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2024

Prinzessin, Stilikone, Schauspielerin: Mit Ira von Fürstenberg endet die große Ära des europäischen Jetset

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Ira Prinzessin von Fürstenbergvereinte viele Facetten, die den Jetset des 20. Jahrhunderts ausmachten: Sie war glamourös, fantasievoll, lebenshungrig – und stets ein wenig abgehoben. Nun ist sie 83-Jährig in Rom verstorben. 

2012 war Prinzessin Ira von Fürstenberg an der Seite Ihres jüngsten Sohnes etwas ratlos an einem gemeinsamen Schicksalsort gestanden: vor jenem Anwesen in Mexiko City, in dem sie 1960 mit Ehemann Alfonso zu Hohenlohe-Langeburg und den beiden Söhnen kurze Zeit als Familie zusammengelebt hatte. Und von wo die junge, lebenshungrige Frau schließlich geflohen war.

Kurzes Idyll: Die junge Mutter mit ihren Söhnen Hubertus (l.) und Christoph, genannt Kiko
© IMAGO / Bridgeman Images

Im Alter von 53 Jahren hatte Hubertus Hohenlohe, der illustre Popkünstler, Fotokünstler, Musiker, Skirennläufer und Showmaster, seine Mutter im Rahmen seiner Reisereportage "Hubertusjagd" vor laufenden Kamera zu einer Art Familienaufstellung gebeten. Blieb aber auch diesmal mit bescheidener Erkenntnis über ihre folgenreiche Entscheidung zurück. Sie sei nun einmal jung gewesen, erklärte die damals 72-Jährige achselzuckend, nicht für ein abgeschiedenes Leben mit kleinen Kindern und mexikanischem Personal gemacht.

Die Hochzeit zwischen Ira von Füstenberg und Prinz Alfonso von Hohenlohe in Venedig kam einem Eklat gleich: als Vermählung von Jetset und Hochadel, aber auch weil die Braut erst 15 war.
© United Archives/Action Press

Erste Ehe mit 15 – Skandal und glamouröse Feier

Zu jung – das war sie in der Tat – und habe, wie sie sagte "wohl zu schnell und zu viel erlebt". Die Hochzeit der damals minderjährigen Prinzessin mit dem doppelt so alten Entrepreneur im Mai 1955 war zur Weltsensation geraten – und hatte zuvor einer päpstlichen Sondergenehmigung bedurft. Der Bräutigam: ein Patensohn des spanischen Königs Alfonso XIII., mit vollem Namen Alfonso Maximiliano Victorio Eugenio Alexandro Maria Pablo de la Santísima Trinidad y todos los Santos Hohenlohe-Langenburg. Die Braut: Virginia Carolina Theresa Pancrazia Galdina Prinzessin zu Fürstenberg, genannt Ira, Scheidungskind aus höchsten Kreisen. Während des Zweiten Weltkriegs hatte sie in der Schweiz, später in Italien und Österreich gelebt, in England ein Internat besucht und bereits für den Designer Emilio Pucci gearbeitet.

5. Todestag Lagerfeld

200 feierlich geschmückte Gondeln ließ der damals 30-jährige Lebemann auf dem Canal Grande von Venedig anrücken, über zwei Wochen soll die Feier mit mehr als 400 Gästen gedauert haben. Bereits hier Namen auf der Gästeliste, die den europäischen Jetset noch zum Glänzen bringen sollten: Bismarcks, Hannovers, Agnellis, Onassis, Thyssens und Rothschilds. Ira selbst die Tochter aus glanzvoller Verbindung zwischen der italienischen Fiat-Dynastie und des schillernden Adelshauses Fürstenberg. Bis heute sind die Menschen dieses begabten Clans – von Diane von Fürstenberg über Hubertus Hohenlohe bis Lapo Elkann – in vielerlei Hinsicht stilprägend. 

Zwischen Marbella und Mexiko-Stadt

"Unsere Hochzeit in Venedig war einzigartig", wurde Ira später zitiert, doch schon kurz darauf habe sie diesen Glanz vermisst. Dabei war Alfonso damals eifrig dabei, ein Fischerdorf an der spanischen Costa del Sol zur luxuriösen Heimstätte der internationalen High Society mit angeschlossenem Clubhaus und Golfplatz auszubauen: den legendären Marbella-Club

Gleichzeitig hatte er über eine starke familiäre Verbindung nach Mexiko das dortige Geschäft des deutschen Autoherstellers Volkswagen aufgebaut und den VW Käfer nach Südamerika gebracht. Sieben davon schickte er Im Zuge eines genialen Marketing-Gags in das berüchtigte Carrera-Panamericana-Rennen, einen davon steuerte er selbst. So erfolgreich das Mexiko-Abenteuer geschäftlich werden sollte, so tragisch wirkte es sich auf die junge Familie aus. 

Ira von Fürstenberg als Arabella mit Filmpartner Patrick O'Neal in "Matchless"
© IMAGO / United Archives

Nach nur fünf Jahren Ehe und Familienleben, sollte eine hochdramatische Trennung erfolgen – inklusive Annullierung der Ehe, Streit um das Sorgerecht, spektakulärer Entführung. Danach die nächste wenig erfolgreiche Heirat – mit Playboy "Baby" Pignatari. Mit nur 23 war Ira  ein zweites Mal geschieden. Das Leben sei nun einmal "wie ein Strauß Rosen mit Dornen", kommentierte sie viele Jahre später in einem Interview mit "Bunte".

Sie drehte 28 Filme – zu ihren eigenen Bedingungen

Nach diesen turbulenten Jahren war Fürstenberg jedenfalls die volle und nachhaltige Aufmerksamkeit der internationalen Boulevardpresse gewiss. Der legendäre italienische Filmproduzent Dino de Laurentiis soll es gewesen sein, der Ira eine Filmkarriere nahelegte und in dessen James Bond-Parodie "Matchless" sie debütierte. Insgesamt sollten es 28 Filme werden, darunter Klaus Lemkes wilder Streifen "Negresco****" und "Hello – Goodbye" an der Seite von Curd Jürgens. Schauspielunterricht hatte Ira abgelehnt, wie ihr mutmaßlich wichtigstes Rollenangebot: "Barbarella" (1968) von Roger Vadim. Jane Fonda sollte an ihrer Statt damit einen Welterfolg landen. 

Der Prinzessin Laufbahn schlug nach einem weiteren, aufgrund allzu freizügiger Szenen abgelehnten Angebot eine andere Richtung ein – was sie später manchmal bedauern sollte. Fürstenberg kehrte in die Modebranche zurück, wo ihr Bruder Egon von Fürstenberg und dessen Frau Diane bereits in New York erfolgreich waren. 1976 wurde sie "Präsidentin" der italienischen Filiale der Kosmetikfirma Germaine Montell, 1978 übernahm sie den wohl eher repräsentativ zugeschnittenen Posten einer Generaldirektorin des römischen Modehauses Valentino. Später entwarf sie unter dem Titel "Objets Uniques" eine eigene Schmuck-Kollektion und bekam im deutschen Privatfernsehen eine eigene Show.

Die Prinzessin, der Fürst und der Erbprinz: Mit den Grimaldis verband sie eine innige Freundschaft. Die Klatschpresse träumte von mehr.
© Action Press

Vollbetrieb herrschte indes auch im Spekulationsgeschäft der internationalen Presse über die Frage, mit wem die glamouröse Prinzessin wohl privat zugange sei. Am hartnäckigsten hielt sich über die Jahrzehnte das Gerücht, Fürst Rainier von Monaco hätte sich nach dem tragischen Unfalltod Grace Kellys 1982 nach einer neuen Fürstin namens Ira gesehnt – was diese auf Nachfrage stets abstritt, wenngleich nicht allzu vehement.

Sonnenseite mit Gewitterfronten

Was war das nun für eine Frau? In seinem Porträt über Königin Marie Antoinette hatte der Schriftsteller Stefan Zweig den Begriff eines "mittleren Charakters" geprägt, der sich nicht nach den großen Abenteuern der Weltgeschichte sehnt, sondern nach "gemäßigten Schicksalstemperaturen". Deshalb, so Zweig, "flüchtet er, wenn ihn eine unsichtbare Hand in Erschütterung stößt (...) er sucht das Leiden nicht, sondern es wird ihm aufgenötigt." War Ira von Fürstenberg so jemand?

2006 sollte Ira von Fürstenberg der vermutlich schwerste Schicksalsschlag ihres Lebens ereilen, als ihr ältester Sohn Christoph unter dramatischen Umständen 49-jährig in einem thailändischen Gefängnis umkam. Anders als der jüngere Hubertus, der sich früh aktiv dafür entschieden hatte, von der Jetset-Welt der Familie Abstand zu nehmen und stattdessen als Skirennläufer eine Sportlerkarriere zu beginnen, war es "Kiko" Hohenlohe schwerer gefallen, eine eigene Rolle zu finden. 

1996 trat Ira von Fürstenberg in der Harald Schmidt-Show auf – und verschenkte einen Brieföffner aus Lapislazuli.
© Action press

Fürstenberg nutzte die Chance, sich einmal noch als starke Mutter zu beweisen. Gemeinsam mit Hubertus eilte sie nach Thailand, wo sich Kiko eines lächerlichen Visa-Vergehens schuldig gemacht hatte, nun aber unter widrigsten und widerlichsten Umständen im Massengefängnis interniert wurde. Ausgestattet mit Sprite und einem Schokoriegel musste sie ihren Sohn hinter Panzerglas treffen. Und erfahren, dass er mit 43 anderen Häftlingen in einem einzigen Raum bei 45 Grad Hitze während der Regenzeit einsaß.

Sie kämpfte, doch es war zu spät, wenige Tage später starb Kiko nach einer Infektion und Komplikationen infolge seiner Diabetes-Erkrankung. "Zweifellos der schlimmste Moment meines Lebens", sagte sie später im Interview. Sie verstehe nicht "dass solch eine Tragödie passieren konnte. Ich glaube, ich werde nie überwinden können, dass Kiko nicht mehr bei uns ist."

Als der Jetset nicht mehr abheben durfte

Vielleicht ist dies die Konstante im wechselvollen Leben der Ira Prinzessin von Fürstenberg: Sie war eine Frau, die der Sonnenseite des Lebens hinterherreiste, dabei ungewöhnlich oft in stürmischen Gefilden landete. Als hätten sich höhere Mächte eine Art Parabel ausgedacht, sollte ihr großes Fest zum 70. Geburtstag im April 2010 in Sarajevo ausgerechnet auf den Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull fallen. In den Schlössern des Kronprinzen von Jugoslawien versammelten sich um die 100 glamouröse Herrschaften, feierten wie zu alten Zeiten, während sich eine dicke Aschenwolke über Europa legte und der "Jetset" seinen namensgebenden Kern verlor: Kein Jet in den Lüften, mehr als die Hälfte der Geladenen musste fern bleiben.

Ira von Fürstenberg als Fashion-Ikone und Topmodel im Jahre 1960. Als junges Mädchen arbeitete sie für Emilio Pucci, Mitte der 70er wurde sie Repräsennatin einer Kosmetik, und später "PR-Generaldirektorin" des römischen Modehauses Valentino.
© IMAGO/ZUMA/Keystone

Pünktlich am 5. Todestag ihres engen Freundes Karl Lagerfeld verließ Ira von Fürstenberg in Rom die große Erzählung, die ihr Leben war – und das auch als Opernstoff geeignet wäre. Man kann sich die Arie förmlich vorstellen, die etwa ein Giacomo Puccini für sie komponiert hätte – vielleicht mit einem ihrer prägnantesten Sätze als Titel: "Solo gli idioti sono sempre felici – Nur Idioten sind immer glücklich."