Von Berlin bis Barcelona: Pro-Palästina-Proteste breiten sich an europäischen Unis aus – Bilder zwischen Zorn und Zeltlager
Seit Wochen wird an amerikanischen Unis gegen Israels Vorgehen in Gaza protestiert. Nun sind die Pro-Palästina-Proteste nach Europa übergeschwappt. Ein Blick auf den Campus – von Berlin bis Barcelona.
Studierende, die "Freiheit für Palästina" skandieren. Plakate in Hörsälen, die einen "Genozid in Gaza" anprangern. Aktivisten, die ihre Zelte auf dem Campus aufschlagen.
In den USA sind diese Bilder von Universitäten im Aufruhr seit Wochen an der Tagesordnung. Doch diese neuesten Szenen spielen nicht etwa auf den Hochschulgeländen in New York oder Kalifornien. Nein, sie kommen aus London, Amsterdam, Valencia und nicht zuletzt Berlin.
Studierendenproteste gegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg breiten sich aktuell in ganz Europa aus. Inspiriert durch die Demonstrationen an amerikanischen Universitäten haben Studierende an verschiedenen europäischen Hochschulen Hörsäle und Einrichtungen besetzt. Sie fordern Solidarität mit den Palästinensern und ein Ende der Partnerschaften mit israelischen Einrichtungen. Während die Mehrheit der Proteste bisher friedlich blieben, kam es bei Demonstrationen in den Niederlanden, Deutschland und Österreich zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Die Frage, die auf der anderen Seite des Teichs bereits heiß diskutiert wird, rückt dadurch auch an europäischen Unis in den Fokus: Pro-Palästina-Proteste erlauben – oder eingreifen?
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Protestcamps an Unis in Italien, Spanien und Österreich
In den Niederlanden löste die Polizei am Montagabend ein pro-palästinensisches Zeltlager an der Universität Amsterdam auf und nahm 169 Personen fest. Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie die Beamten mit Schlagstöcken auf Aktivisten einschlug und ihre Zelte zerstörte, nachdem diese sich geweigert hatten, den Campus zu verlassen. Die Polizei erklärte anschließend auf der Plattform X, die Aktion sei "notwendig, um die Ordnung wiederherzustellen", nachdem die Proteste in Gewalt umgeschlagen waren.
In Paris musste die Polizei am Dienstag gleich zweimal zur renommierten Universität Sciences Po ausrücken, um rund 20 Studierende zu vertreiben, die sich in der Haupthalle der Universität verbarrikadiert hatten. Nach Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft griff die Polizei ein, um anderen Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihre Prüfungen abzulegen, und nahm zwei Personen fest.
In der Schweiz weiteten sich die Proteste am Dienstag auf drei Universitäten in Lausanne, Genf und Zürich aus. Die Universität Lausanne äußerte in einer Erklärung, sie sehe "keinen Grund sieht, die Beziehungen zu israelischen Universitäten abzubrechen", wie es die Demonstrierenden fordern. In Österreich campieren seit Donnerstagabend Dutzende Studierende auf dem Campus der Universität Wien, wo sie Zelte aufgestellt und Transparente aufgehängt haben. Auch an der Universität Bologna in Italien, einer der ältesten der Welt, errichteten studentische Aktivisten über das Wochenende ein Protestlager.
Zu ähnlichen Protesten kam es auch an Universitäten in Irland, Finnland, Dänemark, Belgien, Spanien und Großbritannien.
Kritik nach Pro-Palästina-Proteste an mehreren deutschen Hochschulen
Nachdem die Protestaktionen an mehreren deutschen Hochschulen in die Schlagzeilen gerieten, nimmt die öffentliche Kritik hierzulande zu. Am Dienstag stellte die Freie Universität (FU) zeitweise den Betrieb ein, weil 150 Aktivisten den Hof besetzten. Nach Angaben der Hochschule hatten Aktivisten versucht, Räume und Hörsäle der Universität zu besetzen und es sei zu Sachbeschädigungen gekommen. Am Nachmittag wurde das Gelände von der Polizei geräumt, die auch gleich mehrere Personen festnahm. In Leipzig kam es zu einem ähnlichen Einsatz. Dort hatten gut 50 Aktivisten Audimax und Innenhof besetzt. Die Polizei räumte am Abend den Hörsaal und spricht von derzeit 13 Tatverdächtigen.
Deutliche Kritik an den pro-palästinensischen Protestaktionen kommt von Hochschulverbänden, Studierendenvertreter sowie der Polizei. Universitäten seien Orte differenzierter geistiger Auseinandersetzungen, teilt der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Lambert T. Koch, der Deutschen Presse-Agentur mit. Sie seien "keine Orte für gewaltsame und aus dem Ruder laufende Proteste, wie zuletzt an der HU und nun auch FU Berlin". Auch Studierendenverbände forderten ein konsequentes Vorgehen der Unis.
Hintergrund der in den USA gestarteten Uni-Proteste ist der seit sieben Monaten andauernde Krieg im Gazastreifen. Nach dem beispiellosen Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober hatte Israel mit massiven Luftangriffen reagiert und eine Bodenoffensive gestartet. Doch je länger der Krieg dauert und je mehr sich die humanitäre Lage in Gaza verschlimmert, desto stärker wächst die internationale Kritik am israelischen Vorgehen.
Nach den eskalierten Protesten in Amsterdam teilte die Universität nun in einer Erklärung mit: "Wir teilen die Wut und Verwirrung über den Krieg und verstehen, dass es Proteste dagegen gibt. Wir betonen, dass innerhalb der Universität der Dialog darüber die einzige Antwort ist".
Quellen:Guardian, Washington Post, AP, mit Nachrichtenagentur DPA