Solingen | Teuteberg (FDP): "Zeitenwende in Migrationspolitik nötig"
Der Terror von Solingen wirft Fragen zur Sicherheit auf. FDP-Politikerin Linda Teuteberg fordert eine konsequente Neuausrichtung der Migrationspolitik – womit sie sich an die Seite von CDU-Chef Merz stellt. Er stammt aus Syrien und soll, während er zustach, "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") gerufen haben. Nachdem sich der mutmaßliche Täter vom tödlichen Terrorangriff in Solingen gestellt hat, deutet vieles auf ein islamistisches Tatmotiv hin. Zudem melden mehrere Medien übereinstimmend: Der Tatverdächtige Issa al H. hätte schon vergangenes Jahr abgeschoben werden sollen. Politisch bahnen sich damit gleich drei Diskussionen an. Eine um die Gefahr durch Messer im öffentlichen Raum, eine um die Bedrohung durch den radikalen Islam – und eine um die deutsche Migrationspolitik. Zu letzterer schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag auf seiner Homepage: "Es reicht!" Inzwischen dürfte endgültig klar sein, so Merz: "Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen." In der Mehrzahl der Fälle seien dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten steckten islamistische Motive dahinter. Jetzt meldet sich mit der FDP-Politikerin Linda Teuteberg auch eine prominente Ampel-Vertreterin zu Wort. Im Gespräch mit t-online redet Teuteberg Klartext – und fordert, ähnlich wie Merz und die CSU , ein sofortiges Umdenken in der Migrationspolitik: "Die entsetzliche Tat in Solingen und die Vorgeschichte des Täters zeigen auf bittere Weise erneut, dass eine konsequente Zeitenwende in der Migrations- und Integrationspolitik nötig und eine Schicksalsfrage für die Selbstbehauptung liberaler Demokratien ist", sagt sie. Zu einer seriösen Debatte über Migration gehöre, die "legitimen Interessen" des Aufnahmelandes, die eigene innere Sicherheit und Liberalität zu bewahren, endlich anzuerkennen, sagte sie. Die Integrationsbereitschaft von Zuwanderern dürfe "nicht für selbstverständlich" gehalten werden. "Notwendig ist ein Paradigmenwechsel statt ein 'Weiter-So' beim deutschen Sonderweg in der Migrationspolitik", so Teuteberg, die Mitglied des Innenausschusses im Bundestag sowie Mitglied im Bundesvorstand ihrer Partei ist. Die jüngste Debatte um Messer als Tatmittel und entsprechende Verbotszonen, wie sie etwa Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) vorschweben, bezeichnet Teuteberg als "Kosmetik an Symptomen". Kritische Stimme in Migrationsfragen "Der ganze Rechtsstaat ist eine Verbrechensverbotszone, und Körperverletzung und Tötung sind mit und ohne Messer längst strafbar", sagt sie weiter. "Dass es Menschen gibt, die die Gesetze und das Gewaltmonopol des demokratischen Rechtsstaates nicht respektieren, sondern unsere freiheitliche Ordnung und Lebensweise verachten, ist das dahinterliegende Problem." Linda Teuteberg, die von 2019 bis 2020 Generalsekretärin ihrer Partei war, begleitet die deutsche und europäische Migrationspolitik seit Jahren kritisch. Ihrer Auffassung nach müssen Deutschland und Europa die Zuwanderung mehr kontrollieren und steuern, etwa auch durch "bauliche Barrieren" an den EU-Außengrenzen. Sonst, so das Credo der Liberalen, gerate auch der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland in Gefahr. Auch jetzt stellt Teuteberg im Gespräch mit t-online fest: "Deutschland ist unverändert Hauptzielland für illegale Migration." Zugleich attestiert sie jenen Parteien, die etwa gegen Grenzzäune an den EU-Außengrenzen sind, dass das Volk entsprechende Aussagen durchaus registriere: "Viele Menschen haben ein Gespür dafür, dass dieselben politischen Kräfte, die bei anderen Themen einen unheimlichen Gestaltungsanspruch haben, bei Kernaufgaben des Staates wie innerer Sicherheit und Migrationskontrolle seltsam fatalistisch sind." Sie fordert: "Wenn und weil Abschiebungen aufwendig und schwierig sind, sind Verfahren in Drittstaaten vor der Einreise nach Europa unerlässlich für eine wirksame rechtsstaatliche Begrenzung von Migration. Kontrollverlust ist nicht fortschrittlich." Ampelpolitiker diskutieren vornehmlich über Waffenrecht Zwar sei es richtig, dass es in einem freiheitlichen Rechtsstaat keine absolute Sicherheit geben könne. Das aber sei "kein Blankoscheck dafür, das Benennen von Realitäten als Generalverdacht abzutun". "Islamismus ist seit Langem eine große Gefahr für unsere Freiheit. Die Demokratie braucht einen öffentlichen Raum ohne rechtsfreie No-go-Areas", so Teuteberg. "Es gibt auch einen linken Populismus des fatalistischen Wegsehens. Betroffenheitsbekundungen sind kein Politik-Ersatz." Neben Teuteberg hatten sich nach dem Terrorakt von Solingen auch einige andere Ampelpolitiker geäußert – dabei aber zunächst nur über ein schärferes Waffengesetz gesprochen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) etwa kündigte Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an, was seine Partei bislang ablehnte. "Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen", sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag". Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, einige rechtliche Verschärfungen seien richtig und notwendig. Er ergänzte: "Mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze – Hieb- und Stichwaffen braucht niemand in Deutschland in der Öffentlichkeit. Wir leben nicht mehr im Mittelalter." Ähnlich äußerte sich auch SPD-Chef Lars Klingbeil.