Befürchteter Angriff des Iran auf Israel: Diplomaten ringen um Deeskalation
Angesichts eines befürchteten Angriffs des Iran und seiner Verbündeten auf Israel laufen die diplomatischen Bemühungen zur Beruhigung der Lage in Nahost auf Hochtouren. US-Außenminister Antony Blinken habe die Außenminister der G7-Staaten darüber informiert, dass ein Angriff des Iran und der Hisbollah auf Israel binnen der nächsten 24 oder 48 Stunden - also bereits am Montag - erfolgen könnte, berichtete die US-Nachrichtenseite Axios unter Berufung auf drei mit den Gesprächen vertraute Quellen. Der Iran pochte am Montag auf sein "Recht", Israel für die ihm zugeschriebene Tötung von Hamas-Chef Ismail Hanija zu "bestrafen".
Laut Axios forderte Blinken seine G7-Kollegen auf, diplomatischen Druck auf Teheran, die Hisbollah und Israel auszuüben, damit diese "ein Höchstmaß an Zurückhaltung wahren". Die G7-Außenminister hatten die beteiligten Seiten nach einer Videokonferenz am Sonntag aufgefordert, "von jeder Initiative abzusehen, die den Weg des Dialogs und der Mäßigung behindern und eine neue Eskalation begünstigen könnte".
Auch die Bundesregierung rief erneut alle Akteure auf, nicht zu einer Eskalation beizutragen. Deutschland stehe "auf allen Ebenen" mit Gesprächspartnern in der Region in Kontakt, sagte ein Sprecher des Auswärtigem Amtes.
Der Iran beharrte auf seinem "Recht", Israel für die Tötung von Hanija in Teheran zu "bestrafen". Der Iran betrachte es als sein "unanfechtbares Recht, unsere nationale Sicherheit, Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen", sagte Außenministeriumssprecher Nasser Kanani.
Israel hatte die Tötung von Hanija nicht kommentiert. Der Iran macht das Land aber dafür verantwortlich, der geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei drohte mit einer "harschen Bestrafung" Israels. Zudem hatte Israel wenige Stunden vor der Tötung Hanijas mit Fuad Schukr den ranghöchsten Kommandeur der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon getötet. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kündigte daraufhin "eine neue Phase an allen Unterstützungsfronten" gegen Israel an.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte unterdessen die Entschlossenheit seines Landes, dem Iran und seinen Verbündeten "an allen Fronten" entgegenzutreten. "Jeder, der unsere Bürger tötet oder unserem Land schadet (...), wird einen sehr hohen Preis zahlen", warnte er am Sonntag.
Angesichts der Bedrohungslage hat Israels engster Verbündeter USA seine militärische Präsenz in der Region verstärkt. Das Pentagon kündigte die Entsendung zusätzlicher Kriegsschiffe und Kampfjets zum Schutz von US-Kräften und zur Verteidigung Israels an.
Das Weiße Haus teilte mit, US-Präsident Joe Biden werde am Montag mit seinem nationalen Sicherheitsteam zusammentreffen, "um die Entwicklungen im Nahen Osten zu besprechen". Biden hatte Israel zuvor die Unterstützung Washingtons "gegen alle Bedrohungen aus dem Iran" zugesichert.
Zugleich bemühen sich die USA auf diplomatischem Weg weiter um Deeskalation. In einem Interview mit ABC News sagte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jon Finer, die USA würden "alles tun, um sicherzustellen, dass die Situation nicht überkocht". Im Rahmen dieser Bemühungen sei es "so dringend", dass ein Abkommen für eine Waffenruhe und die Geisel-Freilassung im Gazastreifen erreicht werde.
Im Zuge der fieberhaften diplomatischen Bemühungen telefonierte Blinken auch mit dem irakischen Regierungschef Mohammed Schia al-Sudani. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi reiste zu einem Besuch nach Teheran - dem ersten seit Jahrzehnten.
Im April hatte der Iran Israel erstmals direkt von seinem Staatsgebiet aus mit mehr als 300 Raketen und Drohnen attackiert. Der Iran spricht Israel seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 das Existenzrecht ab und unterstützt sowohl die Hamas im Gazastreifen als auch mit ihr verbündete islamistische Milizen wie die Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen. Auch im Irak und Syrien sind pro-iranische Milizen aktiv.
Seit dem beispiellosen Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen greift die Hisbollah Israels Norden nahezu täglich an. In der Nacht zu Montag ertönte in Obergaliläa im Norden Israels erneut Luftalarm. Zuvor hatte die israelischen Armee erklärt, dass sie "zahlreiche verdächtige Luftziele aus dem Libanon identifiziert" habe. Zudem wurden nach Angaben der Armee rund 15 Raketen aus dem Gazastreifen auf den Süden des Landes abgefeuert. Die meisten wurden demnach abgefangen.
Wie die Armee mitteilte, wurde in Israel ein neues Warnsystem für die Bevölkerung eingeführt. Die Warnungen würden an Mobiltelefone in der betroffenen Region verschickt. Armeesprecher Daniel Hagari zufolge gibt es aber derzeit "noch keine Änderung" bei den Zivilschutzvorkehrungen.