EU und Deutschland geben im globalen Handel massiv Anteile an China ab
Gestern drohte Ursula von der Leyen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit Strafmaßnahmen der EU. Grund ist die wirtschaftliche Schwäche der EU, für die von der Leyen China verantwortlich macht. Von der Leyen behauptet, China überschwemme den europäischen Markt mit Elektroautos und Stahl. Diese Waren könnten durch staatliche Subventionen günstiger angeboten werden als die der Produzenten in der EU. Von der Leyen sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung und drohte Xi, entsprechende chinesische Waren mit Strafzöllen zu belegen.
Doch nicht nur auf dem EU-Markt behaupten sich chinesische Produkte besser als die ihrer europäischen Konkurrenten. Die EU fällt im Handel mit den Ländern des Globalen Südens gegenüber China und Russland immer weiter zurück, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, IW. Bezüglich des Handels mit den sogenannten Transactional 25, T25, hat China die USA inzwischen überholt, die EU, einst auf Platz eins, befindet sich in einem seit Jahren anhaltenden Abwärtstrend. Inzwischen liegt sie nur noch auf Platz drei. Auch Deutschland ist im Abwärtstaumel. Russland ist dabei, Deutschland im Handel mit den T25 zu überholen.
Bei den T25 handelt es sich um eine Gruppe von Staaten des Globalen Südens, die nicht eindeutig einem Lager zugeordnet werden können. Sie entscheiden sich je nach Interessenlage für Kooperation mit China und Russland oder mit den Ländern des kollektiven Westens.
Die Studie zeigt deutlich, dass China auch bei diesen Wechselstaaten deutlich an Attraktivität gewonnen, die EU und Deutschland dagegen massiv verloren haben. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Die Verschiebung der Handelsströme und der damit verbundene Einflussverlust sind nicht allein auf angeblich wettbewerbsverzerrende Subventionen des chinesischen Staates zurückzuführen, führt die Studie aus.
Das IW attestiert der Bundesregierung mangelnden politischen Willen, am Einflussverlust etwas zu ändern. Das ist hinsichtlich der EU kaum anders. Die von der EU großspurig angekündigte Alternative zum chinesischen Infrastrukturprojekt One Belt one Road, Global Gateway, gilt mit einem Umfang von 300 Milliarden Euro als wenig ambitioniert. Von diesen 300 Milliarden Euro soll zudem die Hälfte von privaten Investoren eingebracht werden.
Freihandelsabkommen knüpft die EU zudem an für die Partnerländer nur schwer zu akzeptierende Bedingungen an. So verbindet das Mercosur-Abkommen Freihandel mit einseitigen Umweltauflagen. Deutsche Politik agiert nicht anders und versucht, wie die EU mittels wirtschaftlicher Kooperationen sich die Möglichkeit politischer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Partnerstaaten vertraglich zusichern zu lassen. Das ist unattraktiv.
Deutsche Außenpolitik bindet Kooperationen beispielsweise regelmäßig an das Bekenntnis der Partnerländer zu einem deutschen Wertekanon, der allerdings nur regionale Bedeutung hat. Zur Illustration, was gemeint ist, sei hier beispielhaft der Auftritt der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und der deutschen Elf bei der Fußballweltmeisterschaft 2022 mit einer sogenannten "One-Love-Armbinde" verwiesen. Mit ihr sollte auf die Diskriminierung von LGBT-Personen aufmerksam gemacht werden. Die Aktion wurde vielfach kritisiert. Sie wirkte deplatziert, bevormundend und hatte klar erkennbare neokoloniale Züge. Sie hatte zur Folge, dass die deutsche Mannschaft nach ihrem frühen Ausscheiden weltweit verhöhnt wurde.
China und auch Russland verknüpfen ihre Kooperationen dagegen nicht mit der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Das macht sie deutlich attraktiver. Zudem gelang es China, aber auch Russland beispielsweise während der Corona-Krise durch kostenlose Abgabe von Schutzkleidung und Impfstoff Sympathien zu gewinnen. Die auch von der EU unterstützte Covax-Initiative gilt als Flop. Statt Solidarität zu zeigen, haben die reicheren Länder, darunter auch die EU, den Markt leergekauft.
Aktuell kommt ein massiver Ansehensverlust hinzu, vor allem Deutschlands, aber auch der EU aufgrund der Unterstützung Israels im Gaza-Konflikt. Damit dürfte sich der Trend nicht nur verstetigen, sondern noch beschleunigen. Das geopolitische Gewicht Deutschlands nimmt ab, ist das ernüchternde Ergebnis der Studie. Eine Trendwende ist weder in Deutschland noch auf EU-Ebene in Sicht, da eine Reflexion der zu Einflussverlust führenden Politik nicht auf der Tagesordnung steht. Sowohl Deutschland als auch die EU bestehen darauf, weltweit Vorgaben machen zu können. Dieser Anspruch korrespondiert jedoch immer weniger mit ihrer tatsächlichen geopolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung.
Mehr zum Thema – Von der Leyen zu Xi: China verantwortlich für Deindustrialisierung der EU