Rentenpaket : 101 Fragen, null Vertrauen: Wie der Heizungsstreit die Ampel bis heute prägt
Happy Birthday, Heizungs-Hammer! Ein Jahr nach dem Ampel-Zoff zeigt der Streit um die Rente: Das Chaos von damals prägt das Miteinander in der Koalition bis heute.
Zu den seltsamsten Episoden dieser mit reichlich seltsamen Episoden gesegneten Bundesregierung gehören die Wochen im Mai 2023, als die FDP-Fraktion 101 Fragen an Robert Habeck sammelte. Wir erinnern uns: Es ging um das neue Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, im Volk als "Habecks Heizungs-Hammer" bekannt. SPD, Grüne und FDP stritten darum, wie lange die Deutschen noch Gasthermen in ihre Keller bauen dürfen.
Eine intensive Zeit, die die Ampel an ihre Grenzen brachte und das Miteinander der Koalition geprägt hat – bis heute. In diesen Tagen jährt sich die Hochphase des Heizungsstreits zum ersten Mal. Und die Ampel feiert den Geburtstag auf ihre Art. Der neue Streit ums Rentenpaket zeigt deutlich, wer damals welche Schlüsse aus dem Schlammassel gezogen hat.
Beginnen wir mit der FDP. Die Liberalen haben aus dem Heizungsstreit gelernt, dass die eigene Basis durchaus goutiert, wenn man mal ein bisschen Opposition in der Regierung wagt. Es war ja so: Christian Lindner, Finanzminister und FDP-Chef, hatte dem GEG im Kabinett bereits zugestimmt, da kam im Vorfeld des Parteitags Ende April 2023 Unmut auf. Ex-Euro-Rebell Frank Schäffler schrieb einen Dringlichkeitsantrag, der auf eine harte Tür vorm Heizungskeller pochte und damit Partei- und Fraktionsführung unter Druck setzte, sich dem anzuschließen. Schäffler hatte die Stimmung an der liberalen Basis früher erkannt als andere.
Die Lehren aus dem großen Ampel-Zoff
Auch nach dem Parteitag war es Schäffler, der gemeinsam mit anderen dafür sorgte, dass der Ton scharf blieb. Mit Wolfgang Kubicki sammelte er 101 Fragen, die die Fraktion dem grünen Wirtschaftsminister Habeck schicken wollte. So berichtete es die "Bild". Auch FDP-General Bijan Djir-Sarai kündigte den Fragenkatalog vollmundig als beschlossene Sache an. Das Problem: Die Fraktionsführung hatte nie vor, 101 Fragen zum Heizungsgesetz an Robert Habeck zu schicken.
Doch da war der öffentliche Druck längst zu groß. Am Ende schickte die FDP sogar 113 Fragen an Habeck, das GEG wurden im parlamentarischen Prozess umfassend geändert. Und die Bundestagsabgeordneten der FDP konnten stolz in ihren Kreisverbänden verkünden: Wir haben die Gas- und Ölheizungen des Landes vor den Klempnern der Macht beschützt. Seht her, wie wichtig es ist, dass wir in dieser Regierung sind!
Immer blockieren? Lohnt sich nicht. Das hatte die FDP schon vorher gelernt. An entscheidender Stelle und mit voller Überzeugung richtig blockieren – das ist die liberale Lehre aus dem Heizungschaos.
Genossen am Spielfeldrand
Beim grünen Koalitionspartner fiel das Fazit deutlich bitterer aus. Das beginnt schon damit, dass in der Führung von Partei und Fraktion wohl niemand von "Lehren" sprechen würde, die man hätte ziehen können. Nein, die Grünen haben eine Lektion verpasst bekommen. Ganz einfach. Und damit ihnen das nicht noch einmal passiert, arbeiten sie seitdem unter veränderten Prämissen. Erstens: Traue der FDP nicht. Zweitens: Geh davon aus, dass die FDP sich nicht an Absprachen hält. Drittens: Antizipiere den liberalen Knüppel, bevor er dir zwischen die Beine fliegt.
Bleibt noch die SPD. Der Kanzler und seine Genossen haben sich den Heizungskampf in der öffentlichen Arena überwiegend vom Rand angeschaut. Warum auch einmischen? Warum ins Risiko gehen, wenn die FDP den ein oder anderen Punkt macht, den man selbst für ganz vernünftig hält? Den Kredit dafür kann man schließlich später noch für sich reklamieren, wenn das Ding durch ist.
Die Sozialdemokraten haben selbstverständlich registriert, wie die FDP vorgegangen ist. Und sie haben sich gemerkt, wie es den Grünen ergangenen ist. Das kommt ihnen nun zugute. Denn im Streit um die Rente sind die Rollen vertauscht.
Meinung Rentenblockade Lindner 07.54
Ausgangspunkt ist wie im vergangenen Jahr eine Einigung, der Christian Lindner zugestimmt hat. Im März steht er neben Sozialminister Hubertus Heil von der SPD. Ihre Botschaft: Das Rentenpaket II kommt, das Rentenniveau ist gesichert, das Generationenkapital auch. Selbstverständlich, so konnte man Lindner verstehen, werde es Änderungen im parlamentarischen Verfahren geben, aber keine große Sache.
Es kam dann anders.
Die Parallele ist offensichtlich
Ein Parteitag der FDP Ende April, ein Antrag, eine verschärfte Formulierung. Anders als das GEG vor einem Jahr war das Rentenpaket II noch nicht im Kabinett. Heißt: Lindner kann den Prozess trotz der gemeinsamen Pressekonferenz noch verzögern und seine Zustimmung verweigern. Er will nicht noch einmal denselben Fehler machen und das Gesetz abnicken, ohne die eigenen Leute hinter sich zu wissen. Darum seine Blockade in der vergangenen Woche. Wann das Gesetz ins Parlament kommt? Offen. Da allerdings läuft sich die FDP-Fraktion via "Bild" ("FDP plant Renten-Rache gegen Scholz") auch schon wieder warm. Zu allem bereit, ihr Meisterstück zu wiederholen – dieses Mal ganz ohne interne Dissonanzen über einen Fragenkatalog.
Für die FDP geht es um nicht weniger als die erneute Beweisführung, dass es besser ist mitzuregieren als auszusteigen. Lindner hat eine "Wirtschaftswende" versprochen, die bis zur Sommerpause beschlossen sein soll. Und wer den ganzen Tag von Wettbewerbsfähigkeit spricht, muss auch die Rente auf den Prüfstand stellen. Sonst verliert man als Liberaler schnell an Glaubwürdigkeit, vor allem bei den eigenen Leuten.
Die Parallelen zum Vorjahr sind also offensichtlich. Und doch ist die Ausgangslage etwas anders. Hubertus Heil ist ein Profi. Einer, der gerne mit Maximalforderungen rausgeht, um am Ende zu erreichen, was er ursprünglich erreichen wollte. Der sich nicht davon überraschen lässt, wenn ein Partner plötzlich die Grätsche auspackt. Hinzu kommt, dass auch der Kanzler in diesem Fall nicht einfach zuschauen wird. Die Rente mit 63, die die FDP abschaffen will, liegt Olaf Scholz am Herzen. Ganz anders als damals das GEG.
Man kann aus der Erfahrung von damals also schlecht ableiten, wie der Ampel-Zoff dieses Mal ausgehen wird. Aber man kann vielleicht ein paar Verhaltensmuster antizipieren.
Und was machen die Grünen?
Dieses Mal können die Grünen den Zoff vom Spielfeldrand beobachten. Warum auch ins Risiko einer FDP-Attacke gehen, wenn die SPD ohnehin für Dinge kämpft, die der ein oder anderen Grünen auch wichtig sind. Man kann das für die eigenen Wähler hinterher immer noch für sich reklamieren…
Bleibt die Frage: Muss das alles sein? Politiker der Ampel-Parteien behaupten immer mal wieder, der öffentliche Streit sei wichtig, um die Unterschiede zwischen SPD, Grünen und FDP betonen zu können. Was wiederum überlebensnotwendig sei für eine gesunde Demokratie. Mag ja sein. Sie vergessen dabei nur die Voraussetzung, die gegeben sein muss, damit öffentlicher Streit in einer Koalition keine destruktive Kraft entfaltet: Man muss Gönnen können.
Sollte es in der Ampel jemals die Bereitschaft dazu gegeben haben – der Heizungsstreit hat sie zunichte gemacht. Sie wird nicht mehr wiederkommen. Wesentlich wahrscheinlicher sind 101 Fragen der FDP-Fraktion an Hubertus Heil zum Rentenpaket II.