Prozess: Zweiter Versuch: Anklageverlesung gegen Maddie-Verdächtigen
Am Landgericht Braunschweig wird am Freitag der Prozess gegen Christian B. fortgesetzt. Nachdem zum Auftakt ein Eklat um eine Schöffin dominiert hatte, soll es nun um die eigentlichen Vorwürfe gehen.
Ein Eklat um eine befangene Schöffin hat zum Prozessauftakt gegen Christian B. die Verlesungen der Anklage noch verhindert - am zweiten Verhandlungstag sollen nun am Freitag die Vorwürfe gegen den mehrfach verurteilten Sexualstraftäter im Fokus stehen. Dem 47-jährigen Deutschen werden am Landgericht Braunschweig drei Vergewaltigungen und zwei Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern in Portugal vorgeworfen. Der Mann steht im Fokus, weil er im Fall Maddie mordverdächtig ist.
Nach nur wenigen Minuten Verhandlungszeit in der vergangenen Woche soll der Strafprozess ab 9.00 Uhr fortgesetzt werden. Zur Anklage war es vergangenen Freitag gar nicht erst gekommen, weil die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen die ehrenamtliche Richterin stellte. Sie ist mittlerweile von der Verhandlung ausgeschlossen. Gegen sie wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten eingeleitet, wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig auf Anfrage mitteilte. Die Frau soll in sozialen Medien einen Aufruf zur Tötung des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro verbreitet haben.
Für den zweiten Verhandlungstag ist nun die Verlesung der Anklage vorgesehen. Im Oktober 2022 hatte die Staatsanwaltschaft nach Ermittlungen in mehreren europäischen Ländern eine mehr als 100-seitige Anklageschrift vorgelegt. Unter anderem soll der Angeklagte eine damals 20-Jährige aus Irland in ihrem Appartement vergewaltigt haben. Alle Taten sollen sich zwischen Dezember 2000 und Juni 2017 ereignet haben. "Zeugen sind für diesen Freitag noch nicht geladen", sagte eine Gerichtssprecherin.
Die Verteidigung strebt einen Freispruch für Christian B. an. "Die Staatsanwaltschaft hat mir bisher noch nichts vorgelegt, was mich an seiner Unschuld zweifeln lassen könnte", sagte Anwalt Friedrich Fülscher. "Ich halte die Beweislage, die diesen Anklagen zugrunde liegt, einfach für grottenschlecht", sagte er öffentlich vor Prozessbeginn. Er sprach auch von medialer Vorverurteilung.
Das Verfahren erweckt großes Interesse, weil der 47-Jährige im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen Madeleine McCann, genannt Maddie, unter Mordverdacht steht. Deutsche Ermittler gehen davon aus, dass Maddie tot ist, obwohl ihre Leiche nie gefunden wurde. Der Fall der vermissten, damals drei Jahre alten Britin sorgte weltweit für Entsetzen, ist aber nicht Gegenstand des aktuellen Prozesses in Braunschweig.