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Август
2024

Fan-ID und mehr: Ein ABC des Stadionbesuchs

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Nah am Geschehen: Mit Fan-ID und Ticket ging es für unseren Autoren zu seinem Platz im ZSKA-Stadion unweit von Strafraum und Grundauslinie. (Foto: Sergej Gurnjanski)

Eigentlich gehören Sport im Allgemeinen und Fußball im Speziellen nicht wirklich zu meinen Interessen. Aber so war ich vielleicht genau der Richtige für diesen Redaktionsauftrag: Um für deutsche Leser zu beschreiben, wie ein Stadionbesuch in Russland abläuft, musste ich mich gar nicht groß in ihre Lage versetzen. Denn auch für mich war es das erste Mal, dass ich ein Spiel der höchsten russischen Meisterschaft, der Premier-Liga (RPL), sehen sollte. Dieser Selbstversuch hat übrigens durchaus Spaß gemacht. Aber der Reihe nach.

Ticket nur mit Fan-ID

Wie stellt man sich einen Stadion­besuch vor? Irgendwo, so dachte ich mir, könne man sich mehr oder weniger spontan ein Ticket besorgen und dann nichts wie ab zum Spiel. Doch so einfach ist das Ganze leider nicht, zumindest nicht in Russland. Hier wurde in der vorletzten Saison eine sogenannte Fan-ID eingeführt, ohne die es seitdem kein Ticket gibt.

Vier der 16 Teams in der RPL kommen aus Moskau. Es sind Namen, die man kennt: Spartak, Dynamo, ZSKA und Lokomotiv. Ich sehe, dass ZSKA am dritten Spieltag ein Heimspiel gegen den FC Oren­burg hat. Für den ersten Sonntag im August will ich mir also ein Ticket kaufen. Aber dazu brauche ich zunächst die Fan-ID. Dieser Ausweis wird im staatlichen Dienstleistungsportal Gosuslugi.ru oder in der entsprechenden App beantragt. Dafür sind nur einige persönliche Angaben und ein Foto im Passbildformat erforderlich. Die Bearbeitung kann bis zu drei Tage dauern. Dann wird der Antragsteller benachrichtigt, persönlich in einem Multifunktionszentrum (MFZ) zu erscheinen, einer Service­stelle, wo die Aktivierung der Fan-ID erfolgt. Man bekommt eine individuelle Nummer zugewiesen, die beim Ticketkauf anzugeben ist.

Hürden für Ausländer

Für mich als russischen Staatsbürger war die Beantragung problem­los. Ausländer könnten jedoch schon daran scheitern, sich überhaupt bei Gosuslugi zu registrieren. Das geht nämlich nur mit einer russischen Sozialversicherungsnummer (Snils). Über die sogenannte vereinfachte Registrierung sollen Nicht-Russen aber auch eine E-Mail-Adresse oder eine russische Telefonnummer genügen, um sich anzumelden und eine Fan-ID zu beantragen. Allerdings sind sowohl die Webseite als auch die App nur auf Russisch verfügbar.

Meinen Platz im Stadion wähle ich auf der Homepage von ZSKA aus und entscheide mich für Block 214 auf der Südtribüne, seitlich hinter dem Tor. Das Ticket kostet 600 Rubel (umgerechnet sechs Euro). Das ist die günstigste Preiskategorie im Stadion. Je nach Gegner ist das Ticket hier auch schon mal für 300 Rubel zu haben. Kinder zahlen jeweils die Hälfte.

Die WEB Arena von ZSKA Moskau wurde 2016 eröffnet und befindet sich nordwestlich der Innenstadt, ungefähr acht Kilometer vom Roten Platz entfernt. Für die An- und Abreise stehen gleich vier Metrostationen mehrerer Linien zur Verfügung, von denen es noch ein Fußweg von 20 bis 30 Minuten zum Stadion ist. Eine davon trägt den Namen ZSKA. Außerdem halten die Züge des S-Bahn-Rings (MZK) unweit des Eingangs an der Station Sorge.

Kaum 10.000 Zuschauer

Der Zutritt zum Stadion verläuft entspannt, weil automatisch. An einem Drehkreuz müssen Fan-ID und Ticket gescannt werden, danach geht es zur Personen- und Gepäckkontrolle. Und schon ist man drin.

Die Stimmung im Stadion ist auffallend fröhlich. Auseinandersetzungen zwischen Fans gibt es keine. Der harte Kern der ZSKA-Fans bleibt seit geraumer Zeit ohnehin zu Hause. Aus Protest gegen die Fan-ID boykottieren die Anhänger – wie ihre Kollegen aus anderen Klubs – Heim- wie Auswärtsspiele. Deshalb ist die gesamte Nordtribüne leer. ZSKA verkauft aus Solidarität mit den Fans auch keine Tickets dafür.

Ansonsten scheint mir die Arena recht voll zu sein. Später erfahre ich allerdings, dass nur 9959 von insgesamt rund 30 000 Plätzen besetzt waren. Die Zuschauer verleben einen schönen Nachmittag. Schon nach der ersten Halbzeit führt ZSKA mit 3:1, der Endstand lautet 5:1. Vom Jubel mitgerissen, verlasse auch ich zufrieden das Stadion. Mein erster Besuch in der WEB Arena hat sich definitiv gelohnt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass RPL für mich ein Fremdwort war. Doch nun weiß ich, dass es ein Erlebnis sein kann, sich ein Ligaspiel im Stadion anzuschauen. Auch wenn das zunächst mit einigem Aufwand verbunden ist.

Tino Künzel

Запись Fan-ID und mehr: Ein ABC des Stadionbesuchs впервые появилась Moskauer Deutsche Zeitung.