Boeing-Krise: Warum Flugzeugbauer Airbus davon nicht profitieren kann
Boeing versus Airbus: Seit jeher kämpfen die Flugzeugbauer Kopf an Kopf. Jetzt steckt Boeing in der Krise. Doch kann sich der Konkurrent dies kaum zunutze machen. Warum eigentlich? Es war endlich mal eine gute Nachricht in den vergangenen Tagen: Die Fluggesellschaft Cathay Pacific aus Hongkong bestellt 30 Airbus A330-900. Außerdem sicherte sich Cathay Kaufrechte für 30 weitere Modelle. Und auch bei den Auslieferungen erreicht der weltgrößte Flugzeughersteller wieder etwas mehr Flughöhe: 77 Flieger im Juli. Im Juni waren es lediglich 67 Stück. Doch um das Ziel, in diesem Jahr 770 Modelle an Fluggesellschaften zu liefern, zu schaffen, muss Airbus noch eine Schippe drauflegen. Derzeit sind erst 400 Flieger übergeben. US-Konkurrent Boeing hingegen ist noch tiefer in die seit Jahren schwelende Krise gerutscht. Pannen, Unfälle, Abstürze – die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Da möchte man meinen, es sei ein Leichtes für Airbus, an der Konkurrenz vorbeizuziehen und immer mehr Flugzeuge auszuliefern. Doch dem ist nicht so. Aber warum profitiert Airbus nicht von Boeings sprichwörtlicher Bauchlandung? Lieferengpässe bremsen Airbus aus Die banale wie komplexe Antwort: Lieferengpässe. Airbus versucht, die Produktion hochzufahren, um in die Lücke zu springen, die Boeing gerissen hat. Doch so einfach ist das nicht: Viele Zulieferer kommen nicht hinterher, waren nicht auf eine plötzlich steigende Nachfrage eingestellt. Ohnehin sind die Lieferketten nach wie vor störanfällg – nicht so sehr wie während Pandemie, aber eben spürbar. Airbus rechnet deshalb noch drei Jahre lang mit Lieferengpässen. Hinzu kommt, dass die Zulieferunternehmen auch die Verteidigungs- und Rüstungsindustrie beliefern – und dort ist die Nachfrage ebenfalls groß. Zugleich ist Personal knapp. Ein Teufelskreis. Auch die Lieferketten-Sorgfaltspflicht, minutiös geregelt im EU-Lieferkettengesetz , trägt nicht gerade zur Entspannung bei. Regulierung bedeutet Aufwand bedeutet Verzögerung. Doch es gibt auch bei Airbus Qualitätsmängel – wenn auch nicht hausgemachte. Hunderte Airbus A320 Neo müssen in den nächsten Jahren wegen Triebwerksproblemen am Boden bleiben. Es handelt sich um Triebwerke der Hersteller Pratt & Whitney und MTU. 600 bis 700 Flieger müssen von jetzt an jährlich zusätzlich zur Wartung. Das heißt, die Flugzeuge müssen stillgelegt werden. Und das für lange Zeit: Die Reparaturen werden nämlich bis zu 300 Tage dauern – pro Antrieb. Ein Qualitätsproblem ist schuld, das allerdings seit 2015 bekannt ist. Winzige Risse und Material-Ermüdungen können auftreten – verheerend im Flugzeuggeschäft. Und dann machen auch noch Zulieferer Probleme So ein Triebwerk kostet um die 20 Millionen Euro – es ist das teuerste Teil am Flugzeug. Aber eben auch ein besonders wichtiges. Boeing: Abstürze, Unfälle, Sicherheitsmängel Boeing hingegen verliert regelrecht an Boden. Die Nachrichten zum US-Unternehmen sind verheerend. Schaut man in Internetforen, kann man lesen, wie sich User austauschen, mit welchen Airlines sie fliegen und ob sie noch auf Boeing vertrauen. Die Mehrheit tut es nicht. Und das hat Gründe. Die reichen Jahre zurück. Vor knapp sechs Jahren stürzten zwei 737-Max-Maschinen innerhalb weniger Monate ab, in Indonesien und in Äthiopien . Fast 350 Menschen starben. Danach musste das Max-Modell fast zwei Jahre am Boden bleiben. Als es wieder abheben durfte, gingen die Sorgen weiter. Im Januar war bei einer Boeing 737 Max 9 von Alaska Airlines im Steigflug ein Rumpf-Fragment herausgebrochen. 170 Passagiere kamen mit einem gehörigen Schrecken davon. Kurz danach verlor eine Boeing 777 von United Airlines ein Rad. Auch das ging glimpflich aus. Nur einige Beispiele für Mängel, Unfälle und Zwischenfälle bei Boeing. Die US-Luftfahrtbehörde FAA monierte Mängel bei der Qualitätssicherung. Die Mitarbeiter sollen nicht ausreichend geschult worden sein. Mit neuen Flugzeugen in eine bessere Zukunft? Bei vielen Unternehmen in der Branche, insbesondere bei den Zulieferern und bei Luftfahrt-Experten, werden die Köpfe geschüttelt, wie wenig Airbus aus dem Desaster Boeing derzeit macht. Eine richtige Antwort scheint Airbus nicht zu haben. Immerhin will der Flugzeughersteller gleich zwei neue Flugzeugtypen entwickeln – eins für die Mittelstrecke und einen kleineren Jet mit Wasserstoffantrieb. Das löst die aktuellen Probleme zwar nicht, ist aber ein Schritt in die Zukunft. Denn die Nachfrage nach Flugzeugen ist da und wächst. Zumindest in dem Punkt sind sich die Dauerrivalen einig: Beide Unternehmen schätzen, dass in den kommenden 20 Jahren mehr als 40.000 Flugzeuge gebraucht werden. Gute Aussichten für die Zukunft, denn den Großteil des Kontingents dürften die beiden großen Player auf sich vereinen. Wenn sie denn in Sachen Technik, Qualität und Sicherheit dazu in der Lage sind. Überflieger sehen anders aus Die Börse ist jedenfalls skeptisch bei den beiden: Die Airbus-Aktie ist heute da, wo sie vor fünf Jahren ungefähr war. Klar, zur Pandemie ging es deutlich abwärts mit dem Kurs, weil der Flugmarkt zum Erliegen gekommen war, doch die Erholung danach war mehr als verhalten. Boeing-Aktien indes sind jetzt nur wenig teurer als beim Corona-Crash. Innerhalb von fünf Jahren haben sie die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Also sagen wir so: Überflieger sehen anders aus. Vertrauen ist eine wichtige Währung an der Börse.