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Август
2024

Der Bundesliga-Check - Teil 2

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VfB Stuttgart (Claus-Dieter Mayer)

Etwas nördlich von Köln mag man das anders sehen, aber der VFB war DIE Erfolgsstory der Bundesliga in der Saison 23/24. Vom Relegationsteilnehmer zum Vizemeister und das mit mitreißendem schnellem Kombinationsspiel und höchst unterhaltsamem Fußball. Solch eine Cinderella-Story hatte die Liga zuletzt 12 Jahre zuvor mit unserer Borussia unter Lucien Favre erlebt. Als einziges Team brachte der VFB die unverwundbar scheinenden Leverkusener mehrfach ins Schwitzen, mit Guirassy und Undav hatte man die Nummer 2 und 4 der Torschützenliste und dass der vorläufige EM-Kader Julian Nagelsmann gleich 5 Stuttgarter reflektiert sehr gut, wie stark die Schwaben in der vergangenen Spielzeit waren. Nur, dass der Vereinsrekord von 73 Punkten im Vorjahr noch zur Meisterschaft gereicht hätte mag den ein oder anderen grämen, aber angesichts von 17 Punkten Rückstand werden wohl nur wenige Stuttgart-Anhänger auf diese Saison mit dem Gefühl einer verpassten Meisterschaft zurückblicken.

Kein Wunder also dass der VFB Opfer der guten Tat wurde und sich die großen Clubs nach der Saison anschickten, den Kader der Stuttgarter zu zerfleddern. Dortmund schnappte sich Guirassy und Anton, die Bayern Ito und nach jetzigem Stand scheint es so als müsse man auch Undav zurück Brighton gehen lassen. So bitter diese Abgänge sind, so hieße es aber auch -wenn es dabei bleibt - , dass ein Grossteil des erfolgreichen Teams zusammenbleibt und mit Nübel,. Mittelstädt, Zagadou, Stenzel, Millot, Stiller, Silas und Führich Stammspieler des Erfolgsteams auch in der kommenden Saison den Kern der Mannschaft bilden. Mit Jeff Chabot vom FC Köln konnte man einen soliden Innenverteidiger verpflichten, der einst auch in Gladbach gehandelte Fabian Rieder (ausgeliehen) könnte eine interessante Alternative im offensiven Mittelfeld darstellen. Fraglich ist wie man den Abgang von Guirassy und (vermutlich/vielleicht) Undav auffangen will. Teil der Antwort darauf lautet Ermedin Demirovic, dem Rekordtransfer (kolportierte 21 Millionen) vom FC Augsburg. Sollte man Undav nicht endgültig verpflichten können schweben als möglicher Ersatz zurzeit die Namen Hlozek (Leverkusen) und der Franzose Kalimuendo aus Rennes in der Luft.

Der Regression zur Mitte werden aber auch die Stuttgarter nicht entgehen. Trotz der Neuzugänge ist der Kader geschwächt worden und so perfekt laufen wie im Vorjahr kann es sowieso kaum noch einmal. Man darf vor allem zweifeln ob Demirovic plus Mister X (Hlozek, Kalimuendo,???) auch nur annährend die 44 Tore von Guirassy und Undav auffangen können, sollte letztgenannter gehen (Demirovics Durchschnitt in 4 Jahren Augsburg lag bei 7.5 Saisontoren, Hlozek schoss in 52 Bundesliga=Spielen ganze 7 Tore und Kalimuendo in 30 Ligue 1 spielen zuletzt 10 Treffer). Trotz dieser berechtigten Skepsis ist der Kader jedoch insgesamt weiter hin auf gutem Bundesliga-Niveau. Hauptgrund, warum ein großer Absturz verhindert werden kann, aber ist Sebastian Hoeneß. Was Ulis Neffe in Stuttgart in kürzester Zeit aus dem VFB gemacht hat, ist schon sehr beeindruckend und erinnert in der Tat an die Wunder die Lucien Favre einst in Mönchengladbach vollbringen konnte. Auch seine Künste werden nicht für eine erneute Champions-League-Teilnahme reichen aber der VFB wird um internationale Plätze spielen und zwischen den Plätzen 5-8 landen.

VfL Wolfsburg (Kevin Schulte)

Das Team aus der Autostadt ist den meisten Fans großer Vereine traditionell egal, außer im Sommer. Denn seit dem Bundesliga-Aufstieg 1997 wird den Anhängern der Bundesliga-Konkurrenz (so auch uns) jedes Jahr aufs neue die Ungerechtigkeit der Bundesliga am Beispiel VfL Wolfsburg aufgezeigt. Genau wie Meister Leverkusen ist das Team vom Mittellandkanal ein Werksklub und kann deshalb Sommer für Sommer de facto ohne Risiko auf dem Transfermarkt seine Mannschaft verstärken. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Aber immer mindestens so gut, dass sich Wolfsburg nach einem Trainerwechsel spätestens im letzten Saisondrittel aus ärgster Abstiegsnot befreit, um dann im Sommer viele VW-Millionen auf dem Transfermarkt auszugeben.

Diesmal hielten sich die Niedersachsen vergleichsweise zurück. Für den langjährigen Torwart Koen Casteels, der die Autostadt gegen al-Qadisiyah aus der saudi-arabischen Stadt Khobar eintauschte, verpflichtete Wolfsburg Kamil Grabara vom FC Kopenhagen. Der 25-jährige Pole kostete 13,5 Millionen Euro. Weitere 1,5 Millionen Euro flossen in Schalke-Keeper Marius Müller, der die Bank hüten soll. Außerdem kam Bence Dárdai (der jüngste Dárdai) ablösefrei aus Berlin und Mohamed Amoura, 24-jähriger Mittelstürmer, vom belgischen Vizemeister Union Saint-Gilloise. Ursprünglich war ein Kauf vorgesehen, doch der wuselige Algerier (1,70 Meter) wird zunächst laut Transfermarkt für 3 Millionen Euro ausgeliehen. Die Kaufoption liegt demnach bei weiteren 14,5 Millionen und könnte mit Boni um weitere 2,5 Millionen Euro steigen. In Summe reden wir hier ein über ein mögliches 20-Millionen-Paket. Das wäre dann schon eher Wolfsburg-typisch.

Möglich, dass die offensive Last der Hasenhüttl-Truppe schon in seiner ersten Saison in Wolfsburg, zum Großteil auf den Schultern von Amoura lasten wird. Jonas Wind, Wolfsburg Toptorjäger in der Vorsaison, könnte im Verlauf des Sommers noch gehen, ist zu hören.

Unter diesen Umständen ist Wolfsburg im Normalfall kein Kandidat für das obere Tabellendrittel. Der Sprung in die erste Tabellenhälfte muss für den siebtteuersten Kader der Bundesliga aber das Minimalziel sein. Und das wäre schon die halbe Miete, um zumindest um die Conference League mitzuspielen. Am Ende spricht jedenfalls viel für eine typische Wolfsburger Egal-Saison, diesmal aber komplett ohne Abstiegssorgen irgendwo zwischen Platz 7 und 12.

FC St. Pauli (Kevin Schulte)

Die Personalie Fabian Hürzeler hat die bärenstarke Zweitliga-Meisterschaft des Kiezklubs unverdienterweise überschattet. Weil sich der Aufstiegstrainer des FC St. Pauli zu Höherem berufen fühlte, verließ Trainertalent Hürzeler den Verein gen England. Der wichtigste Transfer war bei Pauli deshalb die Verpflichtung von Alexander Blessin, bislang Coach des seit Jahren überzeugenden Union Saint-Gilloise (der Amoura-Klub). Zuvor war Blessin 2022 kurz Coach des CFC Genua, wurde dort jedoch schnell entlassen. Seine ersten Trainererfahrungen machte der 51-jährige Schwabe in der Jugend von RB Leipzig.

Für Blessin und den FC St. Pauli kann es nach dem Aufstieg selbstredend nur um den Klassenerhalt gehen. Es wäre der Erste in der Bundesliga seit 1996. Zuzutrauen ist das den Hamburgern. In erster Linie weil es in einem vergleichsweise schwach besetzten Liga-Umfeld selbst für Pauli absolut möglich sein sollte, zumindest Holstein Kiel und irgendeine andere Mannschaft hinter sich zu lassen. Das Millerntor-Publikum kann und wird auch seinen Teil dazu beitragen. Zudem bietet der Saisonstart auf dem Papier das Potenzial, die Braun-Weißen auf einer Euphorie-Welle in die Bundesliga reingleiten zu lassen wie das in diesem Sommer sonst nur den Olympia-Surfern auf Tahiti zupass kam. Für St. Pauli geht es im Auftaktspiel zuhause gegen Heidenheim. Das klingt nicht nach Bundesliga, ist es aber. Und zudem dürfte Heidenheim mit Europa-Belastung und einer noch nicht eingespielten Mannschaft der ideale Auftaktgegner für die Hamburger sein. Die dann folgenden Auswärtsspiele bei Union und in Augsburg sind auch gute Möglichkeiten, früh die ersten Punkte einzusammeln. 

Fraglich ist nur, wie St. Pauli seinen Topscorer und Zweitliga-Topspieler Marcel Hartel ersetzen will. Das monatelange Gladbach-Gerücht verschlug es im besten Fußballer-Alter zu St. Louis City in die MLS (wohin auch sonst). Ob allein Robert Wagner, der vom SC Freiburg ausgeliehen wurde, Hartel ersetzen kann, ist sehr fraglich. Zumindest bringt Wagner, der zuletzt an Fürth ausgeliehen worden war, viel Physis mit. Das kann in der Bundesliga noch sehr wichtig werden. Ebenfalls per Leihe wechselte Morgan Guilavogui, offensiver Rechtsaußen, von RC Lens nach Hamburg. Bildet der Mann aus Guinea zusammen mit dem starken Tunesier Elias Saad auf Links eine starke Flügelzange, sollten zumindest genügend Tore vom Laster fallen, um spätestens in einem möglichen Endspiel am 34. Spieltag gegen den VfL Bochum knapp die Klasse zu halten.