Nach "Correctiv"-Enthüllungen: Demo gegen Rechts in Hamburg: Es kommen so viele Menschen, dass abgebrochen werden muss
Mehr als 50.000 Menschen legen am Freitagnachmittag die Hamburger Innenstadt lahm, um an einer Kundgebung gegen die Rechtsextremismus teilzunehmen. Am Ende kommen zu viele Protestler, die Demo muss vorsichtshalber abgebrochen werden.
Alles andere als erwartet an diesem Nachmittag in der Hamburger Innenstadt: ein blauer Himmel, der sich in der Dämmerung langsam rosa färbt, und eine riesige Menschenmenge gegen Rechtsextremismus. Über die genauen Zahlen herrscht Uneinigkeit: Während die Hamburger Polizei von rund 50.000 Demonstranten ausgeht, sprechen die Veranstalter von 130.000 Menschen – später korrigieren sie auf 80.000 runter. Eines ist jedoch klar: Mit so vielen Menschen hatten weder die Behörden noch die Veranstalter der Kundgebung "Hamburg steht auf! Gegen Rechtsextremismus und Neonazi-Netzwerke" gerechnet.
Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Wirtschaftsverbänden, Parteien, Vereinen und Prominenten hatte zu der Kundgebung aufgerufen – so bunt gemischt wie die Demonstranten, die auf die Straße gingen: Alte und Junge, Aktivisten und Familien mit Kindern. Für letztere hatten die Veranstalter auch einen eigenen Bereich organisiert. Doch der war bald nicht mehr zu erreichen: Schon kurz nach Beginn war der Hamburger Jungfernstieg so voll, dass viele Demonstrierende auf den umliegenden Straßen stehen blieben, ohne die Bühne erreichen zu können.
"Bunte Truppe statt braune Suppe"
Immer wieder riefen die Demonstrierenden "Wir sind mehr" und "Ganz Hamburg hasst die AfD". "Bunte Truppe statt braune Suppe" und "Liebe, Gleichheit, Fuck AfD" waren auf mehreren Schildern zu lesen, aber auch "AfD ist so 1933". Anlass für den Protest war ein Bericht des Medienhauses Correctiv über ein Treffen Rechtsextremer im November in Potsdam. Daran hatten mehrere AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der ultra-konservativen Werteunion teilgenommen. Dort wurde dem Bericht zufolge über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.
Seitdem der Veröffentlichung des "Correctiv"-Berichts gehen bundesweit Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. In Hamburg nahmen bereits am vergangenen Donnerstag rund 2000 Menschen an einer spontanen Demo teil. 25.000 waren es am Sonntag vor dem Brandenburger Tor in Berlin, 10.000 in Potsdam, etwa 30.000 am Dienstag in Köln und 10.000 am Mittwochabend in Freiburg.Demo gegen Rechts
Bürgermeister Peter Tschentscher attackiert die AfD
Von der Bühne vor der Europapassage wandte sich unter anderem Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher an die Demonstranten. Es sei ein Punkt erreicht, an dem "alle Demokratinnen und Demokraten aufstehen müssen und Haltung zeigen". Er richtete sich mit klaren Worten an die AfD: "Wir sind die Mehrheit und wir sind stark, weil wir geschlossen sind und weil wir entschlossen sind, unser Land und unsere Demokratie nach 1945 nicht ein zweites Mal zerstören zu lassen."
So viele Mitbürgerinnen und Mitbürger wie Tschentscher wollten an diesem Nachmittag Flagge gegen Rechts zeigen, dass die Veranstalter die Kundgebung aus Sicherheitsgründen nach etwa der Hälfte der Zeit abbrechen mussten. Während Polizeiketten dafür sorgten, dass nicht noch mehr Menschen auf den Jungfernstieg kamen, strömten die Leute auf den nahe gelegenen Rathausmarkt.
Dort hätte die Kundgebung eigentlich stattfinden sollen. Doch die AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft hatte kurzfristig eine Fraktionssitzung am Demo-Tag angekündigt, sodass der Protest nach dem Hamburger Bannmeile-Gesetz verlegt werden musste. Am Ende demonstrierten aber auch dort Tausende, nachdem die geplante Kundgebung bereits beendet war. In der ersten Reihe vor dem Rathauseingang, direkt hinter der Polizeikette, eine Gruppe Linksradikaler. Sie skandierten Parolen wie "Siamo tutti antifascisti" ("Wir sind alle Antifaschisten") und zündeten Rauchbomben an: Der Himmel über Hamburg färbte sich am Ende schwarz und rot.