Supersportwagen: Ich durfte den Porsche Taycan Turbo GT auf der Rennstrecke testen – und der Wagen hat mich ausgelacht
Mehr als 1100 PS, 1340 Newtonmeter Drehmoment und schneller als Max Verstappens Red Bull auf 100 km/h: Der Porsche Taycan Turbo GT ist eine ausgesprochen teure Urmacht. Ein Glück, dass die Testfahrt im spanischen Sevilla unfallfrei verlief. Und trotzdem war stern-Redakteur Christian Hensen am Ende etwas enttäuscht – vor allem von sich selbst.
Raketenstart. Linker Fuß auf die Bremse. Rechter Fuß voll auf das Pedal. Das Auto gibt zu verstehen: Lass los. Ich gehorche. Schwer zu beschreiben, was dann passiert. Wenn 1340 Newtonmeter gemeinsam daran arbeiten, den Körper mit aller Gewalt in den Sitz zu drücken, bleibt einem die Luft weg. Und das ist erst der Anfang.
Ich bin in Spanien, Circuito Monteblanco und sitze in einem Porsche, der mehr wert ist als ein Eigenheim abseits beliebter Großstädte. Etwa eine Viertelmillion Euro. Darin soll ich einen Tag zum Rennfahrer werden. Kann ja nicht so schwer sein, oder?
Schon die Anfahrt war überraschend herausfordernd für Mensch – nicht Maschine. Bei herrlichem Frühsommerwetter ging es morgens um kurz nach acht mit einer gut zweistündigen Hinfahrt zum Rundkurs los. Wie üblich mussten wir uns die dafür zur Verfügung gestellten Autos teilen, denn es gab verständlicherweise nicht für jeden Presse-Heini ein eigenes Fahrzeug. Auf einer mehrstündigen Fahrt aber alles kein Ding: Ich die erste Hälfte, mein Beifahrer die zweite. Dazu gleich mehr.
Voller Respekt vor den Kosten des Wagens rollte ich also im Schneckentempo vom Platz. Ich hatte den Fehler gemacht, vorher auf das Preissschild zu schauen. Sicher, ich hatte zuvor irgendwas unterschrieben und war bestimmt versichert. Wie hoch, wusste ich aber nicht. Also stellte ich den Geschwindigkeitsbegrenzer auf das jeweilige Tempolimit und fuhr los. Erst Autobahn, dann Landstraße.
Aus dem Weg, Porsche-Tourist!
Hinter mir fluchten spanische Lkw- und Autofahrer und konnten wohl nicht glauben, dass ein Porsche so langsam und regelkonform fahren kann. Lamentablemente no puedo conducir más rápido. Zu deutsch: Leider kann ich nicht schneller fahren. Erstens kannte ich das Auto nicht, zweitens hatte ich wenig Lust auf Fanpost der spanischen Behörden. Zum Glück wurde der Verkehr allmählich weniger, als wir mit dem Taycan durch die entlegenen Bergstrecken fuhren, die uns über einen sehr langen Umweg zur Rennstrecke führen sollten.
Etwa bei der Hälfte der Strecke, nach doch sehr vielen geraden Straßen, tauschten wir. Mein bisheriger Beifahrer, ein gestandener Autojournalist, der den Job länger macht, als ich lebe, übernahm das Steuer. "Meld dich bitte, wenn dir schlecht wird", bat er mich. Wie jetzt? Wieso das? Bei den vorgeschriebenen 60 km/h wirst du meinen Magen wohl kaum aus der Ruhe bringen, dachte ich. Was lag ich falsch.
Denn die letzten anderthalb Stunden bestanden nicht nur aus traumhaften, aber teils nicht einsehbaren Spitzkehren und engen Kurven, die ich wohl im Schneckentempo genommen hätte, sondern auch aus einem stellenweise entfesselten Fahrer, der noch vor dem Termin auf der Rennstrecke wissen wollte, was das Auto kann. Und so bat mein üppiges Frühstück bis zur Ankunft am Circuito Monteblanco mehrfach um Freigang – nur mit Mühe gelang es, dem nicht stattzugeben.
"Tolles Auto. Ich bin gespannt, was der auf der Rennstrecke kann. Wenn ich Beifahrer habe, muss ich mich immer so zusammenreißen", erklärte mir mein Presse-Kollege bei der Ankunft. Dass unser angeregtes Gespräch zum Erliegen gekommen war, nachdem er das Steuer übernahm, schien ihm nicht aufgefallen zu sein. Mein kreidebleiches Gesicht wohl auch nicht. Die nächste halbe Stunde nutzte ich, um mich zu sammeln. Gut, dass er sich zurückgehalten hat. Nicht auszudenken, wie es mir gegangen wäre, hätte er sich nicht "zusammengerissen".
Nun wohlwissend, wie mein Magen auf rasante Autofahrten reagiert, sparte ich mir das aufgebaute Büfett und schaute dem Treiben auf der Rennstrecke zu. Am Start-Punkt das immer gleiche Bild: Ein Porsche Taycan Turbo GT hält an, man hört kurz ein künstliches Surren, dann zieht der Wagen davon. Immer und immer wieder. Die sogenannte Launch Control, also die Starthilfe, war eines der zu testenden Highlights auf der Rennstrecke. Vom Fleck weg in 2,2 Sekunden auf 100, ein weiterer Augenblick später 200, dann die erste Kurve.
Das sah von außen betrachtet zwar schnell aus, aber machbar. "Ich musste abbrechen", teilte mir ein Kollege bei Ankunft nach seiner Ausfahrt mit, "das war zu viel für mich." Klingt super – vor allem, weil ich gleich dran bin, dachte ich. Und dann war es soweit: Die nette Fuhrparkmanagerin von Porsche bat mich hinter das Steuer des lilanen Porsche Taycan Turbo GT (oben im Bild) und wünschte mir viel Spaß.
Die Launch Control ist nicht von dieser Welt
Das Programm erklärte dann unser Guide, also ein erfahrener Motorsportler, der die Strecke, ihre Tücken und die Regeln bestens kannte. Eine lockere Runde zum Eingewöhnen, dann einen Slalom, Stop an der Startlinie und einmal mit der Starthilfe durchziehen. Danach zwei Runden in möglichst schnellem Tempo hinterher, dann den Hintermann vorlassen, wieder zwei Runden, Ende. Abstand nach Möglichkeit zwischen zwei bis vier Autos halten, nicht zu sehr zurückfallen.
Gut, dachte ich, kannste. Ohne Gegenverkehr und spanische Opas, die sich auffallend oft hinter engen Kurven aufhalten, kann man schließlich einfacher und ohne schlechtes Gewissen Gas, pardon, Strom geben. Das Auto bietet ohnehin alles, was man dazu braucht. 1034 PS Overboost-Leistung, über 1100 PS im zeitlich limitierten Angriffsmodus, riesige Bremsen und vor allem auch das neue High-End-Fahrwerk Porsche Active Ride, welches jedes einzelne Rad situationsabhängig dämpft und den Wagen auf der Straße hält.
Die erste Runde lief gut – ich kam hinterher. Dann der Slalom. Kein Problem. Es folgte besagter Raketenstart. Der absolute Wahnsinn. Braucht man das im Alltag? Nein. Macht es Sinn? Nein. Will man es immer und immer wieder erleben? Wenn Sie mich fragen: Ja. Unfassbar, wie Porsche die Kraft des Taycan Turbo GT auf die Straße bringt. Geradeausfahren wie ein Profi? Haken dran, Verstappen wäre abgehängt.
Doch dann zeigte mir der Taycan, was für ein Fahranfänger ich doch bin. Die "schnellen Runden" nach der ersten Gondelfahrt lehrten mich vor allem, dass ich der Situation ganz offenbar nicht gewachsen war. Der Guide fuhr mühelos vorne weg, der gestandene Journalist, der sich zu seinem Leidwesen mit mir die Runden teilen musste, langweilte sich hinter mir. Dabei habe ich es wirklich versucht: Enge Kurve, voll aufs Gas, nächste Kurve außen anfahren, Bremspunkt nicht verpassen, rauf aufs Gas. In gefühlten Sekunden waren zwei Runden vorbei – und mein T-Shirt trotz eingestellten 19 Grad durchnässt. Ab in die Boxengasse.
"Ich fahre nochmal zwei Runden mit deinem Kollegen, der hat sich etwas gelangweilt", gab mir der Guide freundlich zu verstehen. Ich dachte, ich bekomme eine Trophäe für herausragende Fahrleistungen. Mehr als "die Schnecke des Tages" war aber nicht drin.
Trotzdem erlaubte man mir, die altehrwürdige Rennstrecke für zwei weitere Runden mit meinen "Fahrkünsten" zu besudeln. Bei jeder Runde lernte ich enorm viel dazu, aber am Ende reichte es wieder nicht für den Tagesrekord. Ich wusste nicht so richtig, was ich falsch machte, aber es musste viel sein. Die Ideallinie fand ich jedenfalls nicht, so viel war klar.
Ein Auto für alle
Dennoch – und das ist der eigentlich Knackpunkt – ich habe mich im Taycan Turbo GT stets schnell und sicher gefühlt. Dieses Auto vermittelt auch dem talentfreisten Hobbyrenner, dass man seine Sache gut macht und nichts passieren kann. Ein unglaublich nettes, wenn auch viel zu kraftvolles Auto. Einfach toll. Es muss recht schwer sein, ein so breites Spektrum potenzieller Fahrer abzudecken, in dem sowohl Laien als auch Vollprofis auf ihre Kosten kommen.
Dass der Wagen langsame Fahrer am Ende einer Tour eigentlich auslacht, weil das eigene Limit unermesslich weit unter den Fähigkeiten des Fahrzeugs liegt, weiß der Taycan freundlichst zu verbergen. Danke dafür, aber ich weiß, dass ich das lila Monster sträflich unterfordert habe.
Ich werde noch lange rätseln, warum meine Zeit auf dem Circuito Monteblanco so unterirdisch war. Anhaltspunkte gab mir am Ende des Tages Porsches Werksfahrer Lars Kern, der mir auf zwei unfassbar schnellen Runden demonstrierte, wie man den Taycan Turbo GT eigentlich zu fahren hat. Aber wer soll sich das in so kurzer Zeit einprägen?
Doch Kern bestätigte mir meinen Eindruck – auch wenn er als Porsche-Ingenieur selbst für die Fahrleistungen des Taycan verantwortlich ist und wenig anderes sagen kann: Der Taycan Turbo GT, oder alle anderen Modelle der Baureihe, eignet sich für alle Lebenslagen und alle Fahrerprofile. Während ich damit an der Eisdiele sicher eine gute Figur machen würde, haben Menschen wie Kern eben richtig Spaß auf den Rundstrecken dieser Welt – und wir beide wären damit sehr zufrieden.
Transparenzhinweis: Diese Reise nach Spanien zur Testfahrt mit dem Taycan erfolgte auf Einladung von Porsche.