Nahost-Konflikt: Festnahmen bei Pro-Palästina-Demonstration vor Gericht
Wegen einer umstrittenen Parole bei einer Protestkundgebung im Kontext mit dem Gaza-Krieg soll es zum Prozess kommen. Dazu kommt es nicht. Stattdessen registriert die Polizei neue Vorfälle.
Bei einer propalästinensischen Demonstration vor dem Kriminalgericht Berlin ist es zu Tumulten und Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Polizisten nahmen mehrere Frauen und Männer vorübergehend fest – darunter auch eine 28-Jährige, gegen die es eigentlich zum Prozess kommen sollte.
Lautstark und aggressiv skandierten die rund 100 Demonstranten unter anderem die umstrittene Parole "From the river to the sea, palestine wil be free" (Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein). Mehrfach gab es laute Detonationen von Böllern, die in Richtung der Polizei geworfen wurden.
Die Polizei war mit einem größeren Aufgebot vertreten. Demonstranten versuchten teils, Festnahmen zu blockieren, dabei gab es Rangeleien mit Polizisten. Einsatzkräfte gingen dabei vereinzelt auch rabiat gegen Teilnehmer vor. Die Versammlung war aus Solidarität zu der 28-Jährigen angemeldet worden, die wegen Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen angeklagt ist.
Strafbefehl nach Ausruf umstrittener Parole
Die Aktivistin soll bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin im März die umstrittene Parole skandiert haben. Das Gericht hatte zunächst im Strafbefehlsverfahren eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verhängt. Da die Frau dagegen Einspruch einlegte, soll es zur mündlichen Verhandlung kommen.
Nun wurde der Prozess jedoch überraschend noch vor Beginn vertagt. Grund waren etwa ein Dutzend Anträge, die die Verteidigung ankündigte. Darauf war der Richter offensichtlich nicht vorbereitet. Die für die Verhandlung geplante Zeit hätte aus seiner Sicht nicht ausgereicht, wie eine Gerichtssprecherin erklärte. Der Prozess wurde nach ihren Angaben auf den 11. November verlegt.
Nachdem die Verhandlung verschoben worden war, trat die 28-Jährige vor die Demonstranten – und skandierte gemeinsam mit ihnen lautstark die Parole, für die sie angeklagt ist.
Polizei löst Protest vor Gericht auf
Die Polizei schritt nach Angaben einer Behördensprecherin wegen mehrerer volksverhetzender Ausrufe ein und forderte die Versammlungsleiterin auf, dafür zu sorgen, dass dies unterlassen wird. Diese sei darauf nicht eingegangen. Daraufhin habe die Polizei die Kundgebung aufgelöst. Die meisten Demonstranten blieben gleichwohl vor dem Gerichtsgebäude, viele von ihnen hakten sich untereinander ein.
Polizisten lösten die Menge auf. Wegen des Einsatzes kam es vor dem Kriminalgericht zu Verkehrsbehinderungen, Straßenbahnen konnten dort nicht weiterfahren. Es werde unter anderem wegen Volksverhetzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz ermittelt, sagte eine Polizeisprecherin.
Verteidigung: Zu Unrecht angeklagt
Die Anklage gegen die in der Szene bekannte Aktivistin erfolgte aus Sicht ihrer Verteidigung zu Unrecht. Ihre Mandantin stelle das Geschehen selbst nicht infrage, sagte Rechtsanwältin Nadija Samour. Die Parole sei jedoch nicht strafbar, sondern durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Mit ihren Beweisanträgen will die Verteidigung unter anderem die Herkunft der Parole erläutern.
Gerichte gehen bundesweit bislang unterschiedlich mit der Bewertung der Parole um. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es bislang nicht. Das Landgericht Mannheim hat kürzlich entschieden, dass die Parole straflos bleibt.
In Berlin hat das Amtsgericht Tiergarten vor rund zwei Wochen eine 22-Jährige wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 600 Euro (40 Tagessätze zu je 15 Euro) verurteilt. Sie hatte die Parole bei einer propalästinensischen Demonstration wenige Tage nach dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 angestimmt.
Die Parole war laut Urteil im Kontext mit dem Terrorangriff zu sehen. Der Ausruf könne in diesem Zusammenhang nur als Leugnung des Existenzrechts Israels und als Befürwortung des Angriffs verstanden werden.