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Июнь
2024

EM 2024: Hat Cristiano Ronaldo das nötig?

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Auch mit 39 Jahren ist Cristiano Ronaldo noch immer Fixpunkt in Portugals Nationalelf. Zuletzt verstieg sich "CR7" zu einigen skurrilen Aktionen – auf dem Platz läuft es aber. Oder? Das war doch genau, was er wollte. Das, was er auch mit 39 Jahren immer noch braucht, geadelt mit fast allen Titeln, die es im Weltfußball zu gewinnen gibt. Das erste Training der portugiesischen Nationalmannschaft in ihrem EM-Quartier bei Gütersloh vor wenigen Tagen wurde überfrequentiert von Tausenden Fans des Europameisters von 2016 – und klar war auch: Der Großteil war nur aus einem Grund da – Cristiano Ronaldo . Im brechend vollen Heidewaldstadion schaffte es ein junger, von Gefühlen überwältigter Fan sogar auf den Platz, eilte zu "CR7", der sich bereitwillig umarmen und zu einem Selfie überreden ließ, ehe erbarmungslose Sicherheitskräfte einschritten. Auf dem Schwarzmarkt wurden dem Vernehmen nach sogar horrende Preise für Karten zur Trainingseinheit der Mannschaft aufgerufen. Mittelfeldspieler Vitinha erklärte auf einer Pressekonferenz danach fast ehrfürchtig: "Cris hat einen großen Einfluss darauf", und es ist kein Geheimnis, dass Ronaldo selbst diese Aufmerksamkeit genießen wird. Denn diese Wochen, die am Dienstag mit Portugals EM-Auftakt gegen Tschechien (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online) beginnen, sollen zu Festwochen für ihn selbst werden. Jeden Auftritt zelebriert der fünfmalige Weltfußballer mit solcher Verve, als wäre es zugleich sein erster und letzter – wie aber eigentlich auch durch seine gesamte Karriere hindurch. Und man muss kein Fan des Ballkünstlers sein, um ihm zuzugestehen: Er ist noch immer mit Leidenschaft dabei. "Es gibt immer dieses Kribbeln im Bauch, besonders am Tag vor dem Spiel", sagte Ronaldo selbst vor der Partie. "Ich bin froh, dass ich das spüre, denn wenn es mal weg ist, sollte ich lieber aufhören." Bis dahin aber bleibt er die Lichtgestalt der Mannschaft – und darüber hinaus. Großer Auftritt gegen Irland Da kam ihm das letzte Testspiel vor dem EM-Start gerade recht: die 50. Spielminute im Aveiro Municipal Stadion gegen Irland. Ein langer Ball auf Ronaldo am rechten Strafraumrand. Mit rechts nahm "CR7" das Spielgerät kunstvoll an, machte zwei, drei kleine Schritte links in die Mitte, legte sich den Ball auf den linken Fuß, zog ab – und schweißte seinen Schuss ins linke obere Eck. Unhaltbar für den irischen Torwart Caoimhín Kelleher. Das 2:0 für die Selecão. Daraufhin stürmte Ronaldo in altbekannter Manier zur Eckfahne und vollführte seinen berühmt-berüchtigten, eingesprungenen Jubel. Zu dem er nur zehn Minuten später erneut Gelegenheit hatte: Diogo Jota zog in den irischen Sechzehner, konnte unbedrängt quer auf Ronaldo spielen, der kam am Elfmeterpunkt an den Ball und vollendete trocken ins kurze Eck zum 3:0-Endstand. Als hätte er allen zeigen wollen: "Seht her, ich kann es noch." Nach der Partie gab sich die legendäre Nummer sieben dann ganz staatsmännisch: "Es gibt nichts Besseres, als für die portugiesische Nationalmannschaft zu spielen", sagte Ronaldo. "Die Portugiesen erwarten viel, es gibt überhaupt keinen Spielraum für Fehler. Sie wollen immer, dass Portugal gewinnt, wegen der Generation, wegen des Talents, das vorhanden ist." Dass er damit vorrangig sich selbst gemeint haben wird, ist kein Geheimnis. Denn im Vorfeld des Turniers kamen Fragen auf, ob der Fast-Vierziger tatsächlich noch langfristig das Format für die Startelf der Portugiesen habe. An Schnelligkeit hat Ronaldo mittlerweile qua Alter eingebüßt, zieht nicht mehr wie in besten Zeiten leichtfüßig an Gegenspieler um Gegenspieler vorbei, erwartet aber dennoch wie in besten Zeiten stets den Ball, auch von hochkarätigen Teamkollegen wie Bruno Fernandes, was das Spiel der Mannschaft auch zu lähmen vermag. "Die Leute können sagen, was sie wollen" Auch wurde das Leistungsniveau des spielenden Denkmals zum Thema. Ronaldo spielt in der höchsten Liga von Saudi-Arabien, der "Saudi Pro League" bei Al-Nassr. Er bekommt dort ein Jahresgehalt von 200 Millionen Euro und nahm die Liga zuletzt trotz Kritik in Schutz. "In Frankreich gibt es zwei oder drei Mannschaften auf höherem Niveau, in Saudi-Arabien ist die Konkurrenz viel größer", sagte Ronaldo in einem Interview im Januar. "Die Leute können sagen, was sie wollen. Ich spiele hier seit einem Jahr, also weiß ich, wovon ich rede. Aktuell ist die Liga hier besser als die französische Liga." Mehr noch: "Es wird dauern, aber Schritt für Schritt wird man hier das höchste Level erreichen. Ich bin überzeugt, dass man hier eine der drei, vier besten Ligen der Welt haben wird." Und fast zwangsläufig zog Ronaldo auch einen Vergleich zu persönlichen Konkurrenten: "Der Ballon d'Or und der 'The Best' (der Fifa-Preis, Anm. d. Red.) verlieren an Glaubwürdigkeit. Das soll nicht heißen, dass Lionel Messi , Erling Haaland oder auch Kylian Mbappé die Auszeichnung nicht verdient hätten – aber die Zahlen lügen nicht", sagte er und verwies dabei auf seine Statistik: 54 Tore habe er für Al-Nassr 2023 erzielt, und obwohl Kritiker anmerken würden, dass er diese Treffer ja in Saudi-Arabien angehäuft habe, sei er deshalb "sogar noch stolzer darauf, Haaland, Mbappé und Kane geschlagen" zu haben. Obszöne Geste und hemmungslose Tränen Die Angst, nicht mehr mithalten zu können, verfolgte ihn offenbar auch in den vergangenen Monaten: Ende Februar ließ er sich nach dem 3:2-Sieg seines Teams gegen Al-Shabab zu einer obszönen Geste in Richtung gegnerischer Fans hinreißen, machte, nun ja, Handbewegungen im Lendenbereich. Auf in den sozialen Medien verbreiteten Videos sind von den Tribünen "Messi"-Rufe zu hören. Ronaldo wurde für die Geste für eine Partie gesperrt. Und als Anfang Juni das Finale im saudischen Pokal mit 4:5 im Elfmeterschießen gegen Al-Hilal verloren ging, weinte Ronaldo hemmungslos, musste von Kollegen und Teammitarbeitern getröstet werden (mehr dazu lesen Sie hier ). In den sozialen Netzwerken bekam Ronaldo allerdings viel Zuspruch. So meinte ein Nutzer: "Niemand liebt das Spiel mehr als er." Eine andere Person schrieb: "Jeder sollte sich bei ihm bedanken für das, was er für diesen Sport tut, für das, was er für die Fans, die Unterstützer, für alle tut, die den Sport im Allgemeinen lieben." Böse Zungen mögen nun behaupten, Portugals Nationaltrainer Roberto Martinez sei die Entscheidung zu Ronaldos Startelf-Status durch dessen Gala-Vorstellung gegen Irland abgenommen worden. Der Spanier, seit Anfang 2023 im Amt, gab sich schließlich im Vorfeld zwar alle Mühe, dem bekanntermaßen sensiblen Granden zu huldigen – umschiffte dabei aber stets elegant eine konkrete Aussage: "Er ist ein Spieler, der im Strafraum den Platz sehr gut nutzen kann. Sein Abschluss ist etwas ganz Besonderes, er ist ein besonderer Spieler." Und weiter: "Cristianos Fokus, wie er mit Niederlagen umgeht und sein defensives Stellungsspiel – das war perfekt in den letzten elf Spielen, die wir gemacht haben. Ich mache mir keine Sorgen." Martinez weiß aber auch: In der Rangordnung kommt er erst nach Ronaldo. Sein Vorgänger Fernando Santos, der das Land schon zum EM-Titel 2016 gecoacht hatte, wagte es bei der WM 2022, den damals schwächelnden Angreifer auf die Bank zu setzen – und musste nach dem 0:1 im Viertelfinale gegen Marokko gehen. "Er denkt immer in großen Dimensionen" Immerhin: Zahlenmäßig passte es tatsächlich in der EM-Qualifikation – zumindest für Ronaldo. Denn in den neun Spielen, die er für Portugal zum Einsatz kam, erzielte der Superstar zehn Tore und bereitete zwei weitere Treffer vor. Allerdings hießen die Gegner in der Quali-Gruppe J Slowakei, Bosnien-Herzegowina, Island, Liechtenstein und Luxemburg, und es ist keine ehrabschneidende Bemerkung, den Nabel des Weltfußballs anderswo zu verorten. Auch nicht beim letzten Test-Gegner Irland, in der aktuellen Fußball-Weltrangliste auf Rang 60. "Die Leute sollten aufhören, alles an seinem Alter festzumachen", plädierte kürzlich Patrice Evra, einst Teamkollege Ronaldos bei Manchester United und heute TV-Experte, im "Deccan Herald". "Wenn er dabei ist, dann, weil er noch auf diesem Level spielen kann. Martinez vertraut Cristiano. Er wird treffen. Ich verstehe wirklich nicht, warum er infrage gestellt wird." Bei der EM nun kann sich Ronaldo noch weiter in der Fußballhistorie verewigen: Mit einem Tor würde er zum ältesten Torschützen der EM-Geschichte aufsteigen. Noch hält der Österreicher Ivica Vastić diese Marke, 2008 traf er mit 38 Jahren und 257 Tagen. Die Chancen sind gut. In der Gruppe F, in der außerdem die Türkei und Georgien warten, ist Portugal Favorit. "Ich genieße den Fußball, und Rekorde sind einfach eine Konsequenz daraus", sagte Ronaldo. EM-Rekordspieler (25) und Rekordtorschütze (14) ist er längst. "Er denkt immer in großen Dimensionen, und wir wollen ihn unterstützen, denn er ist unser Kapitän", versicherte Abwehrspieler Diogo Dalot. Genau das, was Ronaldo wollte.