Neue Verhandlungen in Kairo über Geisel-Freilassung und Feuerpause im Gazastreifen
Die schwierigen internationalen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen sind am Wochenende fortgesetzt worden. Es liege eine Vereinbarung "auf dem Tisch", die Israel "mehr oder weniger akzeptiert" habe, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Samstag in Washington. Damit liege "der Ball im Feld der Hamas". Diese stellte allerdings weitreichende Bedingungen. Am Sonntag gingen die Gespräche unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens in Kairo weiter.
Wie die staatliche Nachrichtenagentur Al-Kahera News meldete, trafen Delegationen der Vermittler Katar und USA sowie Hamas-Vertreter "zu einer neuen Verhandlungsrunde" in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ein. Ob Israel ebenfalls Vertreter zu den Gesprächen in die ägyptische Hauptstadt entsandte, war zunächst unklar.
Die Vermittler bemühen sich seit Wochen um ein Abkommen für eine Waffenruhe und die Freilassung von mehr als 130 Geiseln aus der Hand der Hamas noch vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan. Derzeit liegen ausgehandelte Vorschläge auf dem Tisch, wonach die Kämpfe im Gazastreifen für sechs Wochen unterbrochen werden sollen. Im Gegenzug soll die Hamas israelische Geiseln im Austausch für in Israel inhaftierte Palästinenser freilassen.
Der US-Regierungsvertreter sagte am späten Samstagabend vor Journalisten, es gebe ein "Rahmenabkommen" für eine Waffenruhe. Diese könnte "heute beginnen, wenn die Hamas zustimmt, ältere, weibliche und kranke Geiseln freizulassen".
Ein ranghoher Hamas-Funktionär sagte am Sonntag seinerseits der Nachrichtenagentur AFP, eine Waffenruhe im Gazastreifen könne "innerhalb von 24 bis 48 Stunden" erreicht werden, wenn Israel die Forderungen der radikalislamischen Palästinensergruppe akzeptiere.
Die Hamas besteht laut ihrem hochrangigen, im Libanon lebenden Funktionär Osama Hamdan unter anderem auf den vollständigen militärischen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen. Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe lehne die radikalislamische Palästinenserorganisation ab, sagte Hamdan dem katarischen Sender Al-Arabi.
Zudem verlangt die Hamas, eine Rückkehr der palästinensischen Binnenflüchtlinge aus dem Süden in den Norden des Palästinensergebiets zu ermöglichen, sowie die "Einfuhr von mindestens 400 bis 500 Lastwagen pro Tag" mit Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff.
Angesichts der sich weiter verschlimmernden humanitären Krise im Gazastreifen warf das US-Militär am Samstag erstmals Hilfsgüter über dem Palästinensergebiet ab. Der UN-Sicherheitsrat zeigte sich "zutiefst besorgt" über die Hungerkrise im Gazastreifen. Mit Blick auf einen Vorfall mit Dutzenden Toten in Gaza forderte das mächtigste UN-Gremium zudem alle Konfliktparteien auf, sich an das Völkerrecht zu halten und der Zivilbevölkerung im Gazastreifen keine Lebensmittelhilfen vorzuenthalten.
Bei dem Massenansturm auf mehrere Hilfstransporter waren am Donnerstag nach Hamas-Angaben mehr als hundert Menschen getötet worden. Die Hamas beschuldigte die israelischen Streitkräfte, auf Zivilisten geschossen zu haben - was diese zurückwiesen.
Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Sonntag, eine erste Überprüfung habe ergeben, dass sich den Truppen "nach den abgegebenen Warnschüssen" zum Zerstreuen des Ansturms "mehrere Plünderer genähert" hätten. Diese hätten "eine unmittelbare Bedrohung" für die Soldaten dargestellt. Diese hätten daraufhin "auf mehrere Personen geschossen", sagte Hagari und kündigte eine gründliche Untersuchung durch ein unabhängiges Armee-Gremium an.
Unterdessen dauerten die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas weiter an. Die israelische Armee teilte mit, "innerhalb von sechs Minuten" etwa 50 Ziele in Chan Junis im südlichen Gazastreifen getroffen zu haben, darunter "unterirdische terroristische Infrastruktur" und militärische Einrichtungen. Ein AFP-Korrespondent im südlichen Gazastreifen berichtete von mehreren nächtlichen Luftangriffen auf Rafah und Chan Junis.
In Israel kam es indes zu zahlreichen Kundgebungen. Zehntausende Menschen drangen in Jerusalem und Tel Aviv auf die Freilassung der Geiseln.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen dauert seit fast fünf Monaten an. Hunderte Kämpfer der unter anderem von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Palästinensergruppe waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten vorwiegend an Zivilisten verübt. Sie töteten nach israelischen Angaben etwa 1160 Menschen und verschleppten rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. 130 weitere Geiseln sind nach israelischen Angaben noch immer in der Gewalt der Hamas, 31 von ihnen sollen tot sein.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor, erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, seitdem mehr als 30.410 Menschen getötet.