Atommüll: Die endlose Endlager-Suche zeigt: Bloß nie wieder rein in Atomkraft
Eine neue Studie besagt, dass ein Endlager für hoch radiokative Abfälle erst 2074 gefunden sein soll. Wer jetzt noch ernsthaft fordert, die Atomkraft wiederzubeleben, hat das Problem nicht verstanden.
Diese Verzögerung ist noch schlimmer als bei der Deutschen Bahn: Ganze 43 Jahre zu spät soll feststehen, wo wir unseren Atommüll endlagern können. Statt 2031 soll der Endlager-Standort erst 2074 final festgelegt sein – und das auch nur "bei einem idealen Projektverlauf". Das schreiben die Studienautoren des Öko-Instituts in Freiburg, die sich im Auftrag der Bundesregierung mit dem Standortauswahlverfahren für ein Atommüll-Endlager befasst haben.
Die endlose Suche nach einem Endlager zeigt wieder einmal, dass wir froh sein können, die Atomkraftwerke endlich abgeschaltet zu haben. Wer jetzt ernsthaft fordert, sie wiederzubeleben, hat nichts verstanden. Denn die schwierige Suche nach einem geeigneten Abfallort zeigt: Mit der Kernkraft und ihrem strahlenden Müll haben wir uns ein schwer zu beherrschendes Problem geschaffen.
Der Müll strahlt noch lange genug
Viele Forscher und politische Entscheidungsträger werden den großen Tag in 50 Jahren – sofern er dann wirklich kommt – wohl nicht mehr miterleben. Junge Menschen wiederum werden vielleicht nicht einmal mehr wissen, was ein Atomkraftwerk ist, sich aber fragen, wer auf die irrsinnige Idee gekommen ist, eine so riskante Technologie über Jahrzehnte genutzt zu haben.
Nun könnte man süffisant sagen, dass für die bis 2080 anfallenden 10.500 Tonnen hochradioaktiven Abfalls ohnehin keine Eile besteht, denn die strahlen für Jahrtausende weiter. Aber das würde den Ernst der Lage verkennen. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz dauert es mehr als 24.000 Jahre, bis die Hälfte der radioaktiven Atome etwa von Plutonium-239 zerfallen ist. Wo also hin mit dem Schrott?
Infrage kommen Ton-, Salz- oder Granitgestein. Das gibt es in Deutschland durchaus, aber die Bedingungen müssen perfekt sein, wenn der strahlende Müll für immer dort bleiben soll: Es darf keine Risse geben, kein Wasser eindringen, nichts bröckeln.
Salz würde die Lagerbehälter umschließen und Risse heilen, ist aber wasserlöslich. Granit ist wiederum nicht wasserlöslich, Wasser kann aber trotzdem eindringen. Ton ist undurchlässig und verformbar, aber wärmeempfindlich. Ein Lager in Tongestein müsste sehr groß werden.
Atommüll-Fässer sind undicht
Ein weiteres Problem, wenn sich die Endlager-Suche weiter verzögert: Die 16 deutschen Zwischenlager könnten dann noch unsicherer werden. Im niedersächsischen Asse zum Beispiel dringt seit Jahren Wasser in das dortige Salzbergwerk ein. 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall lagern dort. Die Fässer haben teilweise Risse. Sollte Wasser bis zu den Fässern vordringen, könnten sich radioaktive Stoffe lösen und das Grubenwasser kontaminieren. Dieses Wasser wiederum könnte nach oben gedrückt werden und ins Grundwasser gelangen. Ein potentieller Super-Gau.
Aus Asse sollen die Fässer schon länger geborgen werden, passiert ist das bisher nicht. An den anderen Zwischenlager-Standorten soll der Müll offiziell noch bis 2050 bleiben können. Doch anstatt diesen Zeitraum auszureizen oder gar über den Wiedereinstieg in die angeblich umweltfreundliche Atomkraft zu diskutieren, muss die Politik das Problem jetzt wirklich angehen. Doch die zuständige Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) laviert herum: Die Studie habe nicht alle aktuellen Informationen und Fakten einbeziehen können. Ein Endlager müsse natürlich "so schnell wie möglich" gefunden werden.
Die Studie bestätigt nun jedenfalls in aller Absurdität, was ohnehin schon jeder wusste: Es ist kompliziert. Und sie deutet an, was wohl jeder fürchtet: dass wir nie ein hundertprozentig sicheres Endlager finden werden, egal ob wir zehn, fünfzig oder hundert Jahre danach suchen. Sie verdeutlicht auch den Preis, den wir nun dafür zahlen, dass man 1951 mit dem ersten Kernkraftwerk einfach mal losgelegt hat, ohne sich ernsthaft Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Und man dann einfach viele Jahrzehnte den günstigen Strom aus der Steckdose genommen hat.
Zur allergrößten Not gäbe es noch die Idee von "Atomi" aus der Satire-Sendung "Extra 3". Die kleine strahlende Figur hat schon vor vielen Jahren gewusst, was die einfachste Lösung ist: Ein Schienennetz für Castor-Transporter, das den Atommüll immer im Kreis quer durch Europa fährt. Dann brauchen wir gar kein Endlager, kriegen aber beim derzeitigen Schienennetz noch mehr verspätete Züge. Das ist Galgenhumor, aber anders kann man als junger Mensch auf die absurde Situation kaum noch blicken.