Viel Fingerspitzengefühl
Zahnarzt Dr. Karl Ampt, der mit dem MTV 1846 Gießen drei deutsche Meisterschaften feierte, wird 75 Jahre alt
Die Süddeutsche Zeitung lobte einst seine „Eleganz und Leichtigkeit“. „Er leistet in Angriff und Abwehr Herausragendes“, urteilte sein damaliger Trainer „Didi“ Kienast. Und die Frankfurter Rundschau bezeichnete ihn als einen Mann, der „stets in der Lage ist, über sich hinaus zu wachsen.“ Keine Frage: Dr. Karl Ampt war in den 60er- und 70er Jahren nicht nur der überragende Flügelspieler des damals noch MTV 1846 Gießen heißenden Basketball-Zweitligisten JobStairs GIESSEN 46ers, sondern in dieser Zeit auch eine der tragenden Säulen der Nationalmannschaft.
Drei Deutsche Meisterschaften und ein Pokalsieg mit den Männerturnern, 60 Länderspiele und die Olympia-Teilnahme 1972 in München sprechen für jenen Mann, der am 11. April seinen 75. Geburtstag feiert. Längst hat sich „Kalli“ Ampt aus seiner Zahnarzt-Praxis am Gießener Marktplatz zurückgezogen. Zwei Töchter, ganz überraschend dann doch noch vier Enkel, das große Haus, das er mit seiner Frau Evi, die früher unter ihrem Mädchennamen Ommert für den Post-SV Gießen auf Korbjagd ging, und sein Hobby Angeln lasten den Rentner zwar nicht rund um die Uhr aus, geben ihm aber eine große innere Zufriedenheit.
Was auch für sein soziales Engagement gilt. Viele Jahre flog er aus eigener Tasche auf die Philippinen, um für den Verein „Lotus Hilfsprogramme“ Gutes zu tun. Den Aeta, den Ureinwohnern des Inselstaates, half er durch Zahnbehandlungen, ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Inzwischen ist Karl Ampt Mitglied des seit November bestehenden Vereins „Giving Chances to Tanzanian Children“. Die Ehrenamtler unterstützen Babys und Kleinkinder eines Waisenhauses, besorgen Nahrung und Kleidung oder kümmern sich um deren medizinische Versorgung. „Als ich von diesem Projekt las, war mir sofort klar, dass ich mich dort engagieren möchte.“
Sein sprichwörtliches Fingerspitzengefühl, das ihn einst am Bohrer auszeichnete und auf dem Basketballfeld bekannt machte, führte schließlich auch dazu, dass ihn Bundestrainer Thorry Schober als einzigen Gießener mit nach München nahm. „Ich war gesetzt“, erinnert sich Ampt daran, dass er in allen Vorbereitungsspielen hochkarätig gepunktet hatte. Seine beiden MTV-Mitstreiter Hans Heß und Roland Peters indes wurden aussortiert, „das tat mir echt leid, denn wir hatten eine tolle Truppe beisammen und schon bei den Lehrgängen viel erlebt.“
Dass die Männer aus Leverkusen, Heidelberg, Wolfenbüttel, München, Gießen und Osnabrück das hochkarätig besetzte und am Ende sogar in die Geschichtsbücher eingehende olympische Turnier als Zwölfte beendeten, war für „Kalli“ Ampt zu wenig. „Neunter hätten wir werden müssen“, trauert der gebürtige Marburger, der in Gießen aufwuchs, noch heute den beiden abschließenden Niederlagen in der Zwischenrunde gegen Australien (69:70) und im Spiel um Platz elf gegen Spanien (83:84) nach. „Wir hatten mehr verdient.“
Zumal die deutschen Korbjäger in Vorrundengruppe B ihre Hausaufgaben erledigt hatten. Gegen die ganz Großen der Branche, also gegen hochbezahlte Profis, zu denen die deutschen Amateure nur aufschauten, setzte es Niederlagen, gegen Polen (67:65), den Senegal (72:62) und die Philippinen (93:74) indes holten Schobers Männer drei Siege. Nach einem 74:81 gegen Puerto Rico, dem 63:87 gegen den späteren Überraschungs-Olympiasieger Sowjetunion, bei dem Ampt das Parkett als Topscorer verließ, dem 57:68 gegen Italien und einem 56:81 gegen Jugoslawien verpasste Deutschland das Viertelfinale als Fünfter.
Dass Karl Ampt zu den positiven Überraschungen des Turniers zählte, dokumentierte der Kolumnist der Süddeutschen Zeitung nach der 69:70-Niederlage gegen Australien mit deutlichen Worten: „Coach Schober hat Fehler gemacht. Für Karl Ampt beispielsweise, dem es als einzigem gelang, den überragenden Mann des Gegners, Ed Palubinskas, einigermaßen zu neutralisieren, kam der Leverkusener Dieter Kuprella, der prompt acht Punkte des wurfsichersten Schützen des Turniers zuließ.“
Wie so viele andere deutsche Olympioniken beendete Karl Ampt seine Karriere im Nationaltrikot nach München. „Die Gießener Uni hat mich immer sehr unterstützt, irgendwann aber war klar, dass das Studium im Vordergrund stehen musste.“ Dem MTV hielt er die Treue. Bis heute, denn es vergeht kaum eine Osthalle-Partie, in der er nicht auf der Tribüne sitzt. Auch wenn er von 1974 bis 1976 für den FC Bamberg spielte, da er bei einem namhaften Kieferchirurgen in Ingolstadt die Chance erhielt, seine Kenntnisse zu erweitern.
Dass er in „Freak City“, wo er zweitbester deutscher Korbjäger des Oberhauses wurde, auch abseits des Spielfeldes auffiel, verdeutlichte einst ein Reporter der Bamberger Lokalpresse, der schrieb: „Karl Ampt, ein Sportsmann vom Scheitel bis zur Sohle.“
Nach seiner Praxiseröffnung 1976 kehrte „Kalli“ Ampt nach Gießen zurück. Er spielte noch zwei Jahre. Sein Abschied von seinem geliebten Sport indes war unrühmlich. Und vor allem seiner großen Verdienste unwürdig. Nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit Eberhard Bauernfeind, der ihm im Training den Ellenbogen derb in den Unterleib gerammt hatte, packte er seine Sachen und verschwand. Auch eine Unterredung mit Manager Heinz-Ewald Hirsch und Coach Hannes Neumann brachte keinen Frieden, zumal der Trainer nicht mehr auf ihn baute. „Als ich wieder in der Osthalle auftauchte, empfing er mich schon an der Tür und sagte: „Tschüss, mach´s gut.“ Für Karl Ampt war das Kapitel Bundesliga endgültig beendet.
10.04.24
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