FC Bayern: Die Revolution fällt aus: Warum die Absage von Ralf Rangnick für den FC Bayern so schmerzhaft ist
Der Rekordmeister steckt in der Krise – nicht nur sportlich, sondern auch strukturell. Ralf Rangnick wäre der richtige Trainer für den Umbruch in München gewesen. Doch nun findet die dringend benötigte Generalinventur nicht statt.
Von Ralf Rangnick ist wenig zu vernehmen gewesen in den vergangenen Wochen. All die Gerüchte um seine Person hatte er unkommentiert gelassen, dabei war er schon herbeigesungen worden als neuer Trainer des FC Bayern – und das von höchster Stelle, von Vereinspräsident Herbert Hainer, kurz nach dem Champions League-Spiel gegen Real Madrid am Dienstagabend.
Einen Tag später teilte Rangnick den Bayern mit, dass er ihr Angebot nicht annehmen werde, und an diesem Donnerstag schickte er eine Presseerklärung hinterher. "Mit vollem Herzen" bleibe er Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft, teilte Rangnick mit, wobei dies "keine Absage an den FC Bayern" sei, sondern eine Entscheidung "für meine Mannschaft und unsere gemeinsamen Ziele".
Schönste Trennungslyrik war das. Solche Sätze liest man häufig, wenn sich ein CEO verabschiedet (in Wahrheit: verabschieden muss), und dann der alten Firma nur das Allerbeste nachruft, obwohl es nicht viel Gutes zu erzählen gibt.
Modernisierung bei laufendem Betrieb
Ob Rangnicks warme Worte den FC Bayern trösten werden? Wohl kaum. Mit seiner Absage, die keine sein soll, geht nicht nur die endlose Trainersuche der Münchener in ihr nächstes Kapitel. Es ist weitaus mehr zu beklagen: Die dringend benötigte Generalinventur beim FC Bayern fällt nun aus.
Es gibt nicht viele Fußball-Lehrer auf der Welt, die beides können: Eine Mannschaft anleiten und zugleich einen Verein umbauen. Ihn modernisieren bei laufendem Betrieb, behutsam und doch wirkungsvoll. Ralf Rangnick kann dies. Er hat das in Leipzig bewiesen und zuvor in Hoffenheim, zwei Vereine, die noch heute auf einem Fundament stehen, das einst Rangnick goss.
FC Bayern München Kommentar Trainersuche 13:03
Beim FC Bayern wissen sie selbst, dass es mehr zu reparieren gibt als die Innenverteidigung und die linke Abwehrseite. Sie wissen, dass es mehr braucht als ein paar Transfers, um wieder zu alter Stärke zurückzufinden. In diesem Licht ist auch die Trennung von Thomas Tuchel zu sehen. Niemand im Verein bestreitet, dass Tuchel ein bestens geschulter Trainer ist, fachlich voll auf der Höhe. Aber wofür steht sein Fußball? Was ist – schreckliches, aber treffendes Wort – seine Vision für den FC Bayern? Welche Ideen leiten ihn, was sind die großen Linien seiner Arbeit?
All dies lässt sich nicht beantworten, obwohl Tuchel schon seit März 2023 in München ist. Ralf Rangnick hingegen verfügt über ein klares Profil, nicht nur spieltaktisch (hohes Pressing und Umschaltspiel), sondern auch was die Architektur seiner Mannschaften betrifft. Nie hat Rangnick sündhaft teure Transfers von seinen Vorgesetzten gefordert, immer hat er auf junge, entwicklungsfähige Spieler gesetzt, die ihren Marktwert oftmals vervielfachten binnen kurzer Zeit. Kaum jemand im europäischen Fußball besitzt einen solch guten Blick für Talente wie Rangnick.
Mehr Laptop als Lederhose
Es wäre ein hochspannendes Experiment gewesen, wenn Rangnick, der seinen Ruhm mit Start-ups wie Hoffenheim und Leipzig erworben hat, den geschichtsschweren FC Bayern hätte überarbeiten dürften. Das wäre sicherlich nicht ohne Reibung und Ärger abgegangen in diesem stolzen Klub, dessen Mia-san-mia-Mantra zuletzt nur noch eine leere Behauptung gewesen ist. Rangnick hätte sich davon kaum beeindrucken lassen. Er gilt als unerschrocken und durchsetzungsstark (was ihn, nebenbei bemerkt, im Sommer 2021 als Nachfolger von Joachim Löw verhinderte, weil der DFB einen kreuzbraven Trainer suchte und Hansi Flick fand).
Der Universalgelehrte Rangnick beim FC Bayern, jenem Verein, der immer mehr Lederhose als Laptop war, das wird lediglich eine schönes Gedankenspiel bleiben. Für den Verein ist das geradezu tragisch, eine verpasste Entwicklungschance, und womöglich für Rangnick selbst auch. Den Nachweis, dass er auch einen Großklub steuern kann, hat er bislang noch nicht geliefert. Bei Manchester United blieb er 2021/22 als Trainer hinter den Erwartungen zurück, und später wollte ihn der Klub nicht wie verabredet als Berater weiterbeschäftigen.
Rangnick wird im Juni 66 Jahre alt. Er hat alles, was es für den FC Bayern bräuchte. Erfahrung, Reputation und Ruhe. Stattdessen bleibt er bei der österreichischen Nationalmannschaft. Wieder das bekannte Muster, wieder so ein Start-up. Eigentlich ein paar Nummern zu klein für einen wie ihn, sollte man meinen. Immerhin aber darf sich Rangnick jetzt Serial Entrepreneur nennen, Seriengründer im europäischen Fußball.