die in der Regel viel schneller an die Informationen kämen. "Und am Ende wird immer gefragt: Warum wissen's um uns herum alle, aber wir nicht?"