Aufmarsch gen Osten: 30 Milliarden Euro für panzergerechte Straßen, Brücken und Schienen
Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) bräuchte man kurzfristig mindestens 30 Milliarden Euro, um Deutschlands Straßen, Brücken und Schienen für den Transport von Truppen und Panzern "in Richtung Osten" vorzubereiten. So beschreibt das Fachmagazin German Foreign Policy am Donnerstag das Fazit der Studie über die militärische Brauchbarkeit deutscher Infrastruktur. In der Begründung für die Untersuchung der Militärtauglichkeit heißt es im Einleitungstext des Council of Foreign Relations:
"Deutschland ist der Dreh- und Angelpunkt der NATO für die Verlegung militärischer Mittel an ihre Ostflanke. Der Verfall der Infrastruktur des Landes, seine schwerfällige Bürokratie, Kapazitätsengpässe und die Anfälligkeit für physische und Cyberbedrohungen erschweren jedoch die militärische Mobilität. Dies untergräbt die Fähigkeit Deutschlands, seinen Verpflichtungen im Rahmen des neuen Streitkräftemodells der NATO nachzukommen…"
Aufgrund des "ausgeprägten Dual-Use-Charakters" von Straßen und Brücken und Schienen, die ja schließlich sowohl zivil als auch militärisch genutzt würden, müssten auch Mittel aus zivilen Infrastrukturtöpfen für die Militärtüchtigkeit der Verkehrswege zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung habe bestätigt, dass sie grundsätzlich bei der zivilen "Gesamtverkehrswegeplanung" die "militärischen Bedarfe an die Verkehrsinfrastruktur" in die Planung einbeziehe. Diesbezüglich stimme sich das Verkehrsministerium eng mit dem Verteidigungsministerium ab.
Außerdem deckten sich die Erfordernisse "im wesentlichen mit den Bedarfen der Bundeswehr". Das erläuterte der Kommandeur des Bundeswehr-Landeskommandos Schleswig-Holstein, Axel Schneider, am konkreten Beispiel der neuen Küstenautobahn in Schleswig-Holstein. Bei der A20 handele es sich "eine wichtige Ost-West-Verbindung" für Truppenbewegungen. Darüber hinaus biete die Autobahn "weitere Optionen, die Häfen an Nord- und Ostsee miteinander zu verbinden." Das Land Schleswig-Holstein müsse sich also "darauf einstellen, wichtiger militärischer Raum für Truppenbewegungen aus und in den nordeuropäischen Raum zu werden." Nach Bewertung des Kommandeurs habe Deutschland den Friedenszustand bereits verlassen. Schneider erklärte:
"De jure sind wir nicht im Krieg, de facto nicht mehr im Frieden."
Der DGAP-Studie zufolge sei das Schienennetz "der wichtigste Bestandteil der militärischen Logistik." Für einen "Aufmarsch gegen Russland" seien Gleise der Hauptverkehrsweg, um "große Mengen an Truppen und schwerem Gerät" von der Bundeswehr und von verbündeten Streitkräften zu verlegen.
Allein für die Ausbesserung der Deutschen Bahn bräuchte man deshalb in den nächsten drei Jahren 88 Milliarden Euro für die dringendsten Investitionen. Dafür habe die Bundesregierung im Rahmen der EU-Programme zur Förderung der militärischen Mobilität, das Projekt "Gezielter Ausbau der Ost-West-Schieneninfrastruktur" beantragt. Insgesamt seien für entsprechende Projekte rund 183 Millionen Euro eingeplant, 92 Millionen Euro übernehme die EU.
Unabhängig von den Problemen des zivilen Bahnverkehrs, müsse vorrangig in militärisch relevante Streckenabschnitte investiert werden, heißt es seitens der DGAP. Militärische Priorität gelte auch hinsichtlich der Nutzung von Zügen und Schienen. Schon in Friedenszeiten habe die Bundeswehr mit der Deutschen Bahn vertraglich vereinbarte Nutzungsrechte. Dabei könne sowohl der öffentliche, als auch der private Reiseverkehr "eingeschränkt werden" um Bedarfe für Truppenbewegungen frei zu machen.
Im Kriegsfalle könne die Bundeswehr "umfassende Zugriffsrechte auf die Zivilgesellschaft" in Anspruch nehmen. Das betreffe sowohl die öffentliche Infrastruktur als auch die Privatwirtschaft. So heißt es dazu in den aktualisierten Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung:
Die "gewerbliche Wirtschaft hat nach dem Bundesleistungsgesetz z. B. Kraftfahrzeuge, IT-Infrastrukturen und -dienstleistungen, Bau- und Depotgeräte sowie Umschlagsleistungen [...] zur Verfügung zu stellen…"
Neuerdings gelte die verpflichtende Unterstützung des Militärs seitens der Zivilgesellschaft nicht nur für die Deutsche Bundeswehr. Bundesbürger müssen mit den neuen Rahmenrichtlinien auch "verbündete Streitkräfte" unterstützen und ihnen Privateigentum zur militärischen Nutzung überlassen. Außerdem könne man nach den neuen Bestimmungen die Zivilgesellschaft "bereits vor dem Eintritt des äußeren Notstandes" zu "Maßnahmen zur Unterstützung militärischer Verlegungen eigener und verbündeter Streitkräfte" heranzuziehen.
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