Anne Brorhilker: "Nicht zufrieden, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird": Cum-Ex-Ermittlerin wechselt zu NGO
Anne Brorhilker leitet die Ermittlungen zum Cum-Ex-Skandal – bislang. Denn nun verlässt die Oberstaatsanwältin die Justiz. Ihren Kampf gegen Finanzkriminalität setzt sie anders fort.
Die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker hat gekündigt – und übt Kritik an der Aufarbeitung des Steuerskandals. Brorhilker habe um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Köln am Montag auf DPA-Anfrage. Zuvor hatte der WDR berichtet. Zu Brorhilkers Gründen äußerte sich die Behörde nicht. Die Oberstaatsanwältin nahm eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Cum-Ex-Steuerbetrügern ein.
Schröm exklusiv Vermerk 11.12Dem WDR sagte Brorhilker: "Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird."
Anne Brorhilker kritisiert die Politik
Die Politik habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-Ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle. Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe. Den Kampf gegen Finanzkriminalität setzt sie an anderer Stelle fort: Brorhilker kündigte gegenüber dem WDR an, sich künftig als Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation "Bürgerbewegung Finanzwende" für den Kampf gegen Finanzkriminalität einsetzen zu wollen. Es gehe ihr darum, das Übel an der Wurzel zu fassen zu bekommen. "Der Wechsel von Anne Brorhilker zu Finanzwende ist eine Kampfansage an Finanzkriminelle und ihre Unterstützer", sagte Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick.
Der Cum-Ex-Skandal ist auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Hochphase noch immer nicht umfassend strafrechtlich aufgearbeitet - Lücken gibt es etwa bei der Rolle namhafter Großbanken und früherer Landesbanken wie der WestLB. Noch mehr Geld als mit Cum-Ex entging dem Staat bei artverwandten Cum-Cum-Deals, die weiter verbreitet waren und kaum juristisch aufgearbeitet sind. Der Mannheimer Finanzwissenschaftler Christoph Spengel schätzt den Steuerschaden zwischen 2000 und 2020 auf 28,5 Milliarden Euro.
Cum-Ex-Skandal führte zu Gesetzesänderung
In rund 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde in Köln unter Brorhilkers Führung gegen 1700 Beschuldigte ermittelt. Durch den Cum-Ex-Betrug, der seine Hochphase von 2006 bis 2011 hatte, wurde der deutsche Staat schätzungsweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt. Der Cum-Ex-Betrug gilt als größter Steuerskandal der Bundesrepublik.
Bei den Steuerdeals wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenansprüche in kurzer Zeit zwischen Finanzakteuren hin- und hergeschoben. Bei dem Verwirrspiel erstattete der Fiskus unwissentlich Steuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Erst mit einer zum Januar 2012 greifenden Gesetzesänderung wurde den Deals ein Riegel vorgeschoben.
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