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Август
2024

Austausch von Krassikow für Whelan zeigt Unterschied der Prinzipien zwischen Russland und dem Westen

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Von Jewgeni Krutikow

Aus Sicht der deutschen Gesetze haben die Deutschen Wadim Krassikow nicht ausgetauscht. Er wurde deportiert, obwohl auf der Liste der von russischer und weißrussischer Seite ausgetauschten Personen mehrere deutsche Staatsbürger stehen. Dies zeigt die, sagen wir, eigentümliche Position Berlins.

Deutschland hat sich bis zur letzten Minute geweigert, Krassikow auszutauschen. Und selbst jetzt, nach dem Austausch, spricht die Bundesanwaltschaft ein offizielles "Bedauern" darüber aus. Das hat nichts mit "Moral" zu tun, sondern damit, dass Berlin schnell begriffen hat, dass Krassikow ein besonders wichtiges Argument im "Handel" nicht nur mit Russland, sondern auch mit den Vereinigten Staaten ist. Es war nicht schwer, dies zu erkennen.

Die Verhandlungen über den Austausch von Gefangenen mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft werden seit vielen Jahren geführt. Die US-amerikanische Seite hat sich dabei von einer informellen "Rangliste" der Austauschkandidaten leiten lassen, wobei die Plätze auf dieser Liste nicht immer nach dem Status des einen oder anderen Kandidaten oder der Schwere der ihm zur Last gelegten Taten verteilt werden. In den Vereinigten Staaten ist das Vorhandensein einflussreicher Lobbygruppen, die für diesen oder jenen Kandidaten "eintreten", das Weiße Haus, die Medien und die Öffentlichkeit einbeziehen und die interne Welle bündeln können, entscheidend.

Seltsamerweise ist die CIA in der Lobbyarbeit ein eher schwacher Akteur. Die US-Geheimdienste haben generell eine schwache Lobbyposition, nicht nur in der Frage des Austauschs.

Als Ergebnis einer synergetischen Lobbyarbeit rückte die wegen Drogenschmuggels verurteilte Basketballspielerin Brittney Griner plötzlich an die Spitze der Liste der Kandidaten für den Austausch. Karine Jean-Pierre, die Pressesprecherin von US-Präsident Joe Biden, setzte sich für sie ein. Und Jean-Pierres Lebensgefährtin, die CNN-Politikkommentatorin Suzanne Malveaux, brachte die Medien ins Spiel.

So wurde Paul Whelan, der in der Spionage tätig war, das heißt, einen Auftrag für seine Regierung erfüllte, ins Abseits gestellt. Vielen Berichten zufolge war Whelan, der sich ohnehin in einer Strafkolonie aufhielt, empört über die Geschehnisse, aber seine Unterstützungsgruppe in den Vereinigten Staaten konnte nichts dagegen unternehmen.

Doch was sind schon die CIA und Whelans wenige Verwandte gegen die geballte Kraft des Weißen Hauses, der Medien und der LGBT-Aktivisten? Hätte sich der Fall während des Kalten Krieges ereignet, wäre Whelan der Erste gewesen, der ausgetauscht wurde. Aber die Struktur der heutigen USA hat andere Voraussetzungen für Verhandlungsmanöver geschaffen.

Die russischen Unterhändler haben schnell den Überblick in der Situation gehabt: Die US-Amerikaner waren zu erpicht darauf, Griner auszutauschen. Ein so starkes Interesse oder überhaupt ein Interesse zu bekunden, ist bei so was immer eine schwache Verhandlungsposition – aber es war die Entscheidung der US-Seite, wen sie an die Spitze der Austauschliste setzt. Die Hauptsache ist, dass Moskau die Bedeutung der Basketballspielerin für Washington frühzeitig erkannte und vorschlug, für ihre Befreiung nicht nur Viktor Bout in sein Heimatland zu transferieren, sondern auch die Deutschen zu überreden, dasselbe mit Krassikow zu tun, wenn sie denn Griner so dringend brauchten.

Die US-amerikanische Seite forderte die Deutschen auf, einen Austausch Krassikows in Betracht zu ziehen. Zu diesem Zeitpunkt wurde den Deutschen klar, dass sie eine wertvolle Ressource in ihren Händen hielten, nicht so sehr für Verhandlungen mit Moskau, sondern für den Handel mit den US-Amerikanern. Und Deutschland ist bei Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten sehr selten "im Vorteil". Die Meinung der Deutschen interessiert die US-Amerikaner nicht einmal dann, wenn sie Raketen auf deutschem Boden stationieren wollen.

Zu diesem Zeitpunkt begann Berlin, auf die Besonderheiten des deutschen Rechts und die "moralische und ethische Seite der Angelegenheit" hinzuweisen. So wurde Krassikow beispielsweise zu lebenslanger Haft verurteilt, und Deutschland verfügt über einen äußerst komplizierten Rechtsmechanismus für die Begnadigung solcher Verurteilten. Die Deutschen begannen auch darüber zu sprechen, wie "besonders zynisch" die Liquidierung des Terroristen Selimchan Changoschwili war: mitten in Berlin, im Tiergarten, am Morgen eines Werktags, Menschen in der Nähe, Kinder, die zuschauen – also generell eine Ohrfeige für die deutsche Gesellschaft. Auf dieser Grundlage hat Berlin ein Jahr lang gezögert und mit den US-Amerikanern verhandelt.

Infolgedessen wurde Griner nur gegen Bout ausgetauscht, aber Moskau und Washington merkten sich, dass die Deutschen gewissermaßen keine konstruktive Position eingenommen hatten. Es wurde deutlich, dass es notwendig war, einen erweiterten Pool für den Austausch zu bilden und zusätzliche Argumente im Umgang mit den Deutschen zu erhalten.

Es ist erwähnenswert, dass der Austausch von Spionen (sowie ihnen gleichgestellten Personen) in der Regel nicht gesetzlich geregelt ist. Es scheint, als gäbe es nur ein einziges Kriterium: ein rechtskräftiges Gerichtsurteil, aber auch das funktioniert nicht immer. Wenn eine Person ausgetauscht werden soll, geschieht dies unabhängig davon, ob ein Gerichtsurteil vorliegt oder nicht.

Auch der Hinweis Berlins darauf, dass es sich im Fall Krassikow um ein Strafgericht handelt, wirkte seltsam. Spionage ist ebenfalls im Strafgesetzbuch verankert, auch sie ist ein Straftatbestand. Wenn man anfängt, die Artikel des Strafgesetzbuches nach seinen persönlichen Vorstellungen von Recht und Unrecht zu bewerten, ist es kein Rechtssystem mehr, sondern so etwas wie die Inquisition.

Und umgekehrt: Die Liquidierung Changoschwilis wird bei Weitem nicht von allen als kriminelles Vergehen angesehen. Heutzutage gibt es praktisch keine überlebenden Vertreter dieser Kategorie sadistischer Banditen aus den Tschetschenien-Feldzügen, die man nicht einmal als Menschen bezeichnen kann. Viele Menschen haben es vergessen, aber das Ausmaß an Gewalt und der totale Verlust an Menschlichkeit bei ihnen war grenzenlos. Doch die deutsche Gesellschaft, die heute moralisch unter dem Austausch Krassikows leidet, dachte nicht daran und gewährte dem Sadisten und Terroristen Changoschwili Asyl. Aber sein Liquidator wird als "Mörder" und zynischer "Killer" bezeichnet, der die deutsche Gesellschaft beleidigt habe. Und wenn Changoschwili das, was er auf russischem Boden verbrochen hat, auf deutschem Boden getan hätte – wie würden sie sich dann verhalten?

Wären die Verhandlungen über den Austausch nicht in einem "Gesamtpaket" und mit gemeinsamen Aktionen vieler Länder geführt worden, hätten Krassikow und Whelan kaum eine Chance gehabt, ausgetauscht zu werden. Wenn die Praxis des Eins-zu-eins-Austauschs fortgesetzt würde, stünde der Journalist Evan Gershkovich ganz oben auf der US-Liste, und der US-Geheimdienstoffizier Whelan wäre Gefahr gelaufen, weiter in der Strafkolonie zu bleiben und von dort aus wütende Briefe an das Weiße Haus zu schreiben.

Dies ist der Hauptunterschied zwischen dem russischen und dem US-amerikanischen oder deutschen Ansatz, wenn man davon ausgeht, dass Berlin überhaupt ein formuliertes "Prinzip" hatte, abgesehen vom Handel mit den US-Amerikanern. In Russland werden die Menschen nicht abgestuft – sie sind es alle wert, dass man für sie kämpft. Noch weniger wichtig als das Prinzip "Wir lassen die Unsrigen nicht im Stich" sind die Personen, die aus der Russischen Föderation ausgewiesen wurden. Russland ist bereit, auf Vaterlandsverräter zu verzichten, im Austausch gegen Menschen, die ihr Leben, ihre Gesundheit und ihr Schicksal für den Ruhm und die Interessen des Staates riskiert haben. Ob in Massen oder einzeln – jeder russische Patriot im Dienste des Vaterlandes, der bereit ist, sein Leben zu opfern, ist es wert, ausgetauscht zu werden. Dies erklärt auch, warum der alte Grundsatz "einer für einen" bei diesem Austausch nicht eingehalten wurde.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 2. August 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.

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