Scheich Hasina: Bangladeschs "Eiserne Lady" flieht vor dem Volkszorn
Sie war die weltweit am längsten amtierende Regierungschefin eines Landes – nun musste Bangladeschs "Eiserne Lady" in einem Helikopter fliehen. Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina ist am Montag aus ihrem Heimatland ins Exil geflohen. Die 76-Jährige, die als "Eiserne Lady" bekannt ist und vier aufeinanderfolgende Amtszeiten absolviert hat, war die weltweit am längsten regierende Regierungschefin. Ihr Rücktritt folgt auf massenhafte Proteste, die derzeit das Land erschüttern. Die Armee in dem südasiatischen Land kündigte eine "Revolution" an. "Wir werden eine Übergangsregierung bilden", sagte Armeechef Waker-Uz-Zaman in einer am Montag im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation. Dafür werde er mit den wichtigsten Oppositionsparteien sowie Vertretern der Zivilgesellschaft sprechen – nicht aber mit der Partei von Hasina. Erste Gespräche fanden am Montag mit dem Präsidenten des Landes, Mohammed Shahabuddin, statt. Dieser bestätigte anschließend die Bildung einer Übergangsregierung. Zuvor hatte der Präsident bekannt gegeben, dass er die sofortige Freilassung der früheren Regierungschefin und Oppositionsführerin Khaleda Zia aus dem Gefängnis angeordnet habe. Auch inhaftierte Demonstranten sollen freigelassen werden. Das Militär kündigte zudem an, die Ausgangssperre ende Dienstagmorgen (Ortszeit). Damit würden Büros, Geschäfte und Schulen wieder öffnen. Wer ist Scheich Hasina? Hasina ist eine bedeutende politische Figur in Bangladesch. Die 76-Jährige war die weltweit dienstälteste Premierministerin, regierte seit 2009 und zuvor von 1996 bis 2001. Sie führte die Partei ihres Vaters, Sheikh Mujibur Rahman, der als Gründervater Bangladeschs gilt und um den bis heute ein regelrechter Personenkult herrscht. Hasina überlebte 1975 die Ermordung ihres Vaters und ihrer Familie durch einen Militärputsch, da sie und ihre Schwester zu dieser Zeit in Europa waren. 1981 kehrte sie nach Bangladesch zurück und wurde Vorsitzende der Partei, zu der auch ihr Vater gehörte, der Awam-Liga. Was steckt hinter ihrer Flucht? Die säkulare Muslimin begann ihre politische Karriere als Ikone der Demokratiebewegung. Während ihrer Amtszeit gab es zwar Fortschritte in der Wirtschaft und im Entwicklungssektor, doch Kritiker, vordergründig junge Menschen im Land, bemängelten eine zunehmende Konzentration des Wohlstands auf eine kleine Elite und die Hauptstadt Dhaka. Hinzu kamen Vorwürfe von wachsendem Autoritarismus, Angriffen auf Oppositionelle und exzessiven Gewaltanwendungen. Einer der umstrittensten Punkte ihrer Amtszeit waren immer wiederkehrende Wahlbetrugsvorwürfe. Hasina war etwa im Januar in einer von einem großen Teil der Opposition boykottierten Wahl im Amt bestätigt worden. "Das Land hat sehr gelitten, die Wirtschaft wurde geschwächt, viele Menschen wurden getötet – es ist Zeit, der Gewalt ein Ende zu setzen", hob der Armeechef hervor. Er hoffe, dass sich die Lage im Land nun beruhige. Ursprünglich waren die Demonstranten gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst auf die Straße gegangen, die ihrer Ansicht nach Unterstützer von Hasina bevorzugte. Stetig wurde dann der Rücktritt der seit 2009 amtierenden Regierungschefin das Ziel der Protestbewegung, der sich immer mehr Menschen aus allen Bevölkerungsschichten anschlossen. Auch Filmstars, bekannte Musiker und ehemalige Generäle brachten ihre Unterstützung zum Ausdruck, ebenso Firmen der für die Wirtschaft des Landes wichtigen Textilbranche. Bei den Protesten, die zum Sturz der 'Eisernen Lady' führten, wurde brutal gegen Demonstranten vorgegangen. Allein am Montag wurden nach jüngsten Angaben der Polizei mindestens 66 weitere Menschen getötet. Nach AFP vorliegenden Zahlen wurden seit Beginn der Proteste gegen die Regierung im Juli insgesamt mindestens 366 Menschen getötet – nur am Sonntag kamen 94 Menschen ums Leben. Hasina soll sich in Indien aufhalten Hasina wurde an einen "sicheren Ort" gebracht, hieß es. Ihr Sicherheitsteam habe sie zum Verlassen aufgefordert und sie habe dafür nur rund 45 Minuten gehabt. Zunächst sei die 76-Jährige in einer Wagenkolonne aus dem Palast gebracht und später per Hubschrauber aus ihrem 170 Millionen Einwohner zählenden Land geflogen worden. Laut indischen Medienberichten landete der Hubschrauber auf einem Militärstützpunkt nahe der Hauptstadt Neu-Delhi. Von dort wollte sie ihrem Umfeld zufolge nach London weiterreisen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, ein "geordneter und friedlicher Übergang zu einer demokratisch gewählten Regierung" sei nun essenziell. Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, es sei "wichtig, dass Bangladesch seinen demokratischen Weg fortsetzt". Er fügte hinzu: "Wir raten jetzt dringend von Reisen nach Bangladesch ab." Die USA sowie die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien riefen zu "Ruhe" auf.